laut.de-Kritik
Der Wise Guy öffnet die Instrumentenkammer.
Review von Markus KilianUngewohnt ist es zunächst schon, Eddi Hünekes Stimme plötzlich vor bunter Akustikpop-Tapete zu hören, markierte der Bariton in den letzten 25 Jahren doch einen der Eckpfeiler beim deutschen A Capella-Aushängeschild Wise Guys. Nach deren Auflösung im Sommer 2017 legten die drei ehemaligen Schlaumeier Dän, Nils und Björn mit zwei Neuzugängen bereits einige Monate später als Alte Bekannte ihren Erstling vor. Edzard Hüneke dagegen hat scheinbar genug vom Vokalpop - auf seiner Debütplatte "Alles auf Anfang" arrangiert er nun nicht mehr wie gewohnt (nur) die Gesangsstimmen, sondern öffnet auch die Tür zur großen Instrumentenkammer.
Da der Löwenanteil aller Wise Guys-Stücke aus der Feder des Kapitäns Daniel Dickopf stammte, blieb nur wenig Platz für Hünekes Neuschöpfungen. Nun hieven seine eigenen, gut gelaunten Songs knapp eine Dreiviertelstunde auf die Uhr und schmücken dabei die Piano- oder Gitarrenbasis mit Merkmalen aus Funk, Blues, Jazz, Country oder Rock aus, ohne aber den Pop-Radius jemals zu verlassen.
Obwohl die Platte instrumentalen Abwechslungsreichtum genauso wie gesangliche Virtuosität zeigt, offenbart sie zugleich auch schonungslos, warum Eddi nicht schon bei den Wise Guys im Songwriting-Chefsessel saß: Zu sperrig fügen sich die Melodien in die Klangteppiche und zu bemüht formen sich die Texte. Zeilen wie "Komm lass uns was Verrücktes machen / wie im Cartoon, wenn alle lachen" ("Sansibar") lassen Leichtigkeit und Witz, wie man sie aus den Schlaumeier-Tagen kennt, schmerzlich vermissen. Vielmehr begleitet Hünekes warmes Timbre nun Silbermond-Literatur.
Während die Leadsingle "Alles auf Anfang" mit einfachem Piano und Mitsing-Chorus daherkommt, präsentiert "Das könnte euch so passen" im Mittel ein Saxophon-Solo aus den 80ern – als facettenreich erweist sich die Scheibe schnell. Auf den Spuren des Robbie Williams-Klassikers "Let Me Entertain You" wandelt Hüneke dann im bluesigen "Ich wünsch euch Glück", das sich jedoch abermals in textliche Einfachheit verstrickt: "Ich mache eine Reise und wünsche euch viel Glück / ich schick euch eine Karte, vielleicht komm ich nicht zurück", heißt es im recht kraftlosen Refrain.
Höhepunkt der Lyrics, die unbeschwert Alltagsthemen und (natürlich) den Aufbruch zu neuen Ufern thematisieren, bildet der verschmitzte Doppelreim von "Traubenbrause" auf "Daumenpause" über das verspielte Riff der Country-Gitarre. Dass der Funke insgesamt nicht so recht überspringt, verändert auch das überraschend rockige "Flüstern" nicht, vielmehr wirken die gedämpften Powerchords und Oh-oh-oh-Tiraden als recht gestelzte Hosen-Anlehnung. Genauso erinnert "Kein Bock auf Tanzen" im Bigbandsound und mit frechem Text nur mühsam und mit viel Fantasie an so Große wie Roger Cicero.
Die träumerische Schlussballade "Mit dir will ich fliegen" trällert der Bariton vor reduzierter Piano- und Streicherkulisse souverän, überquert dabei allerdings nicht nur einmal die Grenze zu Kitsch-Gefällen: "Mit dir will ich fallen in die Sonne hinein / was dann nicht verbrannt ist, wird unser Herz sein." Uff.
Auf seinem Debütalbum gestalten sich die ersten Schritte auf Solo-Pfaden für Hüneke etwas holprig: Fürs Radio bietet die Platte kaum einen wirklichen Ohrwurm und dient nur bedingt als Antidepressivum, kurzzeitig ist zwar alles so schön bunt hier, doch vokal und instrumental sind langfristig eben doch zwei Welten. Aber der gebürtige Londoner steht ja auch erst am Anfang.
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" Fürs Radio bietet die Platte kaum einen wirklichen Ohrwurm und dient nur bedingt als Antidepressivum, kurzzeitig ist zwar alles so schön bunt hier, doch vokal und instrumental sind langfristig eben doch zwei Welten. Aber der gebürtige Londoner steht ja auch erst am Anfang." - I see what you did there.