laut.de-Kritik

Ein Metal-Album für den ZDF-Fernsehgarten.

Review von

Der Komiker Bülent Ceylan möchte Musik machen. Am liebsten Metal, dann aber mit einer ordentlichen Note Humor und Selbstironie. Auf "Ich Liebe Menschen" entscheidet er sich dabei für die denkbar schlechteste Umsetzung, indem er zwei unverträgliche Zutaten in einem Topf zusammen wirft: Metal und Schlager.

Im ersten Song steigt Bülent direkt mit einer hemmungslosen Till Lindemann-Imitation inklusive überdeutlich betonter Silben ein. Er zählt die großen Verfehlungen der Menschheit auf, die er anschließend in der Pop-Hook mit dem titelgebenden "Ich Liebe Menschen" kontrastiert. Natürlich ist die Botschaft "Schau her, wir sind doch alle gleich" nicht sonderlich einfallsreich, schreckt aber auch nicht gebührend vor den nachfolgenden Liedern ab.

Zu diesem Zeitpunkt befindet sich das Album noch in einer Superposition. Es kann irgendwie Metal, irgendwie Pop, irgendwie politisch und irgendwie humorvoll sein. Alles ist möglich, von einer albernen Comedy-Nummer auf Albumlänge bis hin zu einem ernsteren Projekt über menschliche Abgründe (auch wenn das schon im Voraus unwahrscheinlich war). Diese Superposition gilt es aufzulösen, damit die Platte nach einiger Zeit nicht komplett aus den Fugen gerät.

Doch "Booom" löst die Mehrgleisigkeit nicht auf, stattdessen zeugt Bülent eine ganz, ganz ungesunde Mischform aus metalligen E-Gitarren und stumpfestem Party-Schlager. Wieder liebt er Menschen, dehnt seine Begriffsauffassung aber ganz im Sinne der Ballermann-Kultur aus: "Du, deine Freundin und ich spielen Körpertetris / Babe ich denk doch nur an den Erhalt unserer Spezies". Dabei gibt es keinen cleveren Twist und keinen doppelten Boden, es bleibt bis zuletzt eine primitive Zwei-Promille-Hymne. "Abrissmodus unerhört, das hier wird komplett gestört, hoch die Tassen Euphorie, hallo Massenhysterie". Sogar das alibimäßige Gitarrensolo zum Ende hin rettet nichts mehr.

Auf "Yallah Hopp" inszeniert sich Bülent als liebender Familienvater, der nachts klammheimlich aus dem Haus schleicht und Rockmusik spielt: "Ich hab hart Bock, auf Hartrock". Auch auf "Schmutzige Liebe" und "Wenn Metaller Traurig Sind" thematisiert der Comedian durchgängig, dass er uns gerade Metal präsentiert, vielleicht aus Angst, wir könnten es vor lauter Schlagermorast vergessen haben. Außerdem ist die Metaller-Sind-Gar-Nicht-So-Hart-Wie-Alle-Denken-Phrase selbst schon lange zu dem Klischee geworden, mit dem sie brechen wollte.

Je weiter man in das Projekt vordringt, desto eigenwilliger wird seine obskure Zwitterexistenz aus Comedy-Texten, Schlagermelodien, Gitarren-Riffs und aufgesetzten Metal-Attitüden. Auf die Spitze treibt das der Song "Alles Gleich" mit Peter Maffay. Es handelt sich dabei um den wohl übelsten Beitrag aus Bülents Rock-Metal-Schlager Gruselkabinett, und es ist unbegreiflich, welche Zielgruppe das Duett ansprechen soll. Es wirkt so, als wolle Maffay den Song ernst halten, während Bülent hochphilosophisch Fragen wie "Magst du am Sonntag Braten, und füllst ihn noch mit Speck / Oder lässt du auf deinem Käsebrot den Käse auch noch weg?" aufwirft.

In "Klopf Klopf" geht es dann gegen Internet-Hate, und zwar auf so abgedroschene Art und Weise, dass es wie eine Auftragsproduktion der Gesellschaft für Medienpädagogik und Kommunikationskultur klingt: "Suchst die kleinen wunden Punkte, und wirfst deine Bomben drauf / Ist das Smartphone deine Waffe, mit der du dich alles traust". Auch bei "Lieder Gegen Nazis" wird klar: Sehr schlechte Songs können durchaus wichtige Messages enthalten. Diese Erkenntnis zieht sich konsequent durch die Platte, welche ihr Herz sicherlich am richtigen Fleck hat, die Umsetzung der Botschaften aber phänomenal gegen die Wand fährt.

Der faszinierendste Punkt des Albums findet sich aber auf "Wohin Du Gehst". Plötzlich lässt Bülent alle Metal-Allüren und jeglichen Humor beiseite - Was bleibt, ist eine ehrliche Ballade über die Beziehung zu seiner Tochter. Natürlich klingt die superepische Orchestrierung kitschig, und auch textlich ist der Track nicht besonders originell oder tiefgreifend, aber das ist immer noch tausendmal authentischer und besser als die aufgesetzten Metal-Schlager Songs.

Man möchte es Bülent Ceylan überhaupt nicht absprechen, dass er Spaß und Leidenschaft bei seinem Metal-Blödsinn verspürt. Es klingt auch nicht nach einem schnellen Cash Grab, denn das Album wird außerhalb seiner Bubble wohl nur wenig Aufmerksamkeit generieren, dafür ist die Diskrepanz zwischen Metal- und Schlagerfans einfach zu groß. Vielleicht sollte die abenteuerliche Genre-Emulsion dort zurückgelassen werden, wo sie hingehört: Ins Regal von hartgesottenen Besuchern des ZDF Fernsehgartens, die sich mit ihrer musikalischen Diversität brüsten wollen.

Trackliste

  1. 1. Ich Liebe Menschen
  2. 2. Booom
  3. 3. Yallah Hopp
  4. 4. Brüder (feat. Saltatio Mortis)
  5. 5. Schmutzige Liebe
  6. 6. Wenn Metaller Traurig Sind
  7. 7. Anders Gleich (feat. Peter Maffay)
  8. 8. Klopf Klopf
  9. 9. Rüstung Aus Hass
  10. 10. Lieder Gegen Nazis
  11. 11. Wohin Du Gehst
  12. 12. Engel Landen Weich

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