laut.de-Kritik
Bewährter Bombast, ungewohnte Melancholie.
Review von Kai ButterweckDie erste Single "The Vengeful One" braucht keine zwei Durchläufe, da war ich schon Feuer und Flamme. Endlich war sie wieder da, diese einzigartig groovende Präsenz der Anfangstage, die Disturbed auf dem letzten Album fehlte. Auch die zweite Auskopplung überzeugte mich. "Immortalized" reibt sich an altbekannten Mauern, übrig bleiben nur Schutt und Geröll, wenn die Herren Draiman, Donegan und Co. ihren zweiten Modern-Metal-Frühling einläuten. Großartig!
Die vierjährige Pause hat der Band hörbar gut getan. Disturbed beleben alte Proberaum-Vibes wieder, statt sich gegenseitig mal ein paar Files rüberzuschicken. Diese Herangehensweise lässt ihr Universum in neuem Glanz erstrahlen. Man spürt während der krachenden Songs, dass hier wieder eine Einheit zu Werke geht.
"Open Your Eyes" oder das zackige, mit dynamischen Aufs und Abs aufgepeppte "What Are You Waiting For" gehören sicherlich zum Besten, das die Band seit Jahren aufgenommen hat. Der von Kevin Churko (Ozzy Osbourne) maßgeschneiderte Sound, David Draimans unverwechselbare Stimme, sowie der bandtypische Groove-Metal-Mix lassen den zuletzt gesetzten, eher müffelnden Haufen namens "Asylum" schnell in Vergessenheit geraten.
Disturbed sind voll bei der Sache. Es gibt kein Konzept. Jeder Song steht für sich. So darf auch jeder Song seine eigene Geschichte erzählen. Am Ende hinterlassen aber nicht die muskelbepacktesten Anekdoten die größten Spuren: Umgeben von altbewährtem Bombast und epischem Gebolze muss sich der Großteil des Materials auf "Immortalized" in der Zielgeraden ungewohnt Melancholischem geschlagen geben.
Da wäre beispielsweise die Halbballade "The Light": ein Song, der im engeren Zirkel der eingefleischten "The Guy"-Kuttenträger auf viel Widerstand treffen wird. Da kommen plötzlich ganz andere Emotionen zum Vorschein. Mit honigsüßen Harmonien aus der Tupperdose und seichtem Geriffe aus der Rock-Radio-Schatulle präsentiert sich die Band von ihrer handzahmen Seite.
Geht gar nicht? Und wie das geht. Engstirnige Headbanger mögen mich verteufeln, aber ein geiler Song bleibt nun mal ein geiler Song. "The Light" ist einfach ein geiler Song. Ohne Berührungsängste schüttelt der Vierer eine in sich stimmige Melange aus hart und zart aus dem Ärmel, die man auch nach Stunden nicht aus dem Ohr bekommt.
Kurz vor Torschluss legen Disturbed mit der Neuinterpretation des Simon & Garfunkel-Gassenhauers "Sound Of Silence" sogar noch eine Schippe drauf. Während sich alle gängigen Instrumente in die Kaffeepause verabschieden, holt David Draiman in Begleitung Süßholz raspelnder Piano-Klänge zum großen Wurf aus. Wer hier keine Gänsehaut bekommt, der zieht sich wahrscheinlich schon vor dem Frühstück drei Folgen "The Walking Dead" rein. Großes Klangkino einer Band, die sich genau zum richtigen Zeitpunkt wieder aufgerappelt hat. Welcome back!
12 Kommentare mit 12 Antworten
Debüt hat gerockt, da Nische entdeckt und mit was Neuem ausgefüllt (Stakkato-Riffs und Gesang, dazu gute elektronische Klänge und eine kraftvolle klare Stimme). Believe hat schon etwas abgenommen, aber war noch brachial und dreckig. Danach haben sie sich zu sehr ausgeruht und wenig Innovatives gebracht. Also ich vermag keine Weiterentwicklung erkennen - ebenso wie auf diesem Album.
Ah doch. Vielleicht keine Weiterentwicklung im großen Stile, aber was sie auf jeden Fall geschafft haben, ist zum ersten Mal ein in ihrem Maß abwechslungsreiches Album einzuspielen. Definitiv kein schlechtes Comeback und meiner Meinung nach mit "Ten Thousand Fists" und ihrem Debüt das beste Album überhaupt von Disturbed.
Also ich find's ganz geil, besonders "The Light" und "Fire It Up". Bei letzterem smoken die wohl am Anfang an der Shisha und lachen sich einen ab. Zu geil. Hehe.
Mit dem Titel "Immortalized" wollen Disturbed scheinbar ihr knapp 20 jähriges Bestehen feiern?
Draiman ist mir in den letzten Jahren immer nur durch seine seltsamen Twitter-Fights voller Fälalsprache aufgefallen, in denen er oft über mehrere Monate Leuten nachstellt, die er für antisemitisch hält. Hier geht's jedoch um die Musik; nach The Sickness konnte man sich zumindest Teile der Alben immer ganz gut geben, auch wenn ich das nie öffentlich zugeben würde, da das Nu Metal-Stigma noch immer zu schwer auf ihnen lastet. Aber Immortalized werde ich trotzdem mal youtuben. Das kann ich mir nicht verkneifen.
naja das musst du nicht so eng sehen, Draiman ist Jude, der darf sowas eben.
Die pure Langeweile. Selbst die Songtitel verdienen einen Preis für Einfallslosigkeit.
disturbed fahren auf Evolution den Unheilig-Train