laut.de-Kritik

Flussabwärts ins Freudsche Es.

Review von

"Heute spritzt Blut wie in den guten, alten Tagen – Hirntot! Die Messer sind geschärft und gewetzt." Nach Ausflügen in bekömmlichere Gefilde konzentriert sich Blokkmonsta nun wieder auf seine Stärken im Psychokore. Auch Schwartz, der sich abseits der Musik durch Debattenbeiträge in der Causa DCVDNS und seine Vorlieben für Dante Alighieri und Günter Grass als intelligenter Zeitgenosse erweist, blendet seine weiße Seite vorübergehend aus. Gemeinsam schwimmen die beiden Rapper nun wieder flussabwärts durch Blut und Gedärm ins Freudsche Es, um sich dort ihrem Destruktionstrieb hinzugeben.

Dabei ist "Flüsse Aus Blut 2" offensichtlich von Filmen inspiriert. Das beginnt bereits bei den atmosphärisch unheimlichen Produktionen, für die die Horrorfilm-Soundtracks von John Carpenter stilprägend waren. Horrorcoretypisch verleihen Soundeffekte wie metallene Geräusche oder Glockenschläge ergänzende Würze. Auch textlich stehen vor allem visuelle Medien Pate. So rufen zahlreiche Zeilen entsprechende aus Filmen bekannte Bilder auf, wie etwa "Pi" ("Ich bohr' ein Loch in deinen Schädelknochen"), "Hannibal" ("Deine Haut wurde zu Flügeln gespannt") oder Fritz Langs "M": "Wer bin ich? Frag' mich nicht, sag' mir lieber, wer sich da in meinem Schatten versteckt. Denn da ist irgendwer drin, der da nicht reingehört. Er verfolgt dich, er will an dein Gehirn."

In "Der Morgen Danach" erleben Blokkmonsta und Schwartz einen Hangover der etwas anderen Art: "Heut' der Morgen danach. Warum ist das Laken verfärbt? Warum hör' ich mein Herz? Warum seh' ich das deine? [...] Doch was jetzt? Reparieren geht nicht. Eskalation einer Spätschicht." SXTN umrahmen die martialischen Mordphantasien mit einem putzig-poppigen Refrain. Doch mit der Rolle der bezaubernden Beilage geben sich Nura und Juju natürlich nicht zufrieden. Im Stile ihres erprobten Rezepts drehen sie in der zweiten Strophe den Spieß um, indem sie den Serientäter betäuben und mit einer Tätowierung markieren. Lisbeth Salander lässt grüßen.

Neben SXTN beehrt Halb-Berlin "Flüsse Aus Blut 2" mit seinem Besuch. "Besser Fürchtet Uns" wartet mit einem Gastbeitrag von Trauma Klan auf. Dieser mimt mit seiner cartoonhaft verstellten Knödelstimme eine Art Horror-Helge. Für "Töten Für Promo" holen Blokkmonsta und Schwartz die Berliner Urgesteine Frauenarzt und Taktloss ins Boot. Gemeinsam nehmen sie die deutsche Rap-Journaille ins Visier: "Ich schneide Skinny in Stücke und Rooz' Kopf benutz' ich als Perücke." Der im Umgang mit Medien seit jeher nicht gerade kooperative Taktloss passt da natürlich wie Basie auf Schädel: "Welcher Journalist ist kein Hurensohn? Keiner!"

"Flüsse Aus Leichenteilen" stellt einen typischen Berliner Posse-Track in der Extended Version dar. Blokkmonsta und Schwartz versammeln darauf über 30 Rapper um sich, darunter alle klanghaften Namen des Hauptstadt-Untergrunds wie King Orgasmus One, Basstard, Rako und Tarek. In der gebotenen Kürze vermögen jedoch nur die wenigsten zu überzeugen. Einzig Vero und Casper setzen sich im Gedächtnis fest.

Letzterer skizziert in wenigen Zeilen eine Geschichte zum Thema Onlinedating. Eine Facebook-Verabredung mündet in einen angenehmen Abend, der jedoch ein unangenehmes Ende findet: "Beschlossen, auf einen Schnaps kämst du wohl hoch zu mir. Trink' ihn auf ex aus, Blackout, schlitze dich jetzt auf, Besteck raus, teil' dich mit der Flex auf. Sieh zu wie du Stück für Stück in der Spree versinkst. Denk lieber zweimal nach, bevor du 'gefällt mir' klickst."

