laut.de-Kritik
Am Absturz führt kein Weg vorbei.
Review von Magnus FranzWilliam Fitzsimmons ist traurig, sehr traurig. Allerdings nicht mehr so traurig, wie er es noch vor einigen Jahren war. Mit seinem neuen Projekt "Ready The Astronaut" verarbeitet der Singer-Songwriter noch einmal seine zweite Scheidung, die bereits sein 2018 erschienenes Album "Mission Bell" prägte. Drei Jahre später findet Fitzsimmons einen mehr oder weniger versöhnlichen Abschluss mit diesem einschneidenden Lebensabschnitt, nicht zuletzt dadurch, dass er in weiten Teilen des Albums den Mythos des Ikarus aufgreift und sich darin wiederfindet.
Ein perfektes Happy End ist es trotzdem nicht, denn ganz mit sich im Reinen scheint der gelernte Psychotherapeut nicht zu sein. Zwar zeigt das aktuelle Projekt die Phase der Trennung, in der alle Versuche der Versöhnung schon gescheitert sind und Fitzsimmons mehr auf die Geschehnisse zurückblickt, als dass er im Moment des Geschehens lebt. Dennoch durchläuft er dabei so ziemlich jede emotionale Phase, die mit einer gescheiterten Liebesbeziehung einhergehen kann, und schwankt zwischen vielen verschiedenen Stimmungen und Gefühlen.
So fängt es damit an, dass er sich im Opener "Dancing On The Sun" trotz gescheiterter Paartherapie und unzähligen weiteren Rettungsversuchen an den Gedanken klammert, die Ehe könnte noch eine Chance haben. Begleitet von zerrendem Bass und wiederkehrenden Momenten, in denen Musik und Gesang aussetzen und einer Gedankenpause ähneln, gelingt es dem Sänger nicht, seine Frau endgültig und für immer loszulassen: "Think I'll love you till I die." Dieser Gedanke hält sich jedoch nicht lange, da Fitzsimmons bereits im Folgesong "No Promises" inmitten einer atmosphärischen Soundlandschaft einsieht, dass es keine Hoffnung mehr gibt. Bei einem Tanz auf der Sonne kann schließlich jeder Schritt einer zu viel sein.
"You Let Me Down" markiert hingegen den unausweichlichen Moment, in dem all die Frustrationen ihr Ventil finden. Während verzerrte Gitarren und eine harsche Synth-Line ihre Arbeit verrichten, stellt Fitzsimmons in Frage, was überhaupt aus ihm geworden ist. Der Track ist der einzige Moment, in dem er die Schuld nicht nur bei sich sucht: "I won't be sticking round / Playing some extra in your show / Maybe you'll figure out / After the darkness has been lifted / You let your foolish doubt / Keep you from finally finding home."
Die besten Momente des Albums zeigen sich dennoch immer dann, wenn die Mythologie ins Spiel kommt. Fitzsimmons überzeugt vor allem, sobald er sich dem Schicksal des Ikarus verbunden fühlt und seine Gefühle mit einem Blick durch die Augen der griechischen Figur beschreibt. In der gitarrenlastigen Akustik-Ballade "Daedalus, My Father" begibt er sich erstmals in seine Fantasiewelt. Aufrichtig schlüpft er in die Rolle des Ikarus und steht seinem "Vater" Dädalus im Zuge seiner gescheiterten Beziehung mit Reue gegenüber: "And I thought that I could fly / With the wings of my father stretched up to the sky."
In "Icarus" findet Fitzsimmons, begleitet von Akustikgitarre, Mellotron und weichen Drums, die Parallelen zwischen Ikarus' riskantem Höhenflug und den Erwartungen an seine Ehe. Beides Situationen, die für ihre Protagonisten kein glückliches Ende bereithielten: "Like Icarus foolishly going too high / Or thinking that someday you might be my wife."
Der Titeltrack "Ready The Astronaut" sowie "If I Fell Back To Earth (You Will Never Find Me)" beschreiben wiederum die vergänglichen und gedankenverlorenen "Was wäre wenn ..."-Überlegungen, die Fitzsimmons "aus der Luft" anstellt. Die inzwischen charakteristischen Atmosphärenklänge geben dabei das Gefühl, schwerelos zu sein und den Sänger auf seinem metaphorischen Flug in Richtung Neuanfang zu begleiten.
Obwohl sich "Ready The Astronaut" in weiten Teilen um die Geschichte des Ikarus dreht, gibt Fitzsimmons der mythologischen Erzählung und somit auch dem gesamten Album eine neue und individuelle Sichtweise, die auf seine Lebenssituation zugeschnitten ist. Das pop-rockige "Down With One Another" und der Closing-Track "To Love Forever" machen diese Erkenntnisse mit Zeilen wie "You will find what you need in forgiveness / And we tried to love forever" besonders deutlich. Ja, Ikarus stürzt ab und daran führt kein Weg vorbei, aber er stürzt nicht ab, ohne davor einen Höhenflug erlebt zu haben. Auch wenn Fitzsimmons' Ehe in einer Tragödie endet, war nicht immer alles schlecht, und mit diesem Gedanken versucht er von jetzt an nach vorne zu schauen und neues Glück zu finden.
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