laut.de-Kritik

Zukunft schwarz.

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Aufreibende Wochen liegen hinter Disarstar. Nach den Hamas-Anschlägen vom 7. Oktober gerieten frühere antisemitische Textzeilen des Rappers in den Fokus des Boulevards. Der Hamburger Rapper habe "einst Juden den Tod" gewünscht und stehe auch sonst für "radikale Anti-System-Propaganda", hieß es da. Dieser ging daraufhin in die Offensive. Er schäme sich für die Songs "Roter Stern" und "Free World" aus seiner Jugendzeit und ärgere sich "zutiefst über die in ihnen getroffenen Aussagen". Mittlerweile habe er einen "politischen Reifeprozess" vollzogen.

Gegenüber der Bild ("#hetzblatt") zeigte er sich dennoch nachtragend und beschuldigte deren Berichterstattung, dass ihm die Sample-Freigabe von Mobys "Why Does My Heart", gedacht als "wesentlicher Bestandteil" für das Album "Overdose", im letzten Moment entzogen worden sei. Gut, ließe sich einwenden, denn die Moby-Mopserei grenzt an jene Kategorie, die Kollege Gölz in einer Doubletime-Kolumne einmal treffend "Hit per Geburtsrecht" taufte. Dennoch fährt Disarstar adäquaten Ersatz auf, indem er sich unverhohlen am schwärmerischen Dance-Pop "Wovon Sollen Wir Träumen" aus Frida Golds Debütalbum "Juwel" bedient.

"Wovon Sollen Wir Träumen (So Wie Wir Sind)" steht als besonders abschreckendes Beispiel für den eingeschlagenen Weg des Rappers, seine Botschaften so massentauglich wie möglich zu verpacken. Mithilfe des Gold-Imitats setzt er etwa seine pessimistische Weltsicht dem Lebensmut eines Peter Fox entgegen: "Zweifeln und suchen Sinn. Siehst du die Zukunft pink?" An heißen Sommertagen ravt er mit seinen Freunden im Hinterhof. Doch Augen geraten in Rotation, wenn er den hedonistischen Partysong "All Black" mit Botschaften anzureichern versucht: "Lieber Bierbank als V.I.P.-Rang."

Auch die übergeworfene "Regenjacke" entpuppt sich als Trojaner, um dank Hilfestellung der Jugglerz den Protest des Rappers in die Großraumdiskothek zu schleusen. "Die einen schlafen auf Beton, die anderen fragen nach der Suite. Und beide haben's nicht verdient", moniert Disarstar mit seiner fast emotionslosen Feierlichkeit. Linker Rap ist an sich eine feine Sache, aber ließen sich seine berechtigten Einwände nicht einen Hauch kreativer formulieren? Und gelingt es Kollegen wie Celo & Abdi nicht, die gleiche Aussage mit halb so vielen Worten origineller auf den Punkt zu bringen?

Je weiter er die Politik runterfährt, desto ehrlicher wirken seine Songs mit den Jugglerz. "Voll auf Euphorie und Suff" pumpt das "Adrenalin" durchs System, als strebe Disarstar eine Atzen-Mitgliedschaft an. Mit einer Prise "Insomnia" von Faithless treibt er mit Luvre47 Halligalli durch die Hamburger Nächte bis zur titelgebenden Überdosis ("Meine Stadt Schläft Nie"). Und "Dumm" führt Figuren ein, die dem Kokainkonsum frönen, was der Rapper erst missbilligt, dann entschuldigt ("OK, wir waren alle mal jung") und mit musikalisch zuckenden Synthies letztlich für gut zu befinden scheint.

"Hymne Über Liebe" ist sein spektakulärster Versuch, den Massengeschmack zu treffen. Offensichtlich wollte Disarstar ein über Bande gespieltes Kabinettstückchen à la "Der Letzte Song (Alles Wird Gut)" vorlegen, doch die Augenhöhe Kummers verfehlt er. "Ich hasse Love-Songs wie die Pest", beteuert er halbironisch, um sich sogleich in die Pose eines schmachtenden Pop-Sängers zu werfen. "Ich brauch' diesen Rap nicht, doch dieser Rap braucht mich", behauptet er einleitend in "Alles Nur Business". Bei aller Kühnheit, die er durchaus an den Tag legt, darf das bezweifelt werden.

Trackliste

  1. 1. Alles Nur Business
  2. 2. Regenjacke
  3. 3. Meine Stadt Schläft Nie (mit Luvre47)
  4. 4. All Black
  5. 5. Unendlichkeitsmomente
  6. 6. Wovon Sollen Wir Träumen (So Wie Wir Sind) (mit Frida Gold)
  7. 7. Adrenalin
  8. 8. Dumm
  9. 9. Wieder Von Vorn
  10. 10. Hymne Über Liebe

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