laut.de-Kritik
Glanzvolle Duette machen den Reiz dieser Platte aus.
Review von Philipp KauseRamazzotti wechselte von Universal zu Sony. Er nahm klammheimlich "eine wichtige Geschichte" dorthin mit, "Una Storia Importante". In der Label-Welt dieses Konzerns bewegt sich auch Alicia Keys. Sie stattet Eros in "L'Aurora ft. Alicia Keys" ihren Besuch ab. Diese Paarung wäre zwar Gelegenheit, ihrer Identität als Achtel-Italienerin zuliebe Italienisch zu singen. Statt dessen entschied sie sich für Spanisch. Das Ergebnis ist kein R'n'B, wie sonst bei ihr, sondern schmalziger Soft Rock. Da bleibt sich der Gastgeber treu. Doch das Lied ist für diese Genre-Kategorie ein wunderbarer Vertreter. In Bayern gibt es sonntagabends eine gebührenfinanzierte betuliche Radiosendung namens "Sanft und bsonders" (sic!), und schon wähnt man das Duett dort im Dauereinsatz, um das restlos durchgenudelte "Cose Della Vita" mit Tina Turner aus dem Jahre '93 zu ersetzen.
Die beiden Stimmen, Alicia und Eros, und die beiden Sprachen, Italienisch und Spanisch, ergänzen sich wirklich sehr gut. Dem Römer Megastar und Multiinstrumentalisten passt Alicias Español auch gut ins Konzept. Denn mit Lali Espósito aus Argentinien und Carín León aus Mexiko heuerte er weitere Spanisch singende Gäste an und stimmt sogar in deren Muttersprache ein. Exakt dieser Gesichtspunkt, die Stimmigkeit der Duette, macht übrigens den ganzen Reiz der Platte aus.
Die Schattenseite: Entweder verließ ihn für die Nummern ohne Feature-Persönlichkeiten die Lust, vielleicht weil er da keine Berufskolleg:innen beeindrucken konnte. Oder er fand diese Titel selbst so schwach, dass er sie niemandem zumuten konnte. Oder andere, denen sie angeboten wurden, erlebten sie als genauso 08/15, wie es uns damit ergeht: "Stupide Parole Romantiche" versumpft in stupidem Drum-Programming. "Solo Insieme A Te" wirkt vollkommen ausdruckslos. "Domani" hat man nach Sekunden dem Hör-Durchlauf gleich wieder vergessen.
"Festa" hört sich an wie das Worst Of der plakativsten Stampf-Beat-ESC-Beiträge verschiedener süd- und osteuropäischer Länder. "5 Secondi" ballt Langeweile. Nach fünf Sekunden hat man alles Wesentliche gehört. Beim Videoclip zu "Il Mio Giorno Preferito" mag man sich beim Ballett-Spagat einer Tänzerin zwischen zwei auseinander stehenden Hotelbetten schon mal kurz die Augen reiben. Der Hookline-getriebene Pop-Rock macht in Kombination mit dem insgesamt recht touristischen Visualizer den Eindruck, dass er wie eine Bewerbung dafür gestaltet ist, um für einen ebenso klischeehaften Werbespot lizensiert werden zu wollen. Das Problem dieses Albums ist also seine fade Hälfte mit blutleeren Tunes, die wie in Legebatterie-Büros konzipiert klingen, in denen am Fließband Auftragslieder entstehen. Schade.
Denn im Unterschied zu sonst hat der abgebrochene Buchhalter und ehemalige Hobby-Fußballer ja jene eine wichtige Geschichte auf Lager, "Una Storia Importante". Diese Story handelt nicht etwa davon, dass er seit seinem letzten Album Opa geworden ist, was autobiographisch zuträfe, sondern - ihr ahnt es wahrscheinlich - der Gute trällert davon, dass seine Liebe ewig währe. Hm. Soll man so 'unfair' sein und erwähnen, dass seit der letzten CD auch wieder einmal eine private Liaison in die Brüche ging? Ja. Wie übrigens auch schon zwei Kurzzeit-Ehen. (Die eine war mit Michelle Hunziker, die demzufolge nun Oma ist.)
