laut.de-Kritik
Der Nimbus der Nichtverfügbarkeit.
Review von Ulf Kubanke"Here on this mountain top - uh-oh-oh - I got some wiiild, wiiild life!" Die Hitsingle "Wild Wild Life" zählt nicht nur zu den schönsten Talking Heads-Ohrwürmern. Sie illustriert dazu vortrefflich David Byrnes damalige Phase zwischen grandiosen Ideen und ambitionierter Übersteuerung. Das ambivalente Kind "True Stories" kam in drei Inkarnationen zur Welt. Diese Veröffentlichung enthüllt erstmals das komplette filmmusikalische Bild und überzeugt dennoch nicht.
Der verworrene Sachverhalt geht folgendermaßen: Einerseits verkörpert "True Stories" 1986 ein tolles Album der Talking Heads aus ihrer oft unterschätzten Spätphase ab "Remain In Light". Es enthält schicke Perlen wie die obig genannte, "Love For Sale" oder den Voodoopriester-Song "Papa Legba". Da Byrnes Solokarriere jedoch erst Jahre später ab "Rei Momo" richtig Fuß fasst, befindet der sonst so teamfähige Vordenker sich in einer Periode grassierender Egozentrik, die alle anderen Bandmitglieder zu Statisten herabwürdigt.
Also komponiert Byrne alles allein und bastelt um diese Lieder ein Drehbuch, dass er als gleichnamigen Film unter anderem mit John Goodman realisiert. Hierzu verfasst er zusätzliche musikalische Fragmente, Miniaturen und Skizzen, die er als Filmscore verwendet. Diverse Songs der Talking Heads-Scheibe arrangiert er um und nimmt sie mit Gastsängern neu auf.
Diese Aufnahmen veröffentlicht er unter eigenem Namen parallel zum TH-Release als "Sounds From True Stories", allerdings nur als Kassette und LP. Seit langem ist dieses Album vergriffen. Erst jetzt rückt Byrne nach über 30 Jahren den kompletten Score als CD namens "The Complete Soundtrack Of True Stories" heraus.
Gewartet hat die Welt darauf nicht gerade. Zwar gilt die Platte unter Die Hard-Fans als Kultobjekt. Das erklärt jedoch weniger ihre Qualität, sondern vornehmlich jene Nichtverfügbarkeit, die eigentlich belanglosen Klängen den Nimbus eines raren Schatzes verlieh. Schon der Film war nicht gerade ein Meisterwerk und geriet zurecht in Vergessenheit. Viele dieser Tracks hätten das ebenso verdient.
Niemand braucht uninspirierte Zumutungen wie C64-Getüdel à la "Mall Muzak" oder "Buster's Theme", die klingen, als untermale Byrne ein bayerisches Bierzelt. "Soy De Tejas" wirkt wie eine Veralberung mexikanischer Mariachi-Töne. Taucht tatsächlich einmal eine brauchbare Melodie wie in "Love Theme" auf, ist sie nach einer Minute bereits zuende. Als einzig positive Ausnahme sticht das jazzy "Brownie's Theme" heraus.
Die Talking Heads-Auskopplungen "Wild Wild Life" oder "Love For Sale" vernimmt man als originale Albumversionen. Zwar glänzend, aber eben längst auf der regulären Platte erhältlich. Noch dazu degradiert Byrne seine ehemalige Band, indem er die Songs zu reinen Byrne-Nummern deklariert und so den Eindruck erweckt, seine drei Mitstreiter höre man nicht an ihren angestammten Instrumenten.
Auch die alternativen Einspielungen klingen überwiegend nach Herabwürdigung des eigenen Schaffens. Zwar macht Tito Larriva einige Zeit vor dem internationalen Durchbruch mit Tito & Tarantula eine gute Figur. Auch Hollywoodstar John Goodman blamiert sich als Sänger nicht. Der Rest ist jedoch zum Haare raufen. Besonders "Dream Operator" versinkt im schmalzigen Kitsch betulichen Country-Genöles. Am Ende kann man jedem Byrne-Fan nur raten, sich bezüglich "True Stories" besser an das hervorragende Talking Heads-Album zu halten.
2 Kommentare mit einer Antwort
Was heißt "unterschätzte Spätphase"? Die Talking Heads waren nach "Remain in Light" nie wieder so gut wie in den Jahren 1977-1980, obwohl "Speaking in Tongues" noch ein starkes (Pop-)Album war. Danach zeichnete sich klar ab, dass Byrne lieber als Solist durchstarten will und sein Erfolg mit "The Last Emperor" (der bessere Soundtrack) gab ihm dann recht. Die Talking Heads waren für ihn gegen Ende der 80er nur noch Ballast.
Was das heißt? na genau die Gegenhaltung zu dem, was du sagst.
Es ist doch ein wohlfeiles Klischee, die Talking Heads immer auf ihre Avantgarde/Wave/Nerdphase zu reduzieren und die grandiosen Popsachen von "Remain", "Little Creatures" und co gering zu schätzen.
Das ist als Sichtweise doch ähnlich ausgelutscht und unzutrweffend wie andere nicht tot zu kriegende Quarkthesen a la "Genesis gingen ohne Gabriel den Bach runter" oder ""Owner Of A Lonely Heart" etc ist ein seichter Ausverkauf der proggy Yes-Ideale" usw....
Im Gegenteil: Es ist doch augenfällg, wie gut Byrne sein melodisches und rhythmisches Talent entwickeln konnte, weil er die schrägen Sachen auf Nebenschauplätzen Marke "My Life In The Bush Of Ghosts" usw. ausleben konnte.
Inofern bleibe ich dabei: Songs wie "Burning Down Th House", "This Must Be The Place", "Road To Nowhere", "And She Was", "Wild Wild Life", "The Lady Don't Mind" oder "Papa Legba" etc. sind große Kunst, perfekt ausbalanciert,arrangiert und komponiert.
Sie müssen sich keine Sekunge hinter den Glanztaten bis 1980 verstecken.
schön geschrieben...road to nowhere ist eine Perle
allein der Anfang :
Well we know where we're goin'
But we don't know where we've been
And we know what we're knowin'
But we can't say what we've seen
And we're not little children
And we know what we want
And the future is certain
Give us time to work it out
We're on a road to nowhere
Come on inside
Takin' that ride to nowhere
We'll take that ride