laut.de-Kritik

Malmsteen wie er stringt und kracht.

Review von

Maestro Malmsteens flinke Fingerfertigkeiten an der sechs-saitigen Strat sind für Äonen von Metal-Gitarristen die Einstiegsdroge schlechthin. Auch wenn ihm gerne das Entwicklungspotential einer AC/DC-Coverband attestiert wird, ist sein Einfluss auf die Technik-affine Hochgeschwindigkeitsfraktion unbestritten. Selbst mit 57 Lenzen purzeln ihm die Arpeggien nur so aus der Westentasche.

Corona-bedingt tobt sich Malmsteen nicht auf Tour aus, sondern konzentriert seine gesamte Energie auf das vorliegende Notenfeuerwerk. Produktiv in der Pandemie: Die ersten zwanzig Sekunden des fulminanten Midtempo-Feuerwerks "Sea Of Tranquility" beinhalten mehr Noten als Eric Clapton, genannt Slow Hand, in seiner ganzen Karriere präsentiert hat. Der Songtitel "Sea Of Tranquility" ist somit an Situationskomik nicht zu überbieten. Der Track müsste eigentlich "Sea Of Storm And Thunder" heißen. Aber seis drum.

Auch wenn er sich zeitlebens in Bandkonstellationen befand, führt an der instrumentalen Ausrichtung seines Tuns kein Weg vorbei. Exzentrik und ein ausgeprägtes Selbstbewusstsein bedingen, dass sich Malmsteen in seinem Auftreten und der künstlerischen Ader den großen klassischen Virtuosen des 19. Jahrhunderts wie Franz Liszt und Niccolo Paganini verbunden fühlt.

Kompositorisch wähnt er sich gar auf einer Stufe mit Papa Bach. An den Ideenreichtum sowie an die vielseitigen kontrapunktischen Kompositionstechniken des barocken Großmeisters reicht der verschwenderische Schwede nicht heran. Das überschaubare harmonische Gepräge der Songs dient mehr als Staffage für die mannigfachen solistischen Ausflüge. Auf dem Opener "Wolves At The Door" überholt sich der bekennende Ferraristi selbst.

Dieser Titel ist einer von vieren mit Gesang. Dafür tritt kein Lakai hinters Mikro, sondern der Chef persönlich. Ihn überkommt es eigenen Aussagen zufolge beim Autofahren, dass er mitträllert. Jedoch passt in Sachen Gesang die Bezeichnung Rockröhre eher als Heldentenor oder sopranistische Nachtigall. Insofern tragen die gesanglichen Einwürfe zur Abwechslung bei. Die Qualität heben sie hingegen nicht. "Relentless Fury" ist ein solider Stampfer, wie ihn die Landsermänner von Sabaton aus dem stillosen Schützengraben schmettern.

Wie es sich für einen Musiker mit großen Ansprüchen gehört, ziert die Platte den Titel "Parabellum". Ergänzt um den Zusatz "Si Vis Pacem" ergibt das auf deutsch: Wenn du Frieden willst, dann bereite dich auf den Krieg vor. Ein Motto, das jeder Mitarbeiter in der Rüstungsindustrie beim morgendlichen Appell auswendig aufsagen kann.

Beim heiligen Gsus, was der Gitarrero bei "Presto Vivace In C# Minor" abliefert, stellt in Sachen Geschwindigkeit den 100 Meter Weltrekord von Usain Bolt in den Schatten. Die Töne surren und sirren durch die Luft wie die Stechmücken am schattigen Tümpel in der Abenddämmerung. Es gibt Jazz-Gitarristen, die singen ihre Soli mit. Selbst mit der Technik eines Scatmans wäre dieses Unterfangen bei Malmsteen zum Scheitern veruteilt. Die Produktion beinhaltet viel Hall. Die Töne fließen förmlich ineinander über wie die Farben auf dem pittoresken Album-Cover. Was zu einem fluiden Sounderlebnis beiträgt, wirkt in seiner Umsetzung leicht altbacken.

"Parabellum" beinhaltet alles, was Malmsteen auszeichnet. Der halbgare Blues-Aufguss "Blue Lightning" war nur ein Warmlaufen gewesen, doch nun kommen Old School-Fans voll auf ihre Kosten, gerade weil die Detaildichte immens hoch ist, Knoten im Hirn inklusive.

Trackliste

  1. 1. Wolves At The Door
  2. 2. Presto Vivace In C# Minor
  3. 3. Relentless Fury
  4. 4. (Si Vis Pacem) Parabellum
  5. 5. Eternal Bliss
  6. 6. Toccata
  7. 7. God Particle
  8. 8. Magic Bullet
  9. 9. (Fight) The Good Fight
  10. 10. Sea Of Tranquility

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