laut.de-Kritik
Alicia 1.5 hantiert neuerdings mit Rockismen.
Review von Daniela ReichertDas Wort "tough" beschreibt Alicia Keys möglicherweise am besten. Eine starke Frau, die genau weiß, was sie will. Und wie sie dort hin kommt. Deren Texte vom Mut erzählen, den man als Frau in dieser Welt braucht, die aber auch zum Thema bedingungslose Liebe einiges zu sagen weiß. Selbst wenn diese Stärke sie vordergründig hart wirken lässt, sie mit Gerüchten über eine angebliche Homosexualität kämpft - Alicia bringt das nicht von ihrem Weg ab.
Ihrer Kindheit im New Yorker Stadtteil Hell's Kitchen verdankt sie die harte Schale. Aber in ihrer Musik offenbart sie stets auch den weichen Kern. Und obwohl sich auf dieser Platte auch die so bewährten klavierbegleiteten Balladen wie "The Thing About Love" wiederfinden, tritt das bekannte Instrument hier öfter einmal in den Hintergrund.
Schon das Intro macht deutlich, dass Alicia hier etwas Neues probiert. Zwar beginnt es mit einem klassischen Klaviersolo, bekommt aber ab Mitte der fast zwei Minuten Unterstützung von Schlagzeug-Beats, einer Prise Synthesizer und hört sich dabei an wie einer Mischung aus R'n'B und Rocktunes. Die nachfolgende R'n'B-Nummer "Go Ahead", die gewaltig auf die Tanzfläche schielt, klingt hingegen bekannt.
Im weiteren Verlauf der Platte weicht die Sängerin immer wieder von ihrem bisherigen Stil ab und zeigt sich ungewohnt experimentierfreudig. Noch ziemlich verhalten klingt der Wechsel bei der Bluesballade "Lesson Learned", bei dem Songwriter John Mayer sie auf der Gitarre unterstützt. Diese Linie behält sie auch bei den folgenden Stücken bei: Der Sound weicht zwar durchaus von der gewohnten Route Gewohnten ab, bleibt dabei aber immer noch unverkennbar Alicia Keys.
Den krassesten Ausreißer markiert "Where Do We Go From Here". Das Stück beginnt mit einer sehr leisen Frauenstimme, die erklärt, dass ihr Mann sie verließ. Alicia trauert hier um eine verflossene Liebe, allerdings zu einem sehr fröhlichen Sound, der irgendwo zwischen Folk, Blues und sogar etwas Swing changiert. Mag beim ersten Mal verwirren, doch allein die Flötenmelodie entwickelt sich zum echten Ohrwurm.
In den rockigeren Momenten wie "I Need You" kommt Alicias Stimme mitunter kaum gegen die Soundwand an und verliert sich teilweise ein wenig darin. Die klassischeren Piano-Einlagen kommen in Form von "Superwoman", ein Tribut an alle starken Frauen dieser Welt, oder "Sure Looks Good To Me", ein Song über Mut, Freiheit und die Notwendigkeit der Individualität. Wie immer legt Alicia reichlich Gefühl in jeden Songmoment. Sie rutscht aber zum Glück niemals ins Pathetische ab, sondern bleibt authentisch.
42 Kommentare mit 15 Antworten
Alicia Keys ist eine jener Künstler, deren Biographie 10x wichtiger als ihre Musik ist. Damit ist wohl alles gesagt.
Ach du grüne Neue. Jetzt habe ich auch ein Review erwischt, dass ich sogar dann nicht unterschreiben würde wenn das Leben meiner Frau davon abhängen würde.
Schade. Aber nichts für Ungut, Frau Reichert. Die fünfhundert Worte einer Rezensentin können ja nichts an meiner Meinung von dieser LP ändern.
ey! hier ist weibsvolk anwesend!
Dieser Kommentar wurde vor 5 Jahren durch den Autor entfernt.
Musss meine Vorgänger hier korrigieren. Habe das Album grad nochmal gehört, ist doch zum klaren Klassiker gewachsen, glasklare 5/5. Alle Tracks auf gleich starkem Niveau. Ragism ist manchmal einfach irre!
