laut.de-Kritik
Rock ist tot? Mit Halsey Richtung Deep House.
Review von Manuel BergerHätte man es ahnen sollen? Etwas stimmte doch nicht, als die Urheber von "There Is A Hell, Believe Me I've Seen It. There Is A Heaven, Let's Keep It A Secret" im Januar 2019 ein Album mit nur drei Buchstaben im Titel vorstellten: "amo". Elf Monate später schlagen Bring Me The Horizon doch noch zu. Achtung, kein Witz – ihr neues Werk heißt: "Music to listen to~dance to~blaze to~pray to~feed to~sleep to~talk to~grind to~trip to~breathe to~help to~hurt to~scroll to~roll to~love to~hate to~learn Too~plot to~play to~be to~feel to~breed to~sweat to~dream to~hide to~live to~die to~GO TO"! Puh, Easy Listening wird das bestimmt nicht. Für Anhänger der Band vermutlich noch viel weniger als für den durchschnittlichen Musikkonsumenten.
"No, this ain't heavy metal", riefen Bring Me The Horizon auf "amo". Hartem Stahl hatten die Briten ohnehin bereits beim Vorgänger "That's The Spirit" abgeschworen und sich mehr gen poppiger Rockmusik orientiert. Die Gitarrenbasis blieb zwar vorerst intakt – doch die Electronics des heimlichen Strippenziehers Jordan Fish drängten weiter ins Zentrum. In brutaler Konsequenz kappen die einstigen Deathcore-Shootingstars nun auch ihre Verbindung zum Rock und widmen sich fast vollständig synthetischen Klängen.
Ganz im Sinne jüngster Aussagen von Sänger Oli Sykes, denen zufolge die Band nicht plant, in absehbarer Zukunft Alben im klassischen Sinne zu veröffentlichen, sollte man "Music To Listen To ..." nicht als abgeschlossenes Werk mit eigener Identität betrachten. Eher gleicht es einem Spielplatz, auf dem die Band – teils auf Basis bekannter Songfragmente – experimentiert und Skizzen für eine stilistisch völlig offene Zukunft ausbreitet.
Die Briten eröffnen "Music To Listen To ..." mit dem selben musikalischen Motiv wie "amo" – gestalten es aber als Gegenentwurf zu dessen poppigen Ansatz. Um Elemente des Intros "i apologize if you feel something" herum ersteht das zehnminütige "Steal Something" als sperriges Monstrum mit tranceartigem Ethno-Beat, Soundtrack-, Ambient- und R'n'B-Elementen, das trotz hypnotischem Vibe voller Überraschungen steckt. Hooks spielen dabei zwar eine untergeordnete Rolle, fräsen sich aber doch immer wieder durch die Klangspielereien. So ploppt in "Candy Truck / You Expected: LAB Your Result: Green", einer Mischung aus Field Recording und Deep House DJ Set, mittendrin ein autotunegeschwängerter, blitzsauber produzierter Mainstream-Pop-Refrain auf. Bei "¿" sorgt Shooting Star Halsey mit ihrer Interpretation von aus "In The Dark" bekannten Melodien für den roten Faden, während Synthie-Chef Jordan Fish um sie herum übersteuerte Beats, Sirenen und überraschende Percussion-Attacken ausbreitet.
Vielleicht am bezeichnendsten für Bring Me The Horizons neuen Ansatz ist "Underground Big {HEADFULOFHYENA}". Die Nummer startet als zeitgemäßer, aggressiver Trap-Track mit dem 23-jährigen Newcomer Bexey am Mikro, biegt ab in Chillout-Sphären und explodiert für ein paar Sekunden in wüstem Deathcore-Geballer. So entfernt sich die Band einerseits weiter von ihren Wurzeln denn je zuvor, wirft andererseits alten Anhängern einen Knochen hin und verbindet in Ghostemane-Manier sogar kurz beide Welten. Dann springt die Schallplatte und für schlappe 20 Minuten läuft ein zersetztes Voice-Sample on repeat. Hin und wieder murmelt Sykes ein paar Worte, ansonsten passiert nichts mehr. Der Mittelfinger für alle – Fans, Mainstream-Publikum, wer auch immer zuhört und Substanz herbeisehnt – und angenehm meditativ.
Ein wenig prätentiös ist es schon, wie Bring Me The Horizon auf "Music To Listen To ..." ihre künstlerische Freiheit zelebrieren. Doch es ist zweifellos ein Werk, das niemand von ihnen erwartet hätte – die Absage an Fans und Mainstream gleichermaßen, nach irgendjemandes Pfeife zu tanzen. Echte Songs enthält "Music To Listen To ..." wegen (absichtlich) fehlender Struktur zwar nicht – dafür aber die spannendsten Experimente der bisherigen Bandkarriere. Tanzt dazu, liebt dazu, hasst dazu, träumt dazu, schwitzt dazu, brütet darüber ... egal. Hauptsache: hört das!
4 Kommentare mit 3 Antworten
Ungehört 0/5, weil menschlich absolut erbärmliche Existenzen.
http://www.brooklynvegan.com/brian-baker-s…
Scheint das neue Ding zu sein:
https://www.stereogum.com/2054854/jimmy-ea…
Och Gottchen, da gibts aber schlimmeres...
Trotzdem 1/5, schwache Kritik vom wegen experimentell oder so. Gegen das grandiose "amo" einfach einfallslos.
ich mag bands die alles ausloten
genau, wie Ahab!
Arab ist schon ein Fuchs
https://upload.wikimedia.org/wikipedia/com…
Kein Wal in Sicht!