Positiv zu hören, dass sich Casper noch immer in klassischen Rap-Disziplinen übt, noch dazu auf thematisch unbekanntem Terrain. Die Freude verfliegt allerdings mit der nachträglichen Feststellung, dass die Strophe bereits 2010 auf Schwartz' Album "Hurensohn Holocaust Zero" erschienen ist. Ein derartiges Recycling alter Parts heutiger Chartstürmer umgibt mehr als nur einen Hauch von Sell-Out, womit die Verantwortlichen Gefahr laufen, es sich mit der Hirntot-Stammklientel zu verscherzen.

Ein weiterer den Gesamteindruck schmälernder Aspekt liegt in der Psychologisierung der Kunstfiguren Blokkmonsta und Schwartz. So führen die beiden Rapper auf "Keine Liebe Mehr" ihr Verhalten auf enttäuschte Liebe zurück: "Leute fragen mich, Schwartz, warum bist du so? So ein hasserfüllter Misanthrop? Tja, wie soll ich es formulieren? Ich würd' die Menschen wirklich gerne lieben und bin offen zu ihnen. Doch alles, was zurückkommt, das ist Neid, Falschheit und Missgunst. Vorne lächeln sie, hinten stechen sie. Danke für die Narben, ich vergess' euch nie!"

Statt sich zu erklären, wäre eine konsequente Haltung mutiger gewesen. Denn dass sich Blokkmonsta und Schwartz nicht durch die Nachbarschaft morden, sondern einer völlig überzogenen artifiziellen Inszenierung frönen, sollte jedem Hörer hoffentlich klar sein. Da es für den bestialischen Blutdurst im Grunde keine zufriedenstellende Erklärung geben kann, nimmt der Song ein Stück des künstlich-künstlerischen Charakters von "Flüsse Aus Blut 2".

Glücklicherweise bilden dies nur Ausnahmen eines ansonsten stringenten Tonträgers, der dem Hörer einiges abverlangt: "Ich weiß, meine Kunst ist den meisten zu absurd und bizarr, doch egal, da müsst ihr durch." Bleibt nur zu hoffen, dass die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien nicht wieder dafür sorgt, dass da keiner mehr durch kann.

Trackliste

  1. 1. Intro
  2. 2. Stech Sie Alle Ab
  3. 3. Absurd & Bizarr
  4. 4. Mörderische Träume
  5. 5. Höllenloch
  6. 6. Purer Hass
  7. 7. Liebes Tagebuch
  8. 8. Skit 1
  9. 9. Treibjagd
  10. 10. Menschenfleisch
  11. 11. Töten Für Promo
  12. 12. Keine Liebe Mehr
  13. 13. Skit 2
  14. 14. Der Morgen Danach
  15. 15. Besser Fürchtet Uns
  16. 16. Odyssee
  17. 17. Flüsse Aus Leichenteilen

Preisvergleich

Shop Titel Preis Porto Gesamt
Titel bei http://www.amazon.de kaufen Blokkmonsta & Schwartz – Flüsse aus Blut 2 €35,00 Frei €38,00

Videos

Video Video wird geladen ...

Weiterlesen

LAUT.DE-PORTRÄT Blokkmonsta

Ruhm verteilt sich nicht immer fair. Nicht immer sind Kriterien wie Talent oder Fleiß schlagzeilengebende Faktoren. Manchmal reicht es auch, auf einer …

LAUT.DE-PORTRÄT Schwartz

Schwartz ist Rapper und Produzent und veröffentlicht auf dem Berliner Label Hirntot Records. Genauso wie sämtliche Signings dieser Plattenfirma, hat …

5 Kommentare mit 6 Antworten

  • Vor 7 Jahren

    ..ab zum nächsten Zombie-Film und bitte keine weiteren Platten mehr !!!! -2/5

  • Vor 7 Jahren

    An das Casper Feature damals kann ich mich noch erinnern und selbst da schon gab es welche die meinten es sei bereits älter ;)

