laut.de-Kritik
Aktuelle Satire und alte Hits.
Review von Philipp KauseEine Farewell-Tournee mit 92 Abenden, die sich anfühlen wie "1000 Jahre EAV Live - Der Abschied", geht zu Ende. Und eine beispiellose Austropop-Karriere mit Hits wie "An Der Copacabana", "Küss' Die Hand, Schöne Frau", "Geld Oder Leben" und "Burli". Die Erste Allgemeine Verunsicherung dankt ab: Vorliegender Mitschnitt beinhaltet den gesamten Abend des 14. September 2019 in der Wiener Stadthalle.
Trotz Medleys oder ab und an zwei Songs hintereinander nehmen die Zwischenansagen dabei überbreiten Raum ein: Die EAV kombiniert Konzert und Kabarett. Die durchaus vorhersehbare Witzpalette beginnt gut geölt mit Donald Trumps und 'Borexits' Johnsons Frisur. Das Repertoire reicht vom eigenen Ende der Band über Fitness-Tracking bis hin zur Partnersuche im Internet und ein paar harmlosen Gender-Klischees.
Wortreich arbeitet sich Conférencier Klaus Eberhartinger entlang dieser Must-Have-Themen ab. Trocken erfüllt er (s)eine Pflicht, fast schon spult er herunter. Und das kann er: flüssig große Textmengen vortragen - ein bisschen so wie Olaf Scholz. Zum Hinhören verleitet dies aber nur zeitweise.
Die Soundqualität lässt ebenfalls zu wünschen übrig. Klapprig, clean und ohne Raumtiefe verstreichen die 172 Minuten, die zwar dokumentarische Vollständigkeit bieten, aber kein gutes Mastering. Hat man zufällig noch die Vinyl-45 von "Ba-Ba-Banküberfall" (1985) zur Hand, die jeden Hund blitzschnell zwischen den Lautsprechern auf und ab springen lässt, wenn Gebell den Song eröffnet und der Bass brummt - dagegen hört sich der Wachhund auf der Abschiedstour ein Plastikimitat an. Live klingt die EAV durchaus störungsfrei, aber auch sehr digital. Phasenweise klingt das Schlagzeug wie ein über Kopfsteinpflaster gezogener Trolley.
Mit amerikanischem Akzent und Country-Twang veralbert "God Bless America" größenwahnsinnige Vorstellungen manches US-Amerikaners und gipfelt in einem Feuerwerksknall. Der Song nimmt in erster Linie Bezug auf Trump, den "Mauerbauer von Mexiko", war aber bereits 2004 über George W. Bush getextet. Witze über andere Länder und das Wiederkäuen von Stereotypen gehören zur DNA etlicher EAV-Songs. Zu den Parodien auf ferne Regionen zählen "Fata Morgana" über arabische Wüsten, mehrere Asien-Witze (u.a. in "Samurai") und die Mafia-Persiflage "Heiße Nächte in Palermo".
Sowohl Lyrik als auch Musik bleiben auch heute noch und selbst in der zähen, soundtechnisch flachen Darbietung über weite Strecken unkaputtbar. Die EAV hinterlässt an Substantiellem etwa die überragend schöne Ballade "Am Rechten Ort" mit verträumtem Gitarrensolo. Marschrhythmus und Bebop wechseln sich im Medley "Das Wandern / Toleranz" ab, während inhaltlich auf die scheinbare Naivität des Alltagsrassismus angespielt wird.
Das leidenschaftliche Saxophon-Solo Franz Kreimers in "Der Tod" reißt das Publikum zu einem Begeisterungssturm hin. Die Hookline fährt allerfeinste, makabre Zeilen auf: "Grüß Gott, i bin der Tod /Vorbei is deine Not / Komm, Gebruder komm / Bring ma schnell an Jagatee / Aber mit viel Rum."
Der Sarkasmus der ersten EAV-Alben zeichnete ein präzises, unnachahmliches Bild des Lebensgefühls der 80er bis frühen 90er Jahre: "Schwarzeneggers Hirn und von Einstein die Figur (...) / An der Copacabana und am Wörther See / starke Männer sind nie passé" ("300 PS / An Der Copacabana"). "Herr Anton hat ein Häuschen und einen Gartenzwerg / und davor, da steht ein Kernkraftwerk / Da gab es eines Tages eine kleine Havarie / Die Tomaten war'n so groß wie nie" - aus "Burli", dem vom Bayerischen Rundfunk verbotenen Song.
Als Satiriker (vermeintlich) Verbotenes zu schreiben, gelang der EAV gleich mehrmals: "Wann Ma' Geh'n Muss" löste eine Klageandrohung und "S'Muaterl" einen weiteren Boykott aus. Zum Abschied herzt übrigens dieser Tage ausgerechnet der BR die Band und schlachtet sie für Studiobesuche aus.
Textzeilen wie "Selig sei der Samen / Verflucht sei das Kondom" traute sich jedenfalls nur die EAV ("Teufel-Medley"). Dass sie auch 1991 noch aus der Mode gekommenes Synthie-Rock-Sounddesign in Foreigner-Stil auspackte ("Neandertal"), mag ihr im Laufe der Jahre nicht geschadet haben, und gerade dieser Song bekommt hier zumindest ein textliches Update, bezieht er doch das Phänomen Social Media ein.
"Einäscherungsparty" nennt die Verunsicherung ihren finalen Livemitschnitt. Die Energie für ein Comeback würde man ihnen schon zutrauen, die Einäscherung der EU formulieren sie jedenfalls schon sehr direkt: "Winkt dir ein Vorteil / dann greif zu / denkt sich so manches Mitglied der EU / Doch wenn es ums Asylrecht geht / ist's vorbei mit der Solidarität / Das ist der Trick der Politik / (...) notfalls tritt man schnell zurück / und wird das / was man längst ist / ein Wirtschaftslobbyist".
2 Kommentare mit einer Antwort
Einer der Hauptgründe warum ich die EAV live nicht mag sind die Medleys und abgeänderte Textpassagen. Ich will die Lieder live in voller Länge und mit original Text hören!
Verständlich! Das Konzept kommt jedenfalls gut an, ohne ihre Live-Alben wären sie evtl längst vergessen....
Dieser Kommentar wurde vor 5 Jahren durch den Autor entfernt.