laut.de-Kritik
Schräges aus der beschaulichen Schweiz.
Review von Dani FrommEs ist doch immer wieder erstaunlich, wie viel Schräges die scheinbar so beschauliche Schweiz zu bieten hat. Das vierte Album von Velma, künstlerisch interdisziplinären Grenzgängern aus Lausanne, verlangt dem Hörer einiges ab. Denen, die sich die Mühe machen, sich darauf einzulassen, beschert "La Pointe Farinet 2949 M" außerordentlich intensive Momente. Genervten, gestressten oder sonstwie angekotzten Zeitgenossen rate ich allerdings, tunlichst die Finger davon lassen. Dies ist Meditationsmusik für diejenigen, die ihre innere Ruhe und Gelassenheit bereits gefunden haben.
Ein passendes Etikett für Velma zu finden, das erweist sich als schier unmöglich. Gentlemen Records versucht es mit "Elektro-Pop, hypnotisch, atmosphärisch und minimalistisch". "Pop" wäre zwar nicht mein erster Gedanke gewesen - aber, gut. Warum eigentlich nicht? "Hypnotisch" dagegen unterschreibe ich vorbehaltlos; mehr als einmal fühlte ich mich von Christophe Jaquets monotonen, stellenweise ein wenig schiefen Gesängen eingelullt, als würde ich von den tellergroßen Augen der Dschungelbuchschlange Kaa angestarrt.
Bereits "32 Offices" versetzt mit dumpfen Klängen in düstere Friedhofsstimmung. In "No Risk To Be Taken" kontrastiert ein warmer Bass bedrohliche Klangflächen im Hintergrund. "Sleeping Underwear" mausert sich mit klassischer Akustikgitarre und Gesang über einem rauschenden Noise-Teppich zu einer sachten, melancholischen Nummer. Ebenso wirkt das abschließende "Run", reduziert auf Stimme und Gitarre, handgemacht, damit ausgesprochen anheimelnd, wenn auch ein wenig öde. "Atmosphärisch" also? Auf jeden Fall!
Auch dem Attribut "minimalistisch" muss zustimmen, wer sich mit "Quotidien" auseinander gesetzt hat. Zwischen blubbernde Clicks und Bleeps verirrt sich ein zunächst völlig verloren wirkendes Piano, das eine Weile benötigt, bis es seinen Platz im Arrangement gefunden hat. Und doch: Die Schublade, die Gentlemen Records für Velma eröffnet, reicht nicht aus, um das Gebotene zu fassen.
Das schweizerische Trio liefert darüber hinaus mit "Metropolis" ein schier unglaubliches Cover eines Motörhead-Stücks. "Blanquette" demonstriert, dass sich auch die dünnste Gitarrenmelodie einen Weg durch ein Geräusch-Dickicht bahnen kann. In "Voices Of The Ether" breiten Newarks Krach-Hip Hopper Dälek ihren grollenden Sound aus. Erstaunlich melodische Ebenen entfalten sich über dickem Bass und finsterem Gegrummel - ein Track, der einen unangenehm wabernd in den Wahnsinn treibt, widmet man ihm nicht vollste Aufmerksamkeit. "100% Sure" vereint Gitarrenklänge, stampfende, blecherne Bässe und einen Loop, der ordentliches Potenzial für die Kopfnicker unter uns mitbringt.
Nein, unter die Lieblings-Platten wird es "La Pointe Farinet 2949 M" wohl niemals schaffen - dafür ist der Genuss mit viel zu viel Anstrengung verbunden. Doch, so viel ist sicher: "Uninteressant" hört sich ganz anders an.
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