laut.de-Kritik

Jede Menge Spaß am offenen Sarg.

Review von

Ein schönes Jahr für den alten Knochen Postpunk. Junge Bands wie Messer tragen die Fackel weiter. Beastmilk aus dem Land der tausend Seen schießen den rabenschwarzen Vogel nun komplett ab. Mit "Climax" treten sie an, der hilflosen Welt den Winter vom Kalender tief in die Herzen zu wehen. Und diese Eiszeit wird heiß wie die Hölle. Goth'n'Punk'n'Metal ohne Depression - dafür mit Power und Spaß am offenen Sarge. Das Mausoleum wird zum Partykeller.

Die eben so fröhlichen wie finsteren Finnen machen auf ihrem Debüt so viel richtig, es ist fast schon beängstigend gut. Vorbilder zitieren sie gern und häufig. Dabei quirlen Beastmilk immer eine kraftvolle Dosis ureigener Monstermilch hinein. Das ergibt hohe musikalische Eigenständigkeit ohne die Ikonen zu verleugnen.

Typisch skandinavisch klingen die Energiepakete nicht im Geringsten. Vielmehr zelebrieren sie eine sinistre Vermählung der alten britischen Postpunkwelt mit den transatlantischen Errungenschaften des Horrorpunk. Das ist zum Glück keine Zwangsehe.

Erfrischend lässig kombiniert die Helsinki-Combo metallische Härte und punkende Geschwindigkeit mit viel Gefühl und Atmosphäre. Zwischen brachial und verletzlich, zwischen Gezappel und Gruft bringen sie auf diese Weise nicht nur frischen Wind, sondern fegen wie ein Sturm durch die Kajal- und Hartwurstszene. Fuck off, Genres! Alle rocken hier verbrüdert am selben Tisch.

Auch dramaturgisch machen sie alles richtig. Im klassischen LP Format gibt es zehn dunkel-bunte Klopper. Allesamt Killer und keine lahmen Sargfüller. Als apokalyptsch reitende Leichen galoppieren Beastmilk wie eine Armee Ghouls zum Einstieg mit "Death Reflects Us" und "The Wind Blows Through Their Skulls" aus den Boxen.

Das notwendige und an keiner Stelle übertriebene Pathos transportieren die Nordmänner über die Vocals. Sänger Kvohst stellt sich in die Tradition Danzigs anno Misfits und Samhain. Dabei meistert er stets den Spagat, nicht allein zur schnöden Copycat zu mutieren.

Auch melodisch gewinnen sie auf ganzer Linie: Eingängig darf es da mitunter schon sein. Primitiv oder simpel indes keine Sekunde. Im Gegenteil, es passiert ungewöhnlich viel. Detailverliebtes Augenzwinkern zieht sich wie eine roter Blutfaden durch die schaurig-schöne Scheibe.

Viele dieser Einzelheiten stützen sie auf die erklärten Vorbilder Bauhaus, vor allem deren Meilenstein "In The Flat Field". Herrlich, wie Beastmilk etwa in "You Are Now Under Our Control" und "Nuclear Winter" die Rasierklingen scharfe Gitarre von deren Daniel Ash auspacken und dazu phrasierend mehr als nur einen Hauch von Gothfather Peter Murphys animalischer Energie transportieren.

Es ist wirklich verblüffend, wie unbeschwert sie all diese Elemente mit der Eyeliner-Kelle verrühren. Bei "Ghosts Out Of Focus" gibt es einen Gitarrenlauf, der zum Niederknien ästhetisch das Gothische mit der Stilistik einer angedeuteten Black Metal-Wespen-Axt kreuzt. Der Überhit des Albums ist sicherlich das nicht nur für Cure-Freunde in höchstem Maße gelungene "Love In A Cold World". Leidenschaftliche Lyrics treffen auf einen kontrastierend lockeren Rhythmus wie aus dem Genre-Lehrbuch. Das kann man kaum besser machen.

Zum Ende der elektrisierenden Geisterstunde dann noch die Edelballade "Strange Attractors". Doch ein Ende gibt es für Untote nicht und das Wesen der Hölle ist bekanntermaßen die Wiederholung. So packt man diese aus Leichenteilen zusammen gesetzte Frankensteinplatte und spielt sie wieder ab und wieder ab und wieder und wieder ab.

Trackliste

  1. 1. Death Reflects Us
  2. 2. The Wind Blows Through Their Skulls
  3. 3. Genocidal Crush
  4. 4. You Are Now Under Our Control
  5. 5. Ghosts Out Of Focus
  6. 6. Nuclear Winter
  7. 7. Fear Your Mind
  8. 8. Love In A Cold World
  9. 9. Surf The Apocalypse
  10. 10. Strange Attractors

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