laut.de-Kritik
Viel mehr als ein zum Leben erwachter Bob Dylan-Song.
Review von Giuliano BenassiFür den komplizierten Titel gebe es 100 Gründe, erklärt der britische Musiker und Romanautor, der von 1988 bis 2013 seine Platten als John Wesley Harding veröffentlichte. "Ich hatte vier Bücher geschrieben und dachte, es sei an der Zeit, alles unter einen Hut zu bringen. Irgendwie schien sich das aber nicht rumgesprochen zu haben, also habe ich auf dieses Album einfach beide Namen gepackt".
Das wäre ein rationaler Grund. Der wichtigste aber sei ihm bei einem Konzert des Electric Light Orchestras gekommen. Oder besser: von Jeff Lynne's ELO. "Wahrscheinlich, um es von anderen, minderwertigen Versionen von ELO zu unterscheiden, die möglicherweise auf Tour waren. Falls jemand auf den Gedanken kommen sollte, mit meinen alten Songs auf Tour zu gehen und damit ein Haufen Kohle zu machen, kann ich mit einer eigenen Version meiner selbst kontern", erklärt er weiter im Booklet. Mit einem Augenzwinkern, versteht sich.
Außerdem sei er es leid, für eine zum Leben erwachte Version eines Bob Dylan-Songs gehalten zu werden, "von Taxifahrern, Hippies und anderen Menschen mit zweifelhaften Kenntnissen der Musikgeschichte". Dylans Stück "John Wesley Harding" von 1967 war tatsächlich der Ursprung seines Künstlernamen. Nun sei aber klar, dass er sein eigener John Wesley Harding sei.
Viel Lärm um nichts, möchte man meinen. Zumindest, bis die Musik läuft, denn ab diesem Augenblick ist Stace und seinen Musikern die volle Aufmerksamkeit sicher. Der Opener "I Don't Wanna Rock'n'Roll" spielt sich umgehend ins Ohr - und fällt wegen seiner Ironie auf. Denn der Song ist natürlich Rock'n'Roll, inklusive Gitarrensolo zum Schluss.
Staces Begleitband harmoniert außerordentlich gut. Was nicht weiter verwundert, handelt es sich um die Jayhawks um Gary Louris, der als Co-Produzent die Aufnahmen leitete, die in nur fünf Tagen im Kasten waren. So bleibt nur, sich zurückzulehnen, und den Klängen aus Minneapolis zu lauschen, wie sie das Cover anpreist. Das mit dem doppelten Wesley Stace / J. W. Harding das Grundkonzept des Albums auch visuell darstellt.
Das zarte "You're A Song" bietet Slide-Gitarre, Klavier und weiblichen Hintergrundgesang, "Better Tell No One Your Dreams" dagegen ein von Neil Young inspiriertes Rock-Riff. "How To Fall ist eine Gitarrenballade mit Hammond-Orgel, "For Me And You" fröhlicher Boogie-Rock.
Besonders stolz ist Stace auf "Hastings Pier", eine Erinnerung an die Ortschaft an der englischen Südküste, in der er aufgewachsen ist. Ohne es durchzustrukturieren, hätten sie es neun Mal eingespielt und schließlich die zweite Aufnahme genommen, erklärt er in einem Interview. "Es war spät, das letzte Stück des Tages, und wir ließen uns einfach treiben", so Stace. Mit fünf Minuten ist es das längste des Albums.
Noch besser ist das folgende, von einer Akustikgitarre und einem Klavier begleitete "Audience Of One". "I played some pretty empty rooms / Some quiet as as tomb / But I only just begun / Playing to an audience of one", erzählt die erste Strophe. Womit Stace nicht nur die Aufs und Abs einer Karriere als Musiker meint, sondern eine neue Angebetete erobern will.
Auch die folgende Stücke, mal rockiger ("The Wilderness Years"), mal zärtlicher ("What You Want Belongs To You") bleiben auf dem hohen Niveau. "I thought there was so much to do / But now it's said and done / Well please remember me", bittet er im vorletzten Stück, bevor das Album mit "Let's Evaporate" fast schon ELO-mäßig zu Ende geht. Die elektronischen Sequenzen stammen von einer Keyboard-App auf Louris iPhone, berichtet Stace verwundert. Er habe das Gerät einfach an die Anlage gestöpselt.
Die Wahrscheinlichkeit, dass jemand mit Wesley Stace bzw. John Wesley Hardings Musik einen Haufen Kohle macht, ist gering. Das gilt (leider) auch für das Original. Dennoch sind ihm und den Jayhawks (den Wezhawks, wie er scherzhaft meint) ein starkes Album gelungen.
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