laut.de-Kritik

Vielseitige Klangreise durch die vier Jahreszeiten.

Review von

Auf "Kvitravn" thematisierten Wardruna vor drei Jahren nordische Zauberei, Geistertiere, Animismus und den Akt der Schöpfung. Das Album stieg hierzulande auf Platz 2 in den Albumcharts ein. Nun widmen sich Einar Selvik, Lindy-Fay Hella und Co. auf "Birna", Altnordisch für Bärin, dem natürlichen Jahreszyklus des Bären und führen mit ungewöhnlichen Instrumenten, facettenreichen Vocals und modernen Produktionsmethoden durch die vier Jahreszeiten. Von der modernen Gesellschaft wurde der Bär allmählich aus seinem Lebensraum verdrängt, so dass es sich für Einar Selvik richtig anfühlte, das Tier auf akustische Weise wieder zum Leben erwecken.

"Hertan" beginnt mit dem Herzschlag des Bären, der sich durch den ganzen Track zieht und entwickelt schnell einen treibenden Sog aus hypnotisierenden Rhythmen und rituellen Gesängen, der süchtig macht. An diese treibende Ausrichtung knüpft auch das Titelstück an, das durch die Frauengesänge mehr in Richtung Mystik geht, ebenso wie "Ljos Til Jord", in dem sich ätherische Vocals, die an Dead Can Dance oder The Mystery Of the Bulgarian Voices erinnern, mit sparsamen Folk-Klängen verbinden.

Herzstück des Albums stellt das ambiente "Dvaledraumar" dar, das in den Winterschlaf des Bären überleitet, der in dieser Jahreszeit eher schlummert als fest schläft. Der Song verfügt, ebenso wie der Opener, über einen Herzschlag-Rhythmus, der sich jedoch bei neun Schlägen pro Minute bewegt, so dass man die Herzfrequenz des Bären während seines Halbschlafes wahrnimmt. Dazu hört man den Klang von singendem Eis in Nordschweden, den Jonna Jinton aufgezeichnet hat, der den Bären besingt. Im Zusammenspiel mit Instrumenten wie Ziegenhorn oder Kantele sowie gelegentlich eingestreuten Vocals ergibt sich eine meditative, verträumte Stimmung, die den ganzen Track anhält.

"Jord Til Ljos" knüpft zunächst an diese Stimmung an, entführt aber mit beschwörenden Gesängen sowie festlichen Kantele- und Weidenflötentönen nach und nach in den Frühling. Am Ende klingt die Nummer mit Vogelgezwitscher friedlich aus. "Himinndotter" lebt vom voluminösen Klang eines 30-köpfigen Frauenchores und strahlt mit düsteren Trommelrhythmen und vereinzelt eingestreuten, wilden Gesangsmomenten etwas Animalisches aus. Die Soundtrackarbeiten Selviks machen sich in dem Stück deutlich bemerkbar. In "Hibjørnen" setzt der Norweger beim Singen auf sparsame Selbstbegleitung, so wie man es von der "Skald"-Platte kennt. Textlich schließt der Track den Songzyklus des Bären ab. Es schließen sich danach jedoch noch weitere Nummern an.

"Skuggehesten" baut mit seiner dronigen Atmosphäre und oftmals rauen Vocalpassagen etwas Bedrohliches auf, bleibt aber im Vergleich zu den restlichen Nummern etwas blass. "Tretale" geht stampfend nach vorne und hält so einige emotionale Passagen Selviks am Mikro bereit. Das tranceartige "Lyfjaberg" wirkt wie eine Zusammenfassung des zuvor Gehörten, wie lange End Credits, die über den Bildschirm flimmern.

Die Hinwendung zu opulenten, geradezu szenischen Tönen, die sich auf den Vorgängern nach und nach immer mehr andeutete, setzt sich auch auf "Birna" fort. Vom eher nischigen Charme früherer Tage bleibt kaum noch etwas, was schon die klare und äußerst transparente Produktion unterstreicht, die Livefeeling heraufbeschwört. Wardruna haben sich über die Jahre im Mainstream etabliert und führen mit ihrer Musik in relativ großen Hallen unterschiedlichste Hörerschichten zusammen. Da heißt es mehr denn je klotzen statt kleckern.

Das dürfte so manchen Fan der ersten Stunde vielleicht nicht schmecken, aber wer bereit ist, die Entwicklung der Bergener mitzugehen, bekommt ein emotional äußerst vielseitiges Album geboten, das eher eine Klangreise in Ultra-HD als eine lose Sammlung einzelner Songs darstellt. Wer nach Hits sucht, der sucht vergeblich. Mehr denn je zwingen Wardruna zur musikalischen und inhaltlichen Auseinandersetzung mit ihrem Werk. Ihre universellen Töne und Themen laden dazu ein, persönliche Erkenntnisse für das eigene Leben zu suchen und mitzunehmen. Mal schauen, wie die Reise der Norweger noch weitergeht.

Trackliste

  1. 1. Hertan
  2. 2. Birna
  3. 3. Ljos Til Jord
  4. 4. Dvaledraumar
  5. 5. Jord Til Ljos
  6. 6. Himinndotter
  7. 7. Hibjørnen
  8. 8. Skuggehesten
  9. 9. Tretale
  10. 10. Lyfjaberg

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