laut.de-Kritik
Ein dicker Klangteppich im Live-Gewand.
Review von Bine JankowskiNach ihrem viel gelobten "Yankee Hotel Foxtrot" und dem Grammy gewinnenden "A Ghost Is Born" gibt es endlich einen Nachschlag von Wilco. Dieses Mal trafen sich die Jungs an vier Abenden vor versammelter Mannschaft im The Vic Theatre in ihrer Heimatstadt Chicago. Dort hielt die Band ihre musikalischen Ergüsse auf Band fest. Das Ergebnis dieser produktiven Konzerte erscheint gleich als doppelte Portion auf dem Live-Album "Kicking Television: Live in Chicago". Und schon nach einem kurzen Reinhören fällt mein Urteil: Tod der Flimmerkiste, ich gehe lieber Wilco hören!
Das aufgezeichnete Heimspiel wartet mit einer gesunden Mischung ihrer beiden Vorgängeralben auf. Die sechs Jungs stellen bei allen Tracks ihre beeindruckenden Live-Qualitäten unter Beweis. Allerdings verlangen die ehemaligen Alternative-Countryrocker ihrem Publikum keinerlei Mitgröhlrefrains oder Stadiongesänge ab. Statt dessen adressieren sie vornehmlich an das musikalisches Unterbewusstsein. Das sollte seine Fühler bei Liedern wie "Handshake Drugs" und "I Am Trying To Break Your Heart" ausfahren, denn Wilco beschäftigen sich gerne mit Klangmalerei.
Rauschende Gitarrenverstärker und Keyboardkakophonie bilden da einen Geräuschteppich, den das Ohr nicht versteht und das Bauchgefühl viel besser verarbeiten kann. "Shot In The Arm" und "The Late Greats" belegen in Sachen Eingängigkeit die vorderen Ränge, während "At Least That's What You Said" Hendrix schmeichelt. Der vorletzte Song "I'm The Man Who Loves You" gerät etwas zu besinnlich und lässt die Aufmerksamkeit langsam einnicken. Dafür überzeugt "Kicking Television" mit einer Dynamik, bei der sich zumindest kleinere Mengen Elektroschrott durch die Gegend schubsen lassen.
Auch der Einstieg zur zweiten CD fährt auf ruhigen Schienen, von einigen Stolpersteinen des bekannten klanglichen Chaos' abgesehen. "Airline To Heaven" findet als Rudiment alter Country-Zeiten auf das Album. Eine erhebliche Steigerung der Schlagzeugaktivität erfolgt bei "Heavy Metal Drummer" zwar nicht ganz titelgerecht, trotzdem bleiben Wilco am Ball und das Publikum brodelt. Eine hohe Vielfalt an Keyboardsounds beweist dagegen "Poor Places" und verstrickt sich gegen Ende wieder in ein verstörendes Wirrwarr aus Rückkopplungen plus Gewalt gegen die zuvor fast liebevoll behandelten Tasten.
"Spiders" ist mit seinen elf Minuten der mächtigste Track im Vic Theatre. Er lohnt sich allein wegen der hervorragenden Gitarrensoli, sowie der gelungen aufgebauten Steigerung. Der Applaus häuft sich verdienterweise. Im Gesang zu "Comment" findet sich ein wenig Moneybrother wieder - ein schöner Ausstieg!
Wilco meistern mit "Kicking Television: Live In Chicago" die Aufgabe, das Warten auf ihr kommendes Album zu versüßen. Das soll Gerüchten zufolge erst nächstes Jahr in die Plattenläden kommen.
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