laut.de-Kritik
Melodien und Harmonien bleiben hinter den Effekten zurück.
Review von Ulf KubankeDie letztjährige "Bulwark Bazooka" bescherte den Freunden von Wumpscuts gehobenener Alptraum-Elektronika einen atmosphärischen Höhepunkt. Nun packt Rudy die Knarre fort und ruht ein bisschen aus in der hauseigenen "Blutspuker Tavern".
Zwischen lieb gewonnenem Gruselkram und gelungener Ironie gelingt ihm dieses Mal nicht ganz solch ein großer Wurf wie beim Vorgänger. Gute, sehr detailfreudige Ideen mischen sich mit routinierten Rudymenten des obligatorischen :W:-Baukastens.
Ein besonderer Reiz der blutigen Taverne liegt einmal mehr in Ratzingers Sinn für hörspielartig eingeblendete Passagen echter Sprecher-Ikonen, die man ein Leben lang kennt. Wenn er die vertraute Stimme Thomas Dannebergs einblendet (Synchro von u.a. Celentano, Stallone, Schwarzenegger und Cleese), kann er sich auf einen wirksamen Schlüsselreiz beim Hörer einstellen. Clever gemacht!
Mitunter hat man gar den Eindruck, :R: habe sich zuletzt ausgiebig mit Kraftwerk im Allgemeinen beschäftigt und mit Karl Bartos im Besonderen. "Gangrän" geht als echte Hommage durch, die gleichermaßen "Radioaktivität" und "Computerwelt" seine Ehre erweist. Auch "Kamerad Kaputt" oder "Das Deutsche Schwert" schlagen in die Krautkerbe; fügen gar einen Sequenzerschuss Tangerine Dream hinzu. Ungewohnt knuffig, dabei sehr charmant.
Daneben gibt es noch andere Facetten zu entdecken, bei denen Ratzinger im Genre konkurrenzlos ist. Der tolle Bass in "The Grim Reaper" ist nur eines dieser Elemente. Die Synthie-Hook in "Bucket Of Perceptions" ist ebenso ein Schmankerl aus seiner atmosphärischen Trickkiste. Rassismus und Antisemitismus schleudert Ratze hier den sarkastisch eingestreuten Schnipsel "Obwohl ich im Moment ganz unten bin: Wenigstens arbeite ich nicht für einen Juden!" entgegen. Er vermittelt deutlich die ganze Verachtung des Hauses Wumpscut.
Für die Freunde von Club-Kost à la "Bunkertor 7"/"Embryodead" etc gibt es das knallharte "Basilius Fleischlein". Zum Abschluss gelingt ihm ein Höhepunkt schabender Atmosphäre mit dem fetten Solo in "The Grim Reaper". Dennoch ist hier nicht alles Gold, was auf den ersten Blick so gewinnend strahlt. Mitunter fallen die sonst so starken Melodien und Harmonien songwriterisch ein wenig hinter den Effekten zurück.
Das mit Reißbrett-Reimen vollgestopfte "Rattengift" nervt textlich trotz ironischer Brechung. Auch das tolle Piano-Synthie kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Melodie hier nicht der Rede wert ist. Auch "Oh Mein Kümmerling" ist für Wumpscutverhältnisse nicht mehr als nette Routine im schicken Soundmantel.
Dennoch ist "Blutspuker Tavern" wegen des hohen Entertainmentfaktors kein Fehlschuss. So beweisen Wumpscut einmal mehr: Während Onkel Joseph Ratzinger sich ins Gartenhaus des Vatikans zurückzieht, bleibt Rudy weiterhin präsent in der Öffentlichkeit und arbeitet musikalisch an der eigenen Enterbung.
6 Kommentare mit 9 Antworten
Und auch wird sind auf CD 2 wieder mit einem Remix vertreten
Was? Schon wieder ein neues Album? Hatte doch letztens erst was draußen.
