laut.de-Kritik

Samplekunst und feine Wortakrobatik.

Review von

Niemals weg und doch zurück: Frei von Streitereien und Missgunst entschieden sich Evidence, DJ Babu und Rakaa im Jahr 2006 dazu, vorerst keine Platte unter dem Namen Dilated Peoples aufzunehmen. Gemeinsame Projekte und Features auf den Solo-Alben der einzelnen Mitglieder bewahrten während der Schaffenspause aber weiterhin die künstlerische Verbindung innerhalb des Trios.

Dass "Directors Of Photography" also weniger ein wirkliches Comeback als vielmehr eine lange geplante Fortsetzung der Dilated-Geschichte ist, deutet Rakaa schon im Opener "Directors" konstruiert widersprüchlich an: "Dilated never left, I'd like to welcome us back."

Ob immer da, nie wirklich weg oder wieder zurück - Evidence und Rakaa nach acht Jahren gemeinsam zu den walzenden Drumrolls in "Directors" zu hören, ruft auf Anhieb wohlige Backpacker-Nostalgie hervor. Ähnlich Düsteres holt Evidence-Homie The Alchemist in "Cut My Teeth" aus seinem Repertoire. Die hämmernden Piano-Klänge dröhnen ebenso bedrohlich aus dem Soundsystem wie das stickige "The Dark Room", das mit dem ersten Feature Vince Staples aufwartet. Leider gibt der derzeit vielleicht angesagteste US-Rapper lediglich die Hook zum Besten.

Eine nicht minder dunkle Grundstimmung legt "Good As Gone" an den Tag. Die erste Single des Albums bestätigte bereits vor einigen Monaten eine erneute Zusammenkunft der drei Kalifornier, auch wenn manch einer nicht mehr damit gerechnet hatte: "I was getting buried alive / Heard the dirt hit the coffin top, I barely survived / But I broke through my grave ripped the pine box seal apart."

Die Ankündigung "DJ Premier on the beat, DJ Babu on the cut" löste selbstverständlich enorme Erwartungen aus, die Premo mit einem Beat, der auch von Gang Starrs "The Ownerz" stammen könnte, mindestens erfüllt.

Den tief wummernden Produktionen von Premier, Alchemist und meist Evidence selbst stehen allerdings einige deutlich melodischere Stücke gegenüber. Ein neues "This Way" oder "Worst Comes To Worst" wird das von Jake One produzierte "Show Me The Way" zwar nicht, die eingängige Boom-Bap-Nummer birgt mit der souligen Hook von Aloe Blacc trotzdem reichlich Hit-Potenzial und gehört zu den stärksten Tracks eines ohnehin sehr guten Albums.

Das Ende der prominent besetzten Produzentenriege ist damit aber noch längst nicht erreicht: D.I.T.C.-Member Diamond D liefert den perfekten Sound für das nachdenkliche Wechselspiel zwischen Evidence und Rakaa in "Let You Thoughts Fly Away": "So let your thoughts fly away / To a better place that was or will be / Why don't you fear death? You say life is trying to kill me."

Und wenn die etwas eintönigen "The Reversal" und "Opinions May Vary" drohen, dem Album seinen Hörfluss zu nehmen, drehen 9th Wonder und erneut Alchemist noch einmal auf und sorgen mit den von markanten Vocal-Samples untermalten "The Bigger Picture" und "L.A. River Drive" für einen wunderschönen Abschluss. Diese zurückhaltend melodischen Beats fangen die Stimmung der Texte wesentlich besser ein als noch die düster wummernden Ungetüme der ersten Tracks. Der Werdegang als Graffiti-Artist und Rapper, Anekdoten aus der Karriere und kleine Geschichten über das geliebte Kalifornien bestimmen die oft melancholischen Zeilen von Rakaa und Evidence. Auch 2014 gilt für die Dilated Peoples: Venice Beach statt Compton, aber dennoch "raised by N.W.A.".

Noch nie hat Evidence einen Hehl daraus gemacht, aus einem ruhigen Bezirk und einem guten Elternhaus zu stammen, statt in einem Brennpunkt in South Los Angeles aufgewachsen zu sein. Seine kleinen Storys entpuppen sich nichtsdestotrotz als gewohnt hörenswert. Vielleicht auch deshalb, weil ihn die Nähe zu den berüchtigten Vierteln mit ihren Gang-Kriegen und Polizei-Helikoptern ein Leben lang prägte: "Didn't grow up in the hood, adjacent / But close enough to hear the ghetto bird awaken" ("Trouble").

Insgesamt weisen die wie immer eindrucksvoll pointiert vorgetragenen Lyrics der beiden MCs eine deutlich persönlichere Note auf als noch zu "Neighborhood Watch"- oder "20/20"-Zeiten. Das Leitmotiv der Fotografie, das sich neben gesampeltem Kamera-Knipsen auch im Booklet wiederfindet, das in Form von Polaroid-Bildern daherkommt, trifft deshalb bestens zu.

Dass "Directors Of Photography" aber keineswegs nur aufgrund der aufwändig gestalteten CD in Erinnerung bleibt, liegt natürlich am überzeugenden Inhalt: Meist ausgezeichnete Beats hochkarätiger Produzenten, perfekt gesetzte DJ Babu-Cuts und über Jahre profilierte Rap-Skills vom "Weatherman" und Rakaa machen das fünfte Dilated-Album zu ihrem vielleicht besten.

Wenn also nach 16 Tracks und rund 56 Minuten das letzte Mal die Kamera knipst, sollte jedem klar sein: Man muss gar nicht wirklich weg gewesen sein, um imposant zurückzukehren.

Trackliste

  1. 1. Intro
  2. 2. Directors
  3. 3. Cut My Teeth
  4. 4. Defari Interlude
  5. 5. The Dark Room feat. Vince Staples
  6. 6. Good As Gone
  7. 7. Show Me The Way feat. Aloe Blacc
  8. 8. Figure It Out (Melvin's Theme)
  9. 9. Let Your Thoughts Fly Away
  10. 10. Century Of The Self feat. Catero
  11. 11. @mrevidence Interlude
  12. 12. The Reversal
  13. 13. Opinions May Vary feat. Gangrene
  14. 14. Trouble
  15. 15. L.A. River Drive feat. Sick Jacken
  16. 16. The Bigger Picture feat. Krondon

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