Die Review stinkt. Und bitte: Was für Gerüchte um eine eventuelle Homosexualität, davon habe ich ja noch nie gehört. Hat Frau Reichert das mal bei red! aufgeschnappt?
Lustig, nach Jahren mal alte Reviews zu lesen. Und zu merken, was für unterirdische Redakteure (oder Praktikanten) hier mal am Werk waren.
Das Album ist auf jeden Fall eins der besten Soulpop-Alben der 2000er Jahre, wenn nicht sogar das beste. Ein zeitloser Klassiker. Umso beschämender diese Review.
Vollste Zustimmung.
Was sind deine favorite tracks von der Platte?
Go Ahead, Lesson Learned, Wreckless Love (!), Where do we go from here, the Thing about Love.
So ungefähr, meist höre ich aber komplett durch.
Nice, ich fühl mich verstanden. Wreckless Love ist so ein maßlos unterschätzter Song. So eine wuchtige und ausgefeilte Soulnummer. Traurig dass solche Songs nicht die Wertschätzung bekommen die sie verdienen, es war nicht mal eine Single-Auskopplung. Mit Abstand mein Favorit, aber die anderen von dir genannten Songs stehen auch ganz oben bei mir.
OBACHT! lauti ist als absoluter Jubelperser bezüglich Alicia bekannt, da er gerne mal seine Mette an ihrem Booty reiben würde!
Yo Robbe, so sehe ich das auch mit Wreckless Love, "ausgefeilt" trifft es m.E. sehr gut, grad nochmal gehört.
Auf die unplugged und VH1 Storyteller-Aufnahmen muss ich Dich wohl nicht hinweisen, oder? Alicia Live ist immer nice. Leider habe ich sie erst 1 mal live gesehen, in FFM Jahrhunderthalle war die Akustik auf den Rängen aber so schlecht, dass es trotz super Performance leider eine große Enttäuschung war.
Chrisette Michele ist Dir bekannt, oder? So wie ich das die Jahre über mitbekommen haben, sind wir in dem Bereich ziemlich auf einer Linie, also Prost!
Mochte eigentlich immer, was man von der so ungefragt gehört hat. Vielleicht sollte ich da auch Mal reinhören
"in FFM Jahrhunderthalle war die Akustik auf den Rängen aber so schlecht, dass es trotz super Performance leider eine große Enttäuschung war."
Mal eine Frage aus Interesse: Woher weißt du denn, dass die Performance super war?
Na....einsam?
Craze, was soll so ein Käse denn? Ich konnte sie sehen und hören, nur war der Sound eben grottig, es kamen nur Höhen und sehr wenig Tiefen auf den Rängen an.
@argemongo: Die Unplugged ist göttlich, die VH1 find ich leider grottenschlecht. Ich trau mich gar nicht, aktuelle Live-Auftritte von ihr anzuhören, ich hoffe sie hat sich wieder bisschen besser im Griff stimmlich. Aber in den Jahren 2009 - 2013 war sie leider kein guter Live-Act. Hab sie glaub ich 2010 in Hamburg gesehen, war leider sehr enttäuschend. Danach und vor allem nach VH1 habe ich ihre Bühnenaktivitäten nicht mehr verfolgt. Ich hoffe da kommt mal noch mal der Phonix aus der Asche, auch hinsichtlich eines Studioalbums. Die letzten zwei Alben waren ganz schön dürftig.
Crisette Michele kannte ich noch nicht, danke für den Tipp!
Und da ja bald Silvester ist, auch von mir ein: Prost
Alter, echt jetzt? Ich fand "here" absolut überragend gut. Ggf. zunächst etwas sperrig, aber ich habe nachhaltig viel Freude an dem Album, läuft mit Skits immer komplett durch, bei Release sogar tagelang.
"Girl on fire" war auch nicht so meins, wenn auch mit vereinzelt tollen Songs wie "Not even the King".
Nächster Deutschland-Gig wird auf jeden Fall besucht! Aktuell steht aber leider erstmal keine Tour an..
Here hatte für mich zu viele Filler (More Than We Know, Blended Family, Work On It...) und wirkte auf mich insgesamt zu gezwungen, zu gewollt. Auch wenn der Sound sehr geil ist und an ihre Anfangszeit erinnert, zugegeben.