laut.de-Kritik

Hautnah am Original, gefangen in der Komfortzone.

Review von

Sollten Tribute-Alben dazu dienen, verschiedene Perspektiven auf verblasste oder noch strahlkräftige Helden zu eröffnen, dann hat Beth Harts Platte einen Konstruktionsfehler. Sie gibt das erlesene Hitaufgebot Led Zeppelins detailgetreu wieder. Eine Kopie in weiblich sozusagen. Ihre Blaupause setzt den Legenden grundsätzlich ein sehr gutes Denkmal. Der 'neue' Twist aber, der Spin, warum Beth Hart die Charts rockt: Ihre Stimme fordert stellenweise viel Aufmerksamkeit ein.

So zieht ihr Vortrag in "No Quarter + Babe I'm Gonna Leave You (Medley)" gnadenlos in Bann - sie fleht, zetert, flüstert, hält inne, die Stimmbänder zittern. Obendrein haucht sie gar ein Vibrato - ein schwieriges Unterfangen, aber Hart kann halt alles, vor allem ohne Auto-Tune und live sowieso. Wenn gerade sie - die leidgetränkte Bluesröhre, die nach einem Countrypop-Fehlstart und einer Heroin-Krise in den späten Twen-Jahren wieder zum christlichen Glauben fand und sich musikalisch gen Memphis wandte - Led Zepp anpackt, ist das so, als hätte Joni Mitchell Shakespeares "Hamlet" zu Musik verarbeitet: ein Ereignis, weil Stimme und Ausgangsmaterial eine reizvolle Mischung ergeben.

Bei der soeben 50 gewordenen Bonamassa-Freundin verblasst jener Reiz aber relativ rasch. So geraten die Streicher und cheesy Surf-Riffs in "The Rain Song" bald zu belanglosen Phrasen des Selbstbeweises: Bewiesen wird, dass Harts Stimmfülle auf jeden Fall der Zepp-Dramatik gewachsen ist. Doch was die Kalifornierin technisch vermag, muss sie ja schon lange keinem mehr zeigen.

"Black Dog", "Kashmir" und "Stairway To Heaven" - sie könnten kaum fester an den Originalen haften. Handwerklich - auch dem Drummer gebührt viel Lob - ist es ein Wunder, wie Beth es schaffen konnte, derart tief in die Soundwelt der 60er/70er-Bluesrock-Dinos einzutauchen. Insbesondere der Opener "Whole Lotta Love", dessen Space Rock-Effekte nahezu eins zu eins erklingen, klebt in der Vergangenheit. Das begeistert entweder sofort oder triggert ein Fragezeichen.

Die gesangliche Performance ist an Inbrunst kaum zu toppen, wobei es auf Dauer spannender wäre, wie ein vergleichsweise bluesfremder Mensch, sagen wir mal z.B. Patti Smith, mit den Stücken umgegangen wäre. Auch die Frage, ob Featuregäste die dominanten Arrangements aufgemischt hätten, kommt in den Sinn. Einen Schritt raus aus der Komfortzone hätte man sich jedenfalls von Beth gewünscht, den Versuch, die Kompositionen neu zu gestalten, abzuweichen, zu modifizieren. Vor allem dann, wenn man überwiegend die bekanntesten Zeppelin-Nummern anpackt.

Phasenweise, im Zentralteil des Longplayers, geht es dennoch in Ordnung, dass Hart die Vorlagen alleine vereinnahmt. Gute Moves sind etwa die Medleys. "No Quarter + Babe I'm Gonna Leave You (Medley)" implodiert fast vor Thrill und explodiert in seiner finalen Minute. Das andere, "Dancing Days + When The Levee Breaks (Medley)", hat ebenfalls Existenzberechtigung. Gerade für "When The Levee Breaks" ist Harts Stimme wie geschaffen. Der Song stammt ursprünglich von Memphis Minnie, einer der Ur-Blues-Ladies ever, das passt.

"Dancing Days", das jazzfunkifizierte "The Crunge", "The Rain Song" und "No Quarter" sind allesamt Album-Cuts der fünften Zeppelin-Scheibe "Houses Of The Holy". Womit Hart ihre Favoriten recht antizyklisch zu den retrospektiven Bestenlisten markiert. Kommerziell super erfolgreiche Platte, aber nicht gerade ein Led Zepp-Klassiker.