Wie 'importante' mag diese Storia also sein, wenn der Künstler das Gegenteil lebt? Das ist ein unfaires Kriterium. Doch ein Artist sollte sich entscheiden, ob er für Schlager eintritt und Kokolores sülzt oder ob er dauernd mit einem Songwriter-Bein in der Rockmusik tanzt. Dann würde man erwarten, dass er halbwegs realistisch auf sich selber blickt. Vielleicht hat sein Feature-Gast Ultimo mehr Glück. Er ist einer von Italiens Spitzen-Stars unter 30 und trägt die Mär von der ewigen Liebe in "Un'Emozione Per Sempre ft. Ultimo" vor. Kürzlich wurde er Papa. Er trat die Geburt des 'figlio' mit seiner Freundin Jacqueline Luna auf Instagram breit. Wie am Stiefel seit über 70 Jahren üblich, ging auch dieser Sänger aus dem San Remo-Festival-Wettbewerb hervor, wie schon Eros selbst. Ach ja, natürlich: "Una Storia Importante" hieß bereits Eros' erste Nummer Eins in den italienischen Charts - 1985, mit Premiere in San Remo. Wundert euch bitte nicht, wenn Amazon unterhalb des Reviews genau diesen gleichnamigen alten Schinken verkaufen möchte - der Sänger hat sich hier in nostalgischer Besinnung seiner Jugend eine Verwechslungsgefahr eingehandelt.
Ebenso legte Ultimo nach seinem Erfolg bei dem berühmten Newcomer-Gipfel eine steile Karriere im Land hin. Bei Eros bringt er sich nun in eine echt hübsche Gitarren-Nummer ein. Zumal Ultimo die Social Media effektiv bespielt, kann Ramazzotti in seinem 45. Berufsjahr vielleicht durch ihn auf jüngere Gefolgschaft hoffen. Ultimo sagt man nach, er könne auch rappen.
Wer in den '90ern schon Singen und Rappen in italienischer Sprache geschickt zusammen zu löten wusste, ist Lorenzo Jovanotti (der selbst am 21. November mit einem neuen und ziemlich coolen Session-Album aufwartete). Mit dem Mister 'Seranata Rap' an Eros' Seite kann nichts schief gehen, so dass sich "La Mia Strada ft. Jovanotti" als überaus entspanntes Urban-Jam-Vergnügen heraus stellt. Den Chorus-Text "ba-da-dam-dam" kann man nach kurzer Zeit mitsingen. Versprochen.
Auch die Neuauflage des 1990er Classics "Se Bastasse Una Canzone ft. Andrea Bocelli" erweist sich als sichere Bank und lebt mit glühender E-Gitarre neu auf. Ramazzotti entdeckt die Nannini in sich. Ob sich der erblindete Tenor Bocelli seinen Jazz-Kollegen Paolo Conte zum Vorbild nahm, ist nicht überliefert, jedenfalls arbeitete auch Bocelli erst als Rechtsanwalt. Andrea Bocelli, obwohl er älter ist als Ramazzotti, hatte erst zehn Jahre später seinen Durchbruch. Natürlich in San Remo. Bei uns wurde er mit "It's Time To Say Goodbye" bekannt, und immer mal wieder taucht er an der Seite internationaler Pop-Acts auf, zuletzt Ellie Goulding oder Ed Sheeran. Anders als es bei solchen Paarungen sonst passiert, geht es dieses Mal nicht darum, sich einen Symphonie- und Klassik-Anstrich zu verleihen, sondern es entsteht eine kantige Rock-Version mit einem Opernsänger. Diese Kombination poliert den uralten Hit auf zu frischem Glanz. Erfreulich.
Bezaubernd klingt es, wie die junge Kollegin Lali aus Buenos Aires mit fester Stimme dem Frauenschwarm Ramazzotti begegnet und wie diese Art, in der sie phrasiert, auch ihre Stimmfarbe, signalisieren, dass sie die starke Schulter zum Anlehnen bietet: "Fuego En El Fuego ft. Lali". Die 34-jährige Lali Espósito ist eine singende Schauspielerin, die durch eine Telenovela, in der Tanz und Musik eine große Rolle spielten, Teil der Band Teen Angels wurde. Nach vier Alben mit ihnen und dem Ende der Soap nutzte sie ihren Bekanntheitsgrad für sechs Solo-Alben, und jetzt dient sie dem Italo-Weltstar als Brücke in den argentinischen Markt, auf dem er alle drei bis vier Jahre mal ein, zwei Konzerte gibt. Alle anderen Stücke von "Una Storia Importante" erscheinen übrigens auch von Eros auf Spanisch gesungen in einer jeweiligen weiteren Version namens "Una Historia Importante" - ein Buchstabe mehr.
Ebenso wie mit der Argentinierin harmoniert Eros im mexikanischen Kontext mit Akkordeon ("Otra Como Tú ft. Carín León") sowie im Trip Hop-verwandten "Buona Stella ft. Elisa" und mit der römischen Kollegin Giorgia Todrani in "Quanto Amore Sei ft. Giorgia". Es hätte schon völlig gereicht, die Duett-Tracks in beiden Sprachen anzubieten und es dabei zu belassen. So wie das Album jetzt ausschaut, muss man ganz schön sortieren, um die offensichtlichen Füll-Nummern zu umschiffen.


2 Kommentare mit einer Antwort
raw data feel ist echt ein gutes album danke dass ihr mich ongeputtet habt leute
Natürlich besser als die fade Daniel Caesar Platte.