laut.de-Kritik

Drei Jahrzehnte leichte Unterhaltung.

Review von

Es gibt was zu feiern, DJ Bobo hat 30 Jahre Dancepop auf dem Buckel - unschwer abzulesen am etwas konstruierten Albumstitel: "Evolut30n". Andererseits hat der Jubilar einiges vorzuweisen, beispielsweise weit über 1.000 Konzerte und Millionen abgesetzter Platten. Dabei sind die Zutaten seines Erfolgsrezepts in all den Jahren dieselben geblieben: Dancefloor und gute Laune.

Dass der in den 90ern bekannt gewordene Eurodance-DJ und Tänzer nach wie vor Relevanz besitzt, liegt einerseits an einem mitgealterten Publikum, aber auch an seiner Anpassungsfähigkeit. Hört man einige der damaligen Hits an, fällt auf, dass sich Bobo gegen Ende besagten Jahrzehnts zunehmend Gesangslinien bis in den Refrain hinein zutraute, statt nur Strophen-Sprechgesang abzuliefern.

Dazu erweiterte der Schweizer sein stilistisches Repertoire: Eine Ballade wie "Lies" war plötzlich bester Take That-Pop. Für "Chihuahua" bediente er sich in den Nullerjahren am Mambo. Als Johnny Depp die "Fluch Der Karibik"-Welle lostrat, zog Bobo mit "Pirates Of Dance" nach. In jüngerer Zeit haftet seinen Tracks nun folgerichtig längst auch der Stallgeruch des in hiesigen Gefilden so beliebten Schlagers an.

So hinterlässt René Peter Baumann zuallererst den Eindruck eines Showmans, der sein Publikum bedingungslos unterhält und dabei professionell ans Werk geht. Aus dieser Perspektive kann man der Karriere des Schweizers Respekt zollen. Hört man genauer hin, scheiden sich aber die Geister: Musik fungiert eher als Teil eines größeren Entertainment-Ganzen. Denn mindestens genauso wichtig ist es, dass es knallbunt wie in einem Varietétheater knallt, Licht, Bühnendeko, man erlebt Tanzperformances, artistische Einlagen.

Welcher Four-to-the Floor-Beat dazu gestartet wird, welche Keyboardfanfare erklingt, welche Melodie sich im Refrain nach oben schraubt, während Bobo und Co. sich wild über die Bühne drehen, bleibt zweitranig - zu abgelenkt ist das Publikum vom Spektakel da oben. Nur konsequent tönt in dieser Hinsicht auch der Vorabtrack zum neuen Album: "Together We Fly" ist zwischen Tanzperformance, Zirkusshow und Großraumdisko angesiedelt.

"Better Days" macht dies besser - ebenfalls für den Dancefloor gestrickt, teilweise als Duett angelegt, dafür aber deutlich moderner produziert. Synthie-Hook und Synth-Bass von "Dance Dance Dance" verweisen auf die 80er, während "I Wanna Be With You" Bobos gute alte Zeit anklingen lässt, die 90er. "Love" und "You're Not Alone" bedienen das Genre der Popballade, wobei Letzteres in anderer Instrumentierung auch auf einem Album Paddy Kellys Platz finden würde. Das beschwingte "Splash" holt wieder das Schlagerpublikum ab.

Und keinesfalls darf man uns bleichgesichtigen Mitteleuropäer:innen bitteschön eine Auszeit im Sehnsuchtsort Karibik vorenthalten. Gemeint sind die Clave-basierten Poptunes "Daga Daga" und "Be My Angel" sowie der flotte Mambo "Crazy World". Am anderen Ende der Skala kommt "Look Into My Eyes" im Refrain dann tatsächlich als Rock mit leichter Metal-Schlagseite daher.

Unterm Strich bleibt der Schweizer seiner jüngeren Strategie treu: "Evolut30n" bietet eine Art Mainstreampop-Rundumschlag, die Texte in erster Linie Phrasen. Dazu singt der Protagonist meist, und das nicht mal schlecht. Lässt man die raumgreifend und harmoniesüchtig produzierte Platte insgesamt Revue passieren, landet man in einer Fantasiewelt irgendwo zwischen Michael Jackson-Vibe (die Promo bezeichnet Bobo als "King of Dance") und "Der König Der Löwen"-Setting. Wacht man dann nach gut 40 Minuten wieder auf, ist höchstwahrscheinlich Zeit fürs Bett. Denn morgen wartet auf uns Normalsterbliche ja wieder die Maloche.

Trackliste

  1. 1. Evolut30N
  2. 2. Better Days
  3. 3. Together We Fly
  4. 4. Love
  5. 5. Daga Daga
  6. 6. Crazy World
  7. 7. Dance Dance Dance
  8. 8. Look Into My Eyes
  9. 9. Splash
  10. 10. I Wanna Be With You
  11. 11. You're Not Alone
  12. 12. Be My Angel
  13. 13. Daga Daga (Bonus Edit)

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17 Kommentare mit 3 Antworten

  • Vor 2 Jahren

    Meh... Kann mich erinnern, dass er damals so ca. 1993 bei "seinem" ersten Hit "Somebody dance with me" von deutschen Qualitätsinvestigativmedien wie der Bravo dargestellt wurde als habe er "Somebody's watching me" von Rockwell aus 1984 während seiner gesamten vorangehenden Schweizer DJ-Karriere niemals bewusst gehört und alle Ähnlichkeiten zwischen den beiden Songs seien entsprechend rein zufälliger Natur, konvergente Kreativität oder so.

    Keine Ahnung, ob das von ihm selbst, seinem Management oder wirklich nur von ignoranten und bescheuerten Fanzines lanciert wurde, aber das habe ich ihm nie verziehen und werde das auch nicht mehr. Weil es so oder so erst offen als Cover kolportiert wurde als er sich schon längst mit seinem nachfolgenden, hörbar weniger inspirierten Kirmesbums in der öffentlichen Wahrnehmung deutschsprachiger Länder und den zugehörigen Media Control Charts der 90er festgezeckt hatte. :mad:

  • Vor 2 Jahren

    Bobo ist eine meiner Jugendsünden. Rauf und runter gehört. Sogar heute geh ich manchmal auf Zehenspitzen in den Keller und gib mir das. So ist das eben manchmal. Love is all around!