    • Vor 7 Jahren

      Hast du das Album mittlerweile gehört? Es sind gute Tracks dabei, aber für eine FAB zu wenig Blut! Mir sind zu wenig sperrige Tracks dabei. Ist halt irgendwie nichts halbes und nichts ganzes. Die erste Hälfte will FaB sein und die zweite Hälfte eben nicht. Ich finde keinen Track den ich so richtig kacke finde, aber ich habe halt mehr so etwas wie Absurd & bizarr in Dauerschleife erwartet. Trotzdem sind Tracks wie "Liebes Tagebuch" gut!, mhmhmhmmhh :-)

    • Vor 7 Jahren

      tagebuch hat den absolut verstörenden beat. genauso soll es klingen...finde das album gelungen, aber mir gefallen auch mittlerweile eher die melodischeren sachen wie keine "keine liebe mehr"...schade das der schwartz part auf "der morgen danach" nicht länger ist...finde sxtn da auch top. nächstes ht projekt sollte ein räuber rob solo werden :D

    • Vor 7 Jahren

      Bei Räuber Rob wär' sogar ich wieder dabei. Einziges HT Release, das ich jemals in Gänze gefeiert habe. :D

    • Vor 7 Jahren

      Was auch zu großen Teilen an Faustus liegt, der es immer wieder schafft mit den kuriosesten Leuten Colabo-Alben zu machen

    • Vor 7 Jahren

      @Blade

      Noch nicht gehört, wird aber im Laufe der Woche gemacht

  • Vor 7 Jahren

    Eher wie ein weiteres Best Of denn richtiges FaB-Feeling

    Sonderbar unterteilt wirkt dieses Album: Macht den Anfang noch bestes 2007er Konzept mit bizarren Lauten, schiefen Gesängen und Gewaltekzessen aus,wird gen Ende hin die besinnliche Keule geschwungen. Selbstreflexion, Karriererückblicke und ähnliches stehen auf dem Speiseplan. Das ist aber angesichts der langen Historie des Unternehmens und mittlerweile doch anderen Umständen aber okay. Niemand kann erwarten, dass man nocheinmal diese ungeschlachtete Naivität an den Tag legen kann.

    Auch wirkt sich der seit 2010 ausgeprägte Stimmwechsel Blokks (vielmehr der Verzicht auf die künstlich verzerrte Stimme wie sie als Reminiszenz im Intro und einem weiteren Skit hier nochmals Verwendung findet) sehr auf die Grundstimmung aus. Er lässt immer mehr und mehr den Faustus raushängen und über weite Strecken habe ich auf diesem Album schlicht das Gefühl, es mit einem angepissten Dr. Faustus zu tun zu haben und nicht mit dem bedrohlichen Monsta. Wenn er normaler rappen will soll er doch einfach ein neues Faustus-Album machen, es verschwimmt mittlerweile nur noch

    Mir hat Schwarz hier auch besser gefallen, er lässt den Wahnsinn deutlich besser spüren und hat richtig Lust. Beattechnisch ist das ganze grundsätzlich gelungen, wenn auch manches mal wieder ähnlich tönt. Rako ist stark, SXTN überflüssig

    • Vor 7 Jahren

      Die Sache mit Blokk/Faustus sehe ich ähnlich. Ich bin mal gespannt ob er noch ein komplettes Faustus Album bringt. Er hat bei den letzten Tracks ja schon beide Stimmen (Blokk/Faustus) verwendet. Mal gucken ob dann wieder einer den Dr. Faustus spielen muss :koks:

  • Vor 5 Jahren

    Was für eine Beleidigung für jeden Hörer.
    Hat denen keiner gesagt, dass ihre Pophits SCHEIßE klingen?
    Und was hat sowas überhaupt auf einem Flüsse aus Blut Nachfolger zu suchen? Die hätten das Album "wir sind Pussies" nennen sollen, und nicht nach einem Teil 2 von einer Psychorap Kollabo!
    Gott sei dank hab ich den Müll gestreamt, und nicht extra noch Geld dafür ausgegeben.
    Und da kann mir noch so wer kommen von wegen "Ja Entwicklung, Stillstand ist schlecht", darum geht es nicht, die können nicht groß einen Nachfolger von etwas Bestimmtem ankündigen, dann sagen "Ja ne, aber wir machen was Anderes daraus" und dann erwarten, dass man das Werk als was vollkommen Eigenständiges sieht.

    Die haben keine Ahnung von Vermarktung, alte Fans finden das dämlich, und neue Fans können damit auch nichts anfangen.