laut.de-Kritik

Trockene Kommentare vom Rande der Tanzfläche.

Review von

Gehuldigt sei der LCD-Soundsystem-Schule der Männer im mittleren Alter, die selbstironisch auf repetitiven Synthesizern, groovy Percussion und Gang-Vocal-Chören sprechsingen – einfach ein funktionierendes Rezept! Aber das Rezept schmeckt nur, wenn besagter Protagonist am Mikrofon eine charismatische Persönlichkeit ist, am besten mit einem scharfen Auge für die ulkigen Personen um sich herum und für sich selbst. Dass Baxter Dury so jemand ist, beweist er schon seit über 20 Jahren. Und diese Rolle verleiht dem beschriebenen Rezept die nötige Würze – kurzum: die Spaghetti "Allbarone" schmecken vorzüglich.

Wer als Künstler*in beim zehnten Album ankommt, hat hoffentlich einen gefestigten Charakter wie Dury. Drumherum darf musikalisch ruhig noch Neues ausprobiert werden. Klar waren die Vorgänger schon post-punkig, mitunter auch mal tanzbar und synth-poppig. Aber "Allbarone" stellt musikalisch einen Switch dar, an dem vor allem Paul Epworth Schuld trägt.

Der Produzent und Songwriter, der schon mit so unterschiedlichen Gesichtern wie Adele oder Florence + The Machine zusammengearbeitet hat, begeisterte Dury mit einer neuen Arbeitsdynamik. Anstatt die Songs zu verwenden, die dieser bereits angefangen hatte, setzte Epworth sich an neue Instrumental-Skizzen mit einem etwas anderen Sound. Dury merkte, dass das viel besser passte! Nun konnte er sich primär auf seine Texte und Vocals konzentrieren, während Epworth telepathisch verstand, welches musikalische Bett dazu passte.

Die Songs auf "Allbarone" sollten weniger wie eine Band klingen, dafür sind sie nun elektronischer, poppiger und melodischer als zuvor. Ob nostalgische Disco oder im Kreis trottende Synth-Grooves, Dury ist stets der trockene Kommentator am Rande der Tanzfläche und JGrrey seine viel zu aufgedrehte Begleitung.

Aus seiner Beobachter-Rolle heraus beschreibt Dury vor allem seine erbärmlichen Mitmenschen und lässt immer wieder subtil durchblicken, dass er in ihnen vielleicht auch sich selbst erkennt. "Dieses Album steht Leuten sehr kritisch gegenüber, wer auch immer sie sind", sagt er. Die Schönen und Reichen – oder sich zumindest dafür halten – werden in "Return Of The Sharp Heads" etwa als "the fashion firing squad" mit "big olympic, ozempic hips" beschrieben.

Im ersten Track wird All Bar One, die kommerzielle Kette "vornehmer Wein-Bars für Leute auf Apps" zum magischen Ort der Romantik, der "Allbarone" (italienisch mit englischem Akzent) ausgesprochen wird. Doch die Romantik hat ein jähes Ende und unser Protagonist muss die schmerzliche Ablehnung draußen im Regen vorm "Allbarone" verarbeiten. "I reached into the darkness where my heart once belonged / There’s a fragment of love left in a tattered soul", schluchz!

Seine köstlich sarkastischen Porträts trägt er so apathisch vor, dass im Kontrast zu den ansteckend tanzbaren Instrumentals der Humor deutlich hervorblitzt. Der Titeltrack oder "Alpha Dog" zeigen, dass Baxter Dury auf echte Ohrwürmer und Dancefloor-Kracher passt. Aber auch längere und monotone Stücke ziehen in ihren Bann: Während "Return Of The Sharp Heads" für fünf Minuten fast ausschließlich den gleichen Akkord hält, baut sich die Spannung immer wieder auf, bis die Synths laut übersprudeln. "Schadenfreude" wiederum bekommt mit seinem Late-Night-Storytelling und filmischer Produktion ein wenig den Vibe von Daft Punks "Giorgio by Moroder". Epworth und Dury, das scheint eine wunderbare Symbiose zu sein.

Trackliste

  1. 1. Allbarone
  2. 2. Schadenfreude
  3. 3. Kubla Khan
  4. 4. Alpha Dog
  5. 5. The Other Me
  6. 6. Hapsburg
  7. 7. Return Of The Sharp Heads
  8. 8. Mockingjay
  9. 9. Mr W4

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