Jedes Jahr um Ostern rum, ist schon einige Jahre so
Ratzinger hat mittlerweile seinen Sarkasmus so oft ironisch gebrochen, dass kein Mensch mehr weiß, wo er eigentlich steht. Und da er in Interiews auf ernste Fragen immer nur sarkastisch (yeah!) reagiert, verstärkt sich der Effekt. Sprich, jeder darf alles heraushören - und das ist unterm Strich zumindest dumm. Weil es eben solche antisemitischen Samples in ihrer ironischen Vielfach-Brechung im Zweifelsfall dann eben auch als Antisemitismus funktionieren lässt. An dieser Tatsache kann man sich eben nicht mehr mit Ironie vorbeimogeln. Die ersten zehn Jahre war :wumpscut: extrem provokant, aber mit Aussage. Allerspätestens seid "Schädling" ist das aber leider vorbei. Fällt daher schwer, RR noch gerne zuzuhören. Auch wenn ich ihm wohl allein der Vollständigkeit und alter Verbundenheit wegen auch diesmal eine Chance geben werde...
Ich stimme the_niffer leider zu, die dauernden Wiederholungen von provokativen Material welches nicht eindeutig "ironisiert" wird lässt einen entweder an der Gesinnung oder an den verbleibenden Künstlerischen Resourcen RRs zweifeln.
Undurchdachte Platzierung von Kreuzen auf dem Cover von "Bulwark Bazooka" unterstüzen dies leider nur.
Wems noch net aufgefallen ist der schaue mal genau hin.
In alten Stücken wie "Untermensch" hatte man z.B. durch die am Ende eingespielte Melodie der "Blechtrommel" wenigstens einen durchdachten ironischen Kontrast.
v.a. weil "bulwark" ein massivst stereoider NSBM-Musiker ist
@niffer/hatebreed:
guter punkt mit der frage nach "über"ironisierung und gesinnung.
dennoch bin ich da anderer ansicht.
sowohl hier als auch bei anderen veröffentlichungen früherer tage (zb "schäbiger lump", in dem text & roland-freisler-sample eindeutig zeigen, wessen geistes kind der gute rudy ist) ist der kontext immer so gewählt, dass am ende doch der rassist/antisemit entlarvt ist oder lächerlich gemacht wird; nicht das opfer wird verlacht.
er hat entsprechend auch schon mal tod brownings "freaks" in ähnlichem zusammenhang zitiert und eingebaut.
insofern finde ich ihn künstlerisch auch nicht mehrdeutig, erst recht nicht "nazi-kompatibel".
echte klappspaten sind mit derlei symbolik etc ganz anders unterwegs als etwa die ebm'ler und konsorten. man müsste schon derbe selektive wahrnehmung am start haben, um ein snippet wie den obig in der rezi zitierten ("auch wenn ich im moment ganz unten bin....") für heldenverehrung/pro und nicht für spott/anti gegen solch selbsmitleidige jammergestalten zu halten.
insofern kann man ratze m.E. nach hier echt keinen vorwurf machen.
So eindeutig, wie Du behauptest, kann ich da leider keine "Entlarvung" erkennen. Gerade im erwähnten "Schäbiger Lump", dass man gern auch als pro hören kann, wenn man will. Du hast recht, dass "Klappspaten", wie Du sagst, "anders unterwegs" sind. Es ist aber auch so, dass eben durch die unreflektierte Verwendung der Ästhetik Türen geöffnet werden. Nazis sind doof, aber alte deutsche Panzer schon geil - den Tenor hört man in der EBM-Szene nicht selten. Auch wenn diese sehr oft ungerechtfertigter Diffamierung ausgesetzt ist, gegen die es anzutreten gilt, heißt es nicht, das immer alles okay ist. Da gibt es schon ein paar tumbe Alteisenschädel. Für mich bleibt immer die Frage, was das künstlerisch soll. Bei "Untermensch" hat das super funktioniert. Aber das war 1993 - heute ist es schon oft Provokation um der Provokation willen, nur um dann jeder Kritik mit Sarkasmus zu begegenen. Auseinandersetzung geht anders. Und dann ist da ja auch die Blutharsch-Sache... Nochmal: Ich sehe :wumpscut: nicht im Aus, halte Rudy aber schopn für kritikwürdig...
(ist ein schäbiger lump)
nehmen wir mal an, ich wäre nicht im stande eine suchmaschine zu benutzen... auf welchem release ist der blutarsch remix?
Ich dachte, die machen Krautrock.
los. sag auf welchem release das ding drauf ist
Weiß nicht. Kenn bloß diese psychedelische Drogenmusik vom Blutarsch.
Preferential Tribe sagt Wiki. Rudy und Albin scheinen wohl zwei Brüder im Geiste zu sein.
https://www.youtube.com/watch?v=LsH_-OEaqp0 tada