laut.de-Kritik
Futurepop-Zombies und trostlose Emotionsimitate.
Review von Ulf KubankeRechtzeitig zum Karneval bringen Blutengel ihr neues Album "Leitbild" heraus. Da sage noch jemand, Chris Pohl habe keinen Sinn für Timing und den ästhetisch passenden Rahmen. War es doch seit jeher der einzig denkbare Grund, nicht neben De Höhner etc. aufzutreten, dass die Komik bei Letztgenannten eine rein freiwillige ist. Auch diesmal garantieren bittere Überforderung und Bierernst großes Amüsement, solange man nicht mit den Künstlern lachen möchte.
Betrachtet man die Eigenverortung Blutengels an der spirituellen wie kommerziellen Spitze deutscher Gothacts, fällt anhand dieser 16 Tracks einmal mehr ins Auge, wie groß die Diskrepanz zur erbrachten künstlerischen Leistung ist. Auch nach knapp 20 Jahren Bandgeschichte klingen Blutengel genau so uninspiriert, trashy und amateurhaft wie in den Anfangstagen. Auch Studioplatte Nr. 17 ist nichts anderes als Hedwig Courths-Mahler für die Ohren.
Letzteres ist leider keine launige Übertreibung, sondern dem Hörbeweis zugängliche Realität. Der erste große Quell des Versagens ist ihr Pomp für Arme. Die Idee, den Dancefloor im Intro mit Gruselfilm-Atmosphäre und orchestralen Elementen zu würzen, ist nicht schlecht, die Umsetzung kommt aber viel zu breitbeinig daher. Blutengel gaukeln dem Hörer akustisch das Taj Mahal vor, bieten dabei kaum mehr als ein windschiefes Vogelhäuschen aus dem schwarz lackierten Heimwerkerköfferchen of Sound.
Die Texte reißen erneut schlimmste, ausgeleierte Schubladen aller No Gos auf. Besonders die trostlosen Emotionsimitate machen den Sud ungenießbar. Doch selbst für Pohls typischen Platitüdensalat ist "Lebe Deinen Traum" harter Tobak. "Dieses Leben gehört nur dir. Es gibt keinen Weg zurück. Du musst immer weiter gehen. Was geschehen ist, ist geschehen. Schau nach vorn. Gehe deinen Weg". Herzlich willkommen zum womöglich zynischsten, reflexionsfeindlichsten Lebenshilfe-Track aller Zeiten.
Die Trivialität von Klangbild und Songwriting ist untopbar. Billigste Futurepop-Zombies von vorgestern kopulieren mit anämischen Refrains und gesichtslosen Melodien, dass einem der Kajalstift aus der Hand fällt. Passend dazu streut Pohl seine holzschnitthaften Vocals über den einfallslosen Brei, bis auch noch der letzte Tropfen musikalischer Minimalstandards verdorrt ("Unser Weg").
Besonders diabolisch: Immer, wenn man glaubt, es könnte eventuell doch zwischendrin ein melancholisches Bonbon in dieser künstlerischen Bleiwüste erblühen, vernichtet Pohl jeden Ansatz echten Gefühls spätestens im unweigerlich folgenden Chorus des Grauens ("Scars"). "Leitbild" ist ein vielversprechender Kandidaten für die grottigste Scheibe des Jahres.
11 Kommentare mit 13 Antworten
"Unsere Seelen sind schwarz, unsere Herzen sind aus Gold"
Danke, das reicht mir......
Ich mag ja durchaus den ein oder anderen Song der Band, aber von Album zu Album wird das Ganze leider immer unerträglicher. Immerhin machen sie live einiges her
na ja..für solche Texte gäbe es eine neue Kategorie :
den Gothic-Schlager
ein anderer Vertreter davon wäre zum Beispiel :
Unheilig
"Dieses Leben gehört nur dir. Es gibt keinen Weg zurück. Du musst immer weiter gehen. Was geschehen ist, ist geschehen. Schau nach vorn. Gehe deinen Weg."
Echt harter Tobak.
Leb deinen Traum denn er wird war
Geh deinen Weg, stelle dich der Gefahr
Alles was wichtig ist
Wirst du erkennen wenn die Zeit gekommen ist
Ja, greif nach den Sternen, du bist bereit
Glaub an dich, bald ist es so weit
Wir werden bei dir sein
Sei bereit!
Das kommt mir bekannt vor Dragon Ball?
Dass du da noch fragen musst? War zwar nie ein riesiger Digimon-Fan, aber bei solchen Melodien war mitsingen Pflicht!
sha la head shala !
Kurz vor 19.30 Uhr sind damals immer alle schnell nach Hause, um die neuste Folge Dragon Ball Z zu gucken. War Gesprächsstoff Nr.1
Digimon war eher doof, aber bin da ganz bei Mundi.
Ich fühl mich alt.
Fands nur schade, dass die teilweise für einen Kampf so 20 Folgen gebraucht haben - weil nach jedem Schlag erstmal zwei Folgen gegenseitiges Anstarren und Rumstöhnen angesagt war.
Ja, da musste immer erst mal 5 Folgen die Genkidama aufladen. Bei Captain Tsubasa war es damals ja auch so nur wirkte das durch das Fussballsetting noch doofer. Da wurde 2 Folgen lang auf das Tor zugelaufen. Man konnte im Spielfeld dann auch immer noch die Erdkrümmung sehen und die Figuren hatten endlose Zeit für innere Monologe inklusive Rückblenden in die Kindheit etc.
Das war immer eine Mordscomedy!
Unvergessen natürlich das erste Tor für Deutschland: https://www.youtube.com/watch?v=TBXxo30t3No
(Der Olli Kahn Avatar im Tor )
Was für ein Zufall, dass ich vor kurzem wieder angefangen hab, die erste Digimon Staffel nochmal zu schauen. props an schwingi
Unvergessen bleibt auch der Teufelsdreier bei den Kickers.
https://www.youtube.com/watch?v=WHUsGBMp4gw
á la "fuck physics, we can float in the air indefinetly."
Captain Tsubasa und Die Kickers sind ja wohl unhatebar als Fußballer.
Zu Goku muss ich nichts sagen, Idolstatus in meiner Kindheit. Dasselbe gilt für Vegeta bei Kanacken.
@hialeah & "gothtipps allgemein":
wenn du was aktuell spannendes im bereich dunkler musik suchst, würde ich dir zunächst gern nen internationalen tipp geben. 1476 lassen sich zwar in keine kategorie pressen, leben in ihrer kunst aber alles, was großen dunkelheimerstoff ausmacht.
http://www.laut.de/1476
auf der nationalen ebene gibt es zum glück auch noch grandiose aushängeschilder, die nicht schwächeln. da rate ich dann allerdings nicht zu obiger combo, sondern zu nem musikalisch großen kaliber wie etwa mic jogwers pink turns blue. die haben vor weniger als einem jahr ne tolle platte veröffentlicht.
http://www.laut.de/Pink-Turns-Blue/Alben/T…
Die Single ist zu nah am Schlagerpop, keine Frage. Aber zum Album hätte man auch schreiben können: "frischer neuer stoff für den dark dancefloor" 3/5
das ist ja ganz schrecklich