laut.de-Kritik

Nostalgisch, doch niemals naiv.

Review von

"Alright! Ben Folds Five, are you ready to change Rock'n'Roll?", haut der Tontechniker voller Enthusiasmus zu Beginn des von Fraggles bevölkerten "Do It Anyway"-Videos ins Mikrofon. Sie ändern zwar nichts, aber nach dreizehn Jahren finden die drei Furious Five endlich wieder zusammen und zurück.

In den vergangenen Jahren ist die Band - oh Wunder! - erwachsen geworden. Die Verspieltheit ihrer frühen Platten haben Ben Folds Five mittlerweile zu großen Teilen hinter sich gelassen. Sie würde heute auch aufgesetzt und wenig glaubhaft wirken. Ihr ganz eigener Sound ist ihnen aber nicht abhanden gekommen, diese Mischung aus Folds gespielten Piano-Witz und dem Indie-Rock von Sledge und Jessee. Ein hoher Wiedererkennungswert in einer Welt, die zunehmend auf Gleichschaltung gepolt wird.

Der Einstieg mit "Erase Me" hat Haken und Ösen: ein komplexer und gewagter Opener mit brummendem Bass. Akkorde und Tempo kippen und tranchieren "Erase Me" wie eine zünftige Weihnachtsgans. Seinen raubauzigen und dramatischen Reiz eröffnet das Stück nicht gleich beim ersten Hören. Böse und verbittert bittet Folds seine Ex, ihn aus dem Gedächtnis zu löschen. Im stillen Kämmerchen übt er derweil Rache an der Verflossenen: "Drawing mustaches on our wedding photo."

"Do It Anyway". Folge deinen Träumen, egal, was andere denken. Es ist eine Freude, dem Zusammenspiel der Gruppe zuzuhören. Folds geht im Bandgefüge auf, muss sich mehr strecken, spielt und singt deutlich dynamischer als auf seinen Soloalben. Jessee und Slegde verpassen ihm einen ordentlichen Klaps auf den Bobbes. Durch das ungemein eingängige und hanebüchene "Draw A Crowd" leitet einer der wohl albernsten Refrains des Jahres 2012: "If you're feeling small / And you can't draw a crowd / Draw dicks on the wall."

Aus dem Restbestand der "Lonely Avenue"-Session stammt die Nick Hornby-Zusammenarbeit "The Sound Of The Life Of The Mind": ein perfektes Stück Pop-Musik, dessen Nichtveröffentlichung einem kleinen Verbrechen gleichgekommen wäre. Hornby erzählt die Geschichte von Sara und ihren Freunden. Während diese bei "Cherry Cola and Scotch" Schlägereien im Einkaufszentrum zujubeln, beginnt Sara, sich mehr und mehr für Rosa Parks, Jeanne d'Arc und Plato zu interessieren. Der Abschied voneinander ist bereits abzusehen. Folds legt sein Herz und seine Seele in die bewegenden Worte des englischen Schriftstellers. "Sara, well, she just can't bear / The stupidity, the boredom, the grind / She stays at school so that she can hear / The sound of the life of the mind."

"On Being Frank" umfasst die eigentümliche und rührende Liebesgeschichte von Frank Sinatras Tour-Assistenten, der sich nach dem Tod der Legende plötzlich seiner eigenen Identität beraubt sieht. Bis dahin war er die helfende Hand, der Schatten Sinatras, doch "shadows always fall, when the sun goes down". Über die Ballade "Sky High", geschrieben von Darren Jessee und nah an "Every Breath You Take" von The Police angelehnt, breiten wir hingegen besser den Mantel des Schweigens. Pssst, ich habe nichts gesagt.

Der Ausklang von "The Sound Of The Life Of The Mind" zerreißt mehr als nur ein Herz. "Away When You Were Here", eine zärtliche Ballade des Sohns an den früh verstorbenen Vater, leitet das Finale ein. "This morning I wake to be older than you were." Empfindsam, nostalgisch, doch niemals naiv.

Für den Schlussakt stellen sich Jessee und Sledge bescheiden in den Hintergrund. Ben Folds gehört die Bühne. Leise, fast nur von sich selbst begleitet, zelebriert er das Ende einer Beziehung in Zeitlupe. Schmerz, befreit von Bitterkeit. Die Einsicht, gehen zu lassen und dem Dank für die gemeinsame Zeit. Da ist kein Schimpfen, keine Nickeligkeit. "Thank you for breaking my heart / Now I know that it's in there." Wohl der schönste Abschluss eines Longplayers seit "How My Heart Behaves" von Feist.

Vielleicht ist der Band ein wenig der Esprit der frühen Jahre abhanden gekommen. Trotz allem bleibt eine Sammlung erlesener Songs, abgeschmeckt mit scharfen Charakter-Skizzen. Mit absoluter Sicherheit ist "The Sound Of The Life Of The Mind" das beste Ben Folds Five-Album seit "The Unauthorized Biography Of Reinhold Messner".

Trackliste

  1. 1. Erase Me
  2. 2. Michael Praytor, Five Years Later
  3. 3. Sky High
  4. 4. The Sound Of The Life Of The Mind
  5. 5. On Being Frank
  6. 6. Draw A Crowd
  7. 7. Do It Anyway
  8. 8. Hold That Thought
  9. 9. Away When You Were Here
  10. 10. Thank You For Breaking My Heart

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