laut.de-Kritik
Erstklassige Technik überdeckt den Mangel an Substanz.
Review von Tobias LitterstRock meets Symphonieorchester: Mit diesem programmatischen Prinzip überschreibt der gefragte Geigenvirtuose David Garrett sein neues Album "Rock Symphonies". Auf Geheiß des Musikers vereint sich das Orchester der Stadt Prag mit einer Rockband, um eine Mischung aus Stromgitarren-Evergreens in neue Arrangements zu kleiden.
Den Hörer erwarten Stücke wie der Guns N' Roses-Klassiker "November Rain" oder Status Quos "Rocking All Over The World". Diesen Hitcocktail erweitert Garrett um einige Eigenkompositionen und ein paar Dauerbrenner aus dem Klassikbereich.
Bereits das eröffnende Nirvana-Cover "Smells Like Teen Spirit" macht klar, dass der Geiger seinen großen Fundus an Begleitmusikern mit Bedacht einsetzt. Seine selbst angefertigten Rockbearbeitungen verdonnern das Orchester nicht einfach zu bloßer Überzuckerung der zu Grunde liegenden Stücke. Garrett versucht vielmehr, die klanglichen Charakteristiken der Songs aufzugreifen und zu intensivieren.
Eine solche Herangehensweise lässt auch sein Geigenspiel vermuten. Der gefeierte Musiker versetzt sein Instrument in schluchzendes Schmachten, entlockt ihm widerspenstig zeternde Klänge, imitiert die Spieltechnik der irischen Fiddleplayer und jagt mit virtuosen Läufen durch die Tonlandschaft. So dient ihm Bachs Toccata als Ausgangspunkt für eine üppige Demonstration seines technischen Könnens. Vivaldis "Vier Jahreszeiten" lässt er hingegen mit dem U2-Rocker "Vertigo" kollidieren.
Allerdings machen die intelligenten Arrangements und das hohe technische Niveau der Instrumentalisten ein gravierendes Manko der Platte nicht wett: den Mangel an Substanz. Der zeigt sich am deutlichsten bei Garretts Bearbeitung des ersten Satzes von Beethovens fünfter Symphonie.
Der Geiger beschränkt sich hier auf die Wiedergabe der beiden äußerst bekannten Themen des Stücks. Die erweitert er um unspektakulär statische Rockparts, in denen er sich abermals der Demonstration seines Könnens widmet.
Die bei Beethoven so wichtige musikalische Reflektion, also die Verarbeitung des thematischen Materials vernachlässigt Garrett komplett. Dadurch klingt das Ganze nach purer Effekthascherei. Einen solchen Eindruck hinterlassen auch die weiteren Klassikbearbeitungen des Albums.
Auch will sich mir der Sinn einer Ansammlung von Rock-Gassenhauern nicht recht erschließen. Garrett intensiviert die Stücke klanglich, fügt ihnen dadurch aber keine spannenden Neuerungen hinzu. So ist "Rock Symphonies" ein technisch erstklassiges Album, das aber jenseits von handwerklicher Raffinesse nicht viel zu bieten hat.
9 Kommentare
Das Live-Video von Smells like teen Spirit ist ja grausig.
oooohohohohoho....
Als Klassischer Musiker der Rockmusik liebt kann ich es nur hassen.
Er ist ein sehr guter Geiger, aber die Arrangements sind einfach nur schlecht. Er sollte mal wieder eine Sonate von Beethoven üben, dafür gibt´s weniger Kohle aber es lohnt sich. So klingt es ein Bisschen wie Justin Timberlake auf der Klarinette mit Playalong-CD (authentisch!): Peinlich
fag
@Evil_Waschbaer (« Jemand zuckt die Geige und covert, die Nation kauft und hält sich direkt für kulturell engagiert, begeistert oder bewandert. Garrett bietet Selbstbetrug für jeden, der neben Groenemeyer und Gaga auch von sich behaupten will, dass er auch Klassik hört. Zum Peer Gynt auf der Scheibe: Kamelot verwendeten das Thema in Forever auf ihrem Album Karma. Metallisch. Kleiner Tipp am Rande. »):
1) Ist das Schema nicht neu, nur eben jetzt variiert Garett das mit Rock (siehe Electronic und Vanessa Mae z.B.).
2) Denke ich nicht, dass der Garett-Hörer sich für kulturell bewandert hält. Ist eben Unterhaltung und wer da denn Weg zu Klassik findet, warum nicht? Bei mir war es damals besagte Vanessa-Mae.
3) Ist das "Peer Gynt" wohl von zig Bands im Metal in irgendeiner Weise interpretiert worden.
4) Höre ich Gaga, Grönemeyer und Garett *lol*
btw. hat das Album interessante Ansätze, nur verliert sich die Geige doch sehr oft oder gerät sogar ins Hintertreffen. Einige Cover sind dann auch nicht gerade eine Offenbarung, aber so zum Drüberhören ist es dann auch nicht verkehrt. Und wie oben schon gesagt wurde, ist das zwar gut gefidelt, aber irgendwo ergibt das keine stimmiges Gesamtkonzept bei den Songs. Da fehlt was - ja, so geht es mir auch. Ich habe das Gefühl, dass die Songs einfach nicht von Garett, sondern von einem Produzenten zusammengeschustert wurden. Die Geige und dann das außen herum irgendwie.