laut.de-Kritik
Altbekannte Fahrgeschäfte im A cappella-Vergnügungspark.
Review von Artur SchulzWenn man aufgrund vergangener Erfolge schon als Institution gilt, könnte man sich schlicht zurücklehnen und einfach alles so weiterlaufen lassen wie bisher. Warum sollte eine etablierte Band wie die Wise Guys, zumal mit unverrückbarem Status im A cappella-Genre, daran etwas ändern wollen?
Laut Promo-Text soll aber gerade das 2014 der Fall sein. Zum ersten Mal haben die Kölner ihre Songs komplett in Eigenregie produziert und ihre Reihen mit dem Flying Pickets-erfahrenen Sänger Andrea Figallo verstärkt. Bahnbrechend neue Wege in Sachen Sound und Songwriting beschreitet das Quintett dennoch nicht.
Rasant startet die "Achterbahn" hinein in den A cappella-Vergnügungspark, stilechte Fahrgeräusche inklusive. Der Zungenbrecher-Nonsens "Im Sägewerk Bad Segeberg" kombiniert geschickt eingewobene Holzmichel-Attitüde mit pfiffigen Textpassagen. "Keine Gute Idee" überzeugt mit reichlich vokalem Druck und viel Abwechslung in der Harmonik.
"Achterbahn" wurde im bandeigenen Hürther Studio eingesungen und von Bill Hare in Kalifornien produziert. So schwingt durchweg eine sonnige Atmosphäre durch die Tracks. Doch durch den (wenn auch dezenten) Einsatz von Hall und sonstigen Mastering-Nachbearbeitungen entfernt sich der Sound letztendlich schon ein Stück vom reinen, unverfälschten A cappella-Gesang. Wer das nicht mag: die Gruppe einfach live erleben.
Musikalisch wie thematisch bieten die Guys den gewohnte Themen-Mix, mal in Form eines rundum runden Poppers ("Ein Dickes Ding"), eines Reggae-Ausflugs ("Lächeln Lernen") und eines Zwischenstopps hinein in jazzige Easy Listening-Gefilde ("Küss Mich"). Gerade letztere Nummer zählt zu stärksten Alben-Tracks - nicht zuletzt wegen Gaststar Jasmin Wagner, deren Gesangsparts dem Song eine höchst charmante Note verleihen.
"Keine Gute Idee" wandert geglückt auf den "Penny Lane"-Pfaden der Beatles. Für "Ein Engel" belegen die Guys erneut, wie ihre Stimmen auch im Balladenumfeld effektvoll Atmosphäre zaubern. Bei so viel Abwechslung fällt eine etwas schlichter geratene Nummer wie "Ich Bin Wie Ich Bin" nicht weiter ins Gewicht. Textlich wie musikalisch zu offensichtlich bemüht: Die "Generation Hörgerät" will gealterte Discogänger persiflieren, kommt über harmlose Text-Stupser aber nicht heraus. Gleiches gilt für "Ich Kann Nur Den Refrain".
Das mit San Francisco-Psychedelic-Sounds veredelte "Alles So Schön Bunt Hier" fasst mit seinem Titel das Album trefflich zusammen. "Achterbahn" bietet ein farbenfrohes Potpourri bewährter Wise Guys-Zutaten, gerät dann und wann allerdings in nicht gerade kleine Nettigkeits-Gefahr. Rein von der Innovation her stehen im direkten (internationalen) Vergleich etwa Pentatonix mit ihrem "PTX" sicher besser da. Doch was den hiesigen Hör-Spaßfaktor ausmacht, belegen die Kölner nach wie vor klar Platz eins.
2 Kommentare
Find das Album persönlich nicht so perfekt, liegt aber einfach daran, dass es wirklich wieder das selbe ist, wie es vor 2 Jahren war und wie es auch davor immer war. Die größte Perle ist leider nur auf der Deluxe Version des Albums, nämlich Multiplex. Die Ideen sind da einfach mal wieder etwas frischer und einfach unglaublich lustig.
Im Vergleich zu Pentatonix haben sie aber definitiv die Nase in so fern vorn, dass sie eigene Lieder haben!
Meiner Meinung nach ist das Album wirklich weniger gut als das vorherige, „Zwei Welten“. Gerade die lustigen Songs, wie man sie von den Wise Guys kennt, kommen zu kurz, denn die, die vorhanden sind, wirken wie im Redaktionstext sehr treffend formuliert „zu offensichtlich bemüht“. Das war beim Vorgängeralbum noch sehr anders, hier haben sie damals mit „Deutsche Bahn“, „Leise“, „Ich bin aus Hürth“ und vielen weiteren richtig rausgehauen.
Den Text der musikalisch IMHO sehr guten „Generation Hörgerät“ kann man hingegen mit Eddis Unerfahrenheit auf dem Gebiet des Songwritings entschuldigen (denn die von mir gelobten und geschätzten Songs hat alle Dän geschrieben), aber auch „Ich kann nur den Refrain“ und „Keine gute Idee“ sind IMHO zu unlustig, während „Ein Dickes Ding“ und „Das Sägewerk Bad Segeberg“ nur wenig lustig sind.
Zwei Songs, die die ich dennoch lustig fand, befinden sich lediglich als Live- bzw. Demotracks auf der Deluxe-CD: Diese wurde von der Redaktion gar nicht beleuchtet und enthält den (btw. von Eddi geschriebenen) Song „Ich weiß nicht, was ich singe (live)“, welcher sich auf unterhaltsame Weise mit Andreas mangelnden Deutschkenntnissen auseinandersetzt, und „Multiplex“, welcher nur als Demo-Arrangement daherkommt, aber IMHO vor allem textlich viel Potential zeigt.
Die ernsten Songs auf dem Album gehören allerdings teilweise ziemlich zum Besten, was man sich vorstellen kann: „Alles so schön Bunt hier“ ist, genau wie „Dein Blick“, ein Song, den ich vermutlich noch lange feiern werde. Sowohl textlich, aber vor allem musikalisch wirklich überzeugend. Mein wahrer Kaufgrund war allerdings „Ich bin wie ich bin“: Der Song rockt einfach, sehr fetzig, und bleibt nicht zuletzt aufgrund der Russenchor-Stelle um Ohr hängen.
Ich spreche mit diesem Kommentar gerade für Wise Guys - Fans eine Kaufempfehlung aus, während Leute, die die Wise Guys noch nicht so kennen, sich erst mal eines der Vorgängeralben „Zwei Welten“, „Radio“ oder „Wo der Pfeffer wächst“ kaufen sollten, da diese echt besser und vor allem witziger gelungen sind.