laut.de-Kritik

Ein acht Jahre zu spät eingelöstes Versprechen.

Review von

LOONA war mein Einstiegspunkt in den K-Pop. Und je mehr Zeit vergangen ist, desto mehr denke ich, dass ich denen ziemlich auf dem Leim gegangen bin. Die ganze Ästhetik und dieses immer weiter aufgeschobene Versprechen nach einer Hintergrundgeschichte, die der Musik einen doppelten Boden oder einen inhaltlichen Mehrwert bieten würde, haben sie genauso wenig eingelöst wie die anderen Lore-Gruppen. LOONA hat ziemlich klug darum manövriert, Hipster anzulocken, die sich für Stanni-K-Pop ein bisschen zu clever gefühlt haben. Es verfolgt mich bis heute, dass ich "[++]" damals einen, Zitat, 'Peak für K-Pop' genannt habe, während links und rechts davon ein paar der ikonischsten Tracks und Momente der Genre-Geschichte rausgekommen sind.

Fünf Jahre nach dem LOONA-Moment existieren viele Sedimente der Gruppe immer noch, wenn auch nicht mehr in dieser Mainstream-Ambition. LOONA als Projekt brach am Ende ein wenig darunter zusammen, gleichzeitig artsy und geheimnisvoll, aber doch extrem massentauglich sein zu wollen. Es macht Sinn, dass eine ihrer Nachfolgegruppen, ARTMS, ihr neues Album "Club Ikarus" genannt hat. Und tatsächlich scheint den LOONA-Überbleibseln die kreative Freiheit, nicht das weibliche BTS zu sein, sehr gut zu tun.

Point in case: Diese neue Yves-EP. Yves war damals schon eine absolute Standout-Performerin der Gruppe (checkt ihren wahnsinnig guten Solo-Song "New" aus), aber in ihrer bisherigen Solo-Reise ist sie dem am nächsten gekommen, aus der LOONA-Ästhetik wirklich einen eigenen, diegetischen Sound heraus zu kristallisieren. Die erste EP war der Testballon, "Soft Error" macht die Raffinerie: Das hier ist eine der besten K-Pop-Minis, die ich je gehört habe.

Yves hat sich ganz der elektronischen Musik verschrieben. Ihr Take auf Genres zwischen klassischem Electropop, House bis hin zu Vintage-PC Music ist inspiriert. Ein klassisches K-Pop-Ding wäre ja (nichts für ungut), eine halbinspirierte Afrobeat- oder Disco-Nummer irgendwo in die B-Seiten der Alben zu schmeißen, weil B-Seiten eh in der Regel niemand außer den Hardcore-Fans jucken, die dann aber sehr leicht davon zu begeistern sind, weil sie eh die anderen Genres nicht hören oder kennen. "Soft Error" lässt sich locker an anderen Electronica-Releases messen, vor allem, weil sie das K-Pop-Framework trotzdem geschickt nutzt, um Songwriting und Artsiness konsequent in den Dienst der Hörer zu stellen.

Allein der Titeltrack "White Cat" zeigt, wie schön dieses Mini Fluff und Experimentierfreude zusammenbringt: Der schreitende Beat könnte locker auch auf einen Pop-Hit um 2011 passen. Vintage-Charli XCX, wenn man so will. Aber da ist etwas in der Cleanness des Mixes, in den melodisch unorthodoxen Elementen zum Refrain und in der hauchig-aufgewühlten Delivery von Yves, das den Song intediert und classy klingen lässt. Er ist nach allen Regeln der Art catchy, aber die Vibes sind nicht basic.

Dieser Eindruck verdichtet sich direkt noch einmal, wenn PinkPantheress für den zweiten Track "Soap" auftaucht. Hier flippt Produzent IOAH direkt erst einmal den letztjährigen Rebecca Black-Hit "Sugar Water Cyanide", was ja an sich schon ein überraschend untergründiger und queerer Track für den koreanischen Markt ist, nur um dann einen wirklich interessanten, cluttered und intensiven Hyperpop-Club-Track daraus zu formen. Der PinkPantheress-Cosign kommt für einen eher kleinen Artist wie Yves auch nicht aus dem Nichts.

"Aibo", ein perkussiv ganz cooles, aber letztlich doch eher gesichtsloses Stück Pop-Rock gibt auf Track drei kurz die Angst hin, dass wir jetzt den klassischen K-Pop-Mini-Fluch erleben: Interessanter Einstieg mit klarer Linie, nur um ihn dann für die restlichen Tracks völlig über Bord zu werfen. Aber dem ist überhaupt nicht so. Es wirkt fast ein bisschen so, als wäre die Normalität von "Aibo" wie eine bewusste falsche Fährte, um den Whiplash von dem, was danach kommt, noch einmal zu vergrößern.

"Do You Feel It Like I Touch" ist das absolute Highlight von "Soft Error" und einer der größten Statement-Tracks, die ich in diesem Genre bisher gehört habe. Wir bekommen einen instrumentalen, minimalen, aber absolut grandiosen Electro-Groove, der dann auch nur unterschwellig und mit sehr viel Editing vokalisiert wird. Was da zusammenkommt ist so unterschwellig und sexy, gleichzeitig aber auch absoluter Cyborg-Shit, dass es eigentlich niemand wundern dürfte, dass Yves in ihrer Fandom so viele queere Frauen vereint. Es folgt mit "Study" ein minimal verwerteter Breakbeat und mit "Mom" etwas, das geradezu nach Yeule klingt.

Wenn ich jetzt, sieben oder acht Jahre später, auf LOONA zurückgucke, löst sich mein kleiner Komplex, ihnen auf den Leim gegangen zu sein. Denn ganz ehrlich: Ich liebe viel von der Musik immer noch. Es war nicht wertvoller oder intellektueller als anderer K-Pop, aber ich würde doch sagen, dass sie damals viel dafür getan haben, einen neuen Pfad in das Genre zu bringen, der interessantere, abspenstigere und nischigere Einflüsse in das Genre gebracht hat. Es war nicht der Peak für K-Pop, aber vielleicht hatte ich gar nicht so sehr unrecht damit, es einen Peak für K-Pop zu nennen.

Guckt man nämlich heute auf Projekte wie ARTMS oder eben diesen neuen Solopfad für Yves, dann sehen wir tatsächlich erstmals so richtig das eingelöste Versprechen. Denn dieser Shit hier ist tatsächlich Underground. Er hat tatsächlich die Beschränkungen des Genres verlassen, ohne die Stärken aufzugeben. "Soft Error" löst für mich also auf eine völlig unerwartete Art ein, was ich mir damals von LOONA erhofft hab: Was wäre, wenn es tatsächlich diese super-artsy Girlgroup gäbe, die gleichzeitig in und außerhalb der Schwerkraft des eigenen Genres stattfindet und daraus die interessantest mögliche Spielart des Idol-Pops findet? Yves zeigt unter anderem, wie sehr LOONA sterben mussten, um leben zu können.

Trackliste

  1. 1. White Cat
  2. 2. Soap (feat. PinkPantheress)
  3. 3. Aibo (feat. Bratty)
  4. 4. Do You Feel It Like I Touch
  5. 5. Study
  6. 6. Mom

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