Was ins Auge sticht: Hart hat Nummern, die rhythmisch eine Herausforderung geworden wären, ausgelassen: "D'yer Maker" (a.k.a. "J'maica"), "Trampled Under Foot", "Carouselambra", "Boogie With Stu" oder den "Immigrant Song" - gut, vielleicht gefallen sie ihr auch einfach nicht? Die Scheibe hieße somit aber besser "A Pure Blues Only Tribute To Led Zeppelin". Zumindest die Godfather-Anlehnung "The Crunge" war wohl kein Heimspiel für die Rock-Lady. Sie meistert das vergleichsweise exotische Lied dennoch bravourös und sorgt für das Highlight des Tributes, das so tut, als seien die Kompositionen und Texte zwingend mit den Arrangements von vor 50 Jahren verwachsen.

Trackliste

  1. 1. Whole Lotta Love
  2. 2. Kashmir
  3. 3. Stairway To Heaven
  4. 4. The Crunge
  5. 5. Dancing Days + When The Levee Breaks (Medley)
  6. 6. Black Dog
  7. 7. No Quarter + Babe I'm Gonna Leave You (Medley)
  8. 8. Good Times Bad Times
  9. 9. The Rain Song

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LAUT.DE-PORTRÄT Beth Hart

Ihr Markenzeichen: Nach vorn drängender bluesiger Rock von erstaunlicher Direktheit. Die markante Stimme ist immer für ein zittriges Vibrato gut und …

8 Kommentare mit einer Antwort

  • Vor 2 Jahren

    Die Rezension beschreibt es treffend. Handwerklich und gesanglich wirklich toll gemacht aber leider, für mich, sterbenslangweilig. Wirklich schade...

  • Vor 2 Jahren

    Der Rezension ist nichts hinzuzufügen.

  • Vor 2 Jahren

    Ihre Stimme hier, ihre Stimme da, blablabla.
    Für mich klingt das alles einfach angestrengt. Zumindest im Vergleich zum Original und wie unangestrengt es eben bei Robert Plant klingt.
    Das Ganze ist ein Versuch einer 1:1 Kopie und die klappt einfach nicht ganz und kratzt nur am Original.
    Die in der Rezension erwähnten nicht verwendeten Songs hätten die Schwächen von Beth Heart vermutlich vollends aufgezeigt, denn wer sich hier schon anstrengt, der erreicht bei D’yer Maker, Immigrant Song etc. endgültig die eigenen Grenzen.
    Hätte sie nicht versucht eine 1:1 Kopie zu liefern, hätte es womöglich richtig gut werden können. So ist es eben ein Album für ihre Fans, die sowieso alles toll finden was sie macht, und alle anderen stellt sich die Frage, warum und wozu es dieses Album braucht.
    Handwerklich ist das schon alles okay, künstlerisch dafür eher überflüssig, also 2,5/5 Sternen.

  • Vor 2 Jahren

    Es ist gut, das es in der Kunst kein RICHTIG oder FALSCH, kein JA oder NEIN gibt - alles was wir zu Musik, Kunst allgemein schreiben und sagen, ist eine rein subjektive Sichtweise.
    Diese wird gespeist von den eigenen Empfindungen, Gefühle besonders im Musikbereich, aber auch von Wissen, eigenen Erfahrungen, eigenen Lebensweg, eigene Schlüsselpunkte im Bereich Kunst usw. So wie meine Meinung auch.

    Ich war vor einigen Tagen auf einem Beth Hart Konzert, und hatte danach im Netz gestöbert nach Beth Hart Rezensionen...und hatte dann diese hier entdeckt...Der Grundaussage der Rezension ist ja allgemein ganz positiv.
    Ich glaube aber man tut Beth Hart unrecht, wenn man ihr eine Rolle zuordnen möchte, die sie nicht ausfüllen kann und will, und wohl auch nie ausfüllen wird. Beth Hart hat einen musikalischen Background größtenteils aus Blues und Rock, und genau aus diesem Background heraus werden diese Led Zeppelin Songs interpretiert. Es ist einfach zu viel verlangt, gerade von Beth Hart irgendwelche Stiländerungen bei Led Zeppelin Tracks zu verlangen. Im Rock/Pop Bereich gibt es nicht soviel Künstler, die so was machen und wagen. Und so ein Cover wie Sheryl Crow - D'yer maker, das anders als das Original klingt, ist aus Sheryl Crow's musikalischen Background heraus- wie sollte es auch anders sein...

