laut.de-Kritik

Rap wie ein Business-Bericht für die Investoren-Tagung.

Review von

"Find all deine Partylieder wack / Hör lieber Straßendealer-Raps als deine cringen Lovesongs."

"Dein Songwriter bitet aus den Neunzigern paar Toplines / Deswegen klingt dein Album wie 'ne Playlist für 'ne Hochzeit."

Sagt mal: Hört ihr das auch? Dieses Knirschen? Dieses knirschige Knirschen von ganz dünnem Eis? Von winzig hauchdünnem Eis? Dieses knirschige Knirschen von elefantengroßer Projektion, eine Arschbombe rückwärts aufs allerdünnste Eis? Ich höre es. Ich höre es sehr deutlich.

Abgesehen von ein paar dieser bizarren Lines, die klingen, als würde Jay sich selbst battlen, bin ich nicht sicher, ob ich nicht einfach meine Review für "Survival Mode" von letztem Jahr nochmal hochladen könnte. Man muss schon auf die Details achten, um zu merken, dass dies ein anderes Badmómzjay-Album ist. Gut, sie verunstaltet jetzt einen anderen 2000er-Song, klaut einen anderen wahllosen Ami-Trend und Savas redet an anderer Stelle im Programm Blödsinn. Aber am allerschlimmsten steht die Erkenntnis im Raum, dass Badmómzjay alle Freude und allen Hunger verloren hat, den sie mal hatte.

Ihre Raps für die Fans klingen wie Business-Berichte für die Investoren-Tagung des Labels. Der eine gute Song ist wahrscheinlich der Titeltrack, weil der Oldschool-Memphis inspirierte Beat ziemlich unwiderstehlich scheppert - und hier gefühlt auch die einzige Korrespondenz zum eigentlich ziemlich coolen Albumcover hergestellt wird. Aber sonst? Diese Performances sind immergleich. Und sie sind zermürbend freudlos.

Wie ihre Mentoren Takt32 und Savas schreibt Jay vor allem im Battlerap-Format. Das äußert sich dadurch, dass sie ständig dem Hörer die Freundin stehlen möchte. Das soll sie von mir aus gerne tun, aber kann sie bitte ein bisschen so klingen, als hätte irgendjemand an diesem Unterfangen irgendeine Freude? Menschenskinder, was bringt denn das Rockstarleben und das ganze die-Freundinnen-der-Anderen-Bumsen, wenn man es vorträgt wie Arbeiten nach sieben Regentagen? Mir kommt auch die Tatsache spanisch vor, dass all diese Lines irgendwie immer nur auf den Typen zielen, der die Freundin hatte, weshalb es so verbissen klingt. Es ist langweilig, wie die meisten Lines von Typen, die meine Freundin bumsen wollen. Vielleicht ist es Emanzipation, als Frau mit dem gleichen mittelmäßigen Murks wie die Typen durchzukommen. Aber für die recht einzigartige Perspektive einer jungen queeren Frau im Deutschrap haftet ihr ein Men-Writing-Woman-Sheen an, den ich mir echt nicht erklären kann.

Trotzdem noch tausendmal lieber als all die Lines, die sich mit ihrer Karriere beschäftigen. Das war auf "Survival Mode" schon ein Krampf und wird hier nicht besser. Ja, Jay, du bist sehr erfolgreich, deine Hater nicht. Wollte sie nicht eigentlich ein Artist sein, mit dem man mitfiebert? Mit dem sich Leute identifizieren wollen? Ich seh's nicht. Jay wirkt auf diesem Album wie ein Overachiever, ein Workaholic, dem die Resultate über dem Prozess stehen. Schlimmer noch: Wie jemand, der aus Prinzip nichts im Leben macht als zu arbeiten, aber über besagte Arbeit nur meckern kann.

"Isso" ist hier wahrscheinlich das schlimmste Beispiel: Da rappt sie als Representer Zitate aus ihrem Pressetext und disst Leute dafür, dass ihre Klicks weniger werden und sie nicht genug Geld verdienen. Dabei soll das ein ... Partytrack sein, I guess? Diese Frau könnte auf einem Die Atzen-Track gastieren und würde mit ernster Miene ihre Kontoauszüge verlesen. Plus Lines wie: "Ess die Pussy wie ein Inside-Out und die Bitch wird laut - Konichiwa". Wow. Wenn wir schon am Lines shamen sind. Savas: "Tätowier dir Essah auf den Lurch, dann siehst du mich sogar beim Hobeln, lecker". Nein. Pfui. Was?

Dass "Alles Glänzt" mit seinem spektakulär uninspirierten Sample von "Alles Neu" noch ein Upgrade zur letzten Leadsinge "Airplanes" darstellt, spricht nur für die Untiefen des Vergleichs. Es ist der nächste lieblose, hingeschissene Nostalgie-Bait-Song, nur dass dieser hier wirklich gar kein Konzept davon zu haben scheint, was das Original gut und organisch und mögenswert gemacht hat. Es sind austauschbare Parts mit holprig in einen Drill-Beat gehauenen Peter Fox-Lines. Als würde man denken, Leute würden schon alles fressen, was man ihnen vorsetzt, so lange da irgendwo ein Versatzstück in der Suppe schwimmt, das sie schon kennen. Ich hoffe, sie haben unrecht.

Ich würde ansonsten gern sagen, dass Jays handwerkliche Fähigkeiten oder die an sich runde Produktion dieses Album immerhin ins Mittelfeld hieven. Aber nur weil es kompetent gemacht ist, rettet es den tristen Höreindruck von "Don't Trust Bitches" nicht im Geringsten. Es macht es irgendwie noch schlimmer. Dieses Album hat nichts Interessantes zu erzählen, das den immer gleich ernsten Ton rechtfertigen würde. Die Punchlines und das Geflexe sind komplett generisch. Die jährlichen Business-Updates aus der Karriere von Badmómzjay sind für genau eine Person interessant: Für Badmómzjay.

Trackliste

  1. 1. Levels
  2. 2. Blessed
  3. 3. Bigger Than Life (feat. Billa Joe)
  4. 4. DTB
  5. 5. Bali Freestyle
  6. 6. Dumm
  7. 7. Alles Glänzt
  8. 8. Du Weißt (feat. Kool Savas & Takt32)
  9. 9. Low
  10. 10. Zwischen Den Zeilen
  11. 11. BMJ
  12. 12. Isso
  13. 13. Who The Fuck You Talking To
  14. 14. Kein Fan
  15. 15. Lieb Ich

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