    Die Herangehensweise welche Led Zeppelin Songs besser oder schlechter für Beth Hart geeignet sind, ist wenig hilfreich und noch weniger zielführend. Es gab keinen Aufruf im Netz oder sonst wo, wo man abstimmen konnte, welche LedZep Songs auf ein Beth Hart Tribut Album sollten, sondern es gibt ein konkretes Album mit 9 (11) Songs- das ist die Tatsache und fertig.
    Deswegen sollte es auch nur um diese Songs gehen. Ich hatte bisher noch nie eine Rezension gelesen, die sich u.a. mit Songs beschäftigt, die NICHT auf dem rezensierten Album enthalten sind, um damit einem Künstler/Künstlerin eine eventuelle Schwäche zu beweisen. Ziemlich skuril so was. Das Beth Hart bestimmte LedZep Songs nicht interpretieren könnte, ist reine Spekulation. Die orchestrale Untermalung kann man sicherlich kritisieren, aber sie nimmt eben ein bisschen die Schärfe, die Heavyness der Songs der klassischen originalen Band Besetzung. Und genau damit hat man hier Beth Hart's Stimme nochmal stärker in "Szene" gesetzt, und die ist den Songs meiner Meinung nach jeweils angemessen. Hier geht es um keinen eigenen Gruppen Sound der Beth Hart Band (den hat sie bereits) mit Zeppelin Songs, wie ein User schrieb, sondern um eine zeitgemäße Interpretation von Led Zeppelin mit dem "i Tüpfelchen" der variablen Stimme von Beth Hart.
    Die Idee für dieses Tribut Album stammt ja nicht mal von Beth Hart selbst, auch die Songs darauf waren Vorschläge für sie. LED ZEPPELIN waren stets eine Album Band, zwei, drei Songs ragen bei Led Zeppelin sicherlich von der Bekanntheit heraus: Whole Lotta Love, Stairway To Heaven und Kashmir.
    Der große Rest der Songkatalogs ist wohl im Großen und Ganzen gleichberechtigt auf einen hohen musikalischen Level. Schaut euch einfach mal die Anzahl der Youtube Aufrufe der einzelnen Led Zeppelin Songs an. Ich bin mir auch nicht sicher, wer heutzutage den Backkatalog von LedZep in der Gesamtheit, noch so genau kennt, schließlich ist das letzte Album schon über 40 Jahre her. Altrocker und Classic Rock Interessierte mal davon ausgenommen. Viele „Musikinteressierte“ kennen zwar die Band, aber kaum in der Tiefe. Was da eine Komfortzone sein soll, erschließt sich mir nicht.
    Übrigens WHOLE LOTTA LOVE hat Beth Hart bereits ganz am Anfang ihrer Kariere immer wieder live gespielt, so zu finden auf der "Live At Paradiso" von 2005. Also keine aktuelle Management Entscheidung damit man Kohle macht, sondern eine durchaus jahrelange existierende Verehrung für LED ZEPPELIN und 2022 in diesem Tribut Album kulminierte. Beth Hart selber hatte bei diesem Album erst Bedenken, weil nach ihrer Meinung die persönliche "Wut" fehlte, diese Musik zu performen.
    Man sollte dieses Album einfach als Hommage an eine der größten Rock Bands der 70er Jahre annehmen und sich darüber freuen, das es so was heutzutage noch gibt (Classic Rock ist ja bei manchen schon ausgestorben oder tot) ...und auch weil dieses ALBUM beiden also LED ZEPPELIN UND BETH HART gerecht wird. Und wem es nicht gefällt, einfach nicht kaufen.

    Leider doch viel Text geworden...

  • Vor einem Jahr

    Ich liebe Beth Hart. Ich raste aus bei ihren Blues-Stücken, ich schmelze dahin bei den solo am Klavier gesungenen Schnulzen, ich bin der totale Fan - eigentlich. Aber: Diese Led-Zeppelin-Platte ist leblos (uff, diese Streicher-Arrangements!), langweilig, insgesamt fast schmerzhaft überflüssig. Wie konnte das bloß passieren!?

  • Vor 3 Monaten

    Wer Beth Hart live erlebt hat, der wird erkennen, dass es dieses Album nicht gebraucht hätte. Ich freue mich schon auf ihr neues "eigenes", das am 26.10.2024 erscheint und natürlich auf ihr Konzert in der Barclaycard Arena in Hamburg am 24.11.2024. Beth Hart ist ein Ereignis !!!