laut.de-Kritik
Pop-Wave-Raketen in perfektem Falsett
Review von Jasmin LützEs passiert ja leider nicht mehr so oft, dass ein neues Album einen sofort umhaut. Dann hört man die erste Singleauskopplung von Everything Everything, in diesem Fall "Can't Do", und flippt total aus. Die Dynamik steuert das Gehör und führt zu mehreren emotionalen Schweißausbrüchen. Tasten, Saiten und Stimme voll unter Strom. Eine explosive Mischung, und wir sind erst beim ersten Stück aus "A Fever Dream", dem vierten Album der Band aus Manchester.
Zu diesem tanzbaren Sound steppt nicht nur der Bär. "Can't Do" ist jetzt schon der Super-Hit in Rotation. Die Engländer fordern aber nicht nur zum Tanz auf, sie beobachten dabei auch das Weltgeschehen und den Wahnsinn, der die Medien beherrscht. Keiner ist normal. Keiner weiß, was normal eigentlich ist. Der Refrain "Help me! I can't do the thing you want. Can't do the thing you want ..." brennt sich sofort ins Gedächtnis.
Die rockenden Gitarren und wirren Elektro-Beats verfolgen einen schon seit ihrem Debüt "Man Alive" und lassen einen nicht so schnell los. Im kleinen Club bereits 2010 abgefeiert, und die Freude auf jedes neue Album steigerte sich in grenzenlose Euphorie. Zuletzt funktionierte dieser süchtig machende Sound-Bastard aus Synthiepop, Post-Punk, Indie-Fetz und Elektro auf der hochgelobten Platte "Get To Heaven".
Skeptiker, die immer wat zu kamellen haben, störten sich schon zu Beginn an der Kopfstimme von Frontsänger Jonathan Higgs. Aber genau diese hochgestellten Oktaven braucht jeder einzelne Track. Dazu passen sich die anderen Bandmitglieder - Alex Robertshaw (Gitarre), Jeremy Pritchard (Bass) und Michael Spearman (Schlagzeug) - stimmlich harmonisch an. Das klappt hervorragend beim triumphalen Opener "Night Of The Long Knives". Higgs befördert dabei häufiger seinen Gesang in die höchsten Tonlagen.
Produziert hat das Album James Ford (Arctic Monkeys, Foals, Depeche Mode). Die Mischung stimmt, das englische Quintett beruft sich auf mehrere Musikrichtungen. Da kann an einer Stelle die Stromgitarre dominieren ("Run The Numbers"), an der nächsten der schmissige Dance-Groove und funky Pop-Beat ("Good Shot Good Soldier"). Die Kunst liegt darin, aus sehr viel Können, Wahrnehmung und Inspiration dieses schmetternde Song-Erlebnis zusammenzustellen. Band und Produzent schwingen da absolut im Einklang.
Auch bei der Liebe zum Harmonie-Gesang sind sich alle einig. Alle Ton-Nuancen der Jungs passen zusammen, genauso ihre individuellen Soundkreationen, die ihnen in Vergangenheit auch gerne Vergleiche mit den Dirty Projectors bescherten. Solche Parallelenzieherei nervt zwar, aber bei "Desire" denkt man automatisch an die englischen Kollegen Muse. Sänger und Gitarrist Matthew Bellamy treibt seine Songs ebenfalls in sehr hohen Stimmlagen zum vokalen Höhepunkt. Hier blasen Everything Everything einem alles um die Ohren, diese Pop-Wave-Rakete im perfekten Falsett wäre schon in den 80ern in der Hitparade gelandet.
Die Sound-Dröhnung lässt mit "Big Game" zunächst nach. Es bleibt kurz Zeit zum Durchatmen, bevor "Run The Numbers" dich mit einer fetten Rock-Gitarren-Bass-Einheit wachrüttelt. Der Titeltrack "A Fever Dream" beginnt langsam. Hier stehen zunächst vor allem die Melancholie von Jonathans Stimme und das Piano im Vordergrund: "I hate the neighbours, they hate me too / Fear and fury make me feel good." Die dramatische Wendung nimmt ihren Lauf, am Ende steigert sich die Melodie zur dancy House-Manie.
Zwar gab es auf "Get To Heaven" noch mehr königliche Hymnen-Momente, dennoch legen die Mancunians mit "A Fever Dream" ordentlich Tempo hin. Diese Energie kann eigentlich nur noch das Live-Erlebnis toppen.
5 Kommentare mit 6 Antworten
Vorab, ich finde alle vier EE Alben hervorragend und verfolge die Band seit langem mit viel Hingabe. Get to Heaven landet bei mir allerdings an hinterster Stelle, auch wenn es hier bei laut.de am besten wegkommt. Meine Alben-Reihenfolge: Arc / Man Alive / A Fever Dream / Get to Heaven. Ich hoffe zum neuen Album kommt auch wieder eine Special Edition mit Remixen und B-Seiten raus. Live definitv fantasitsch, da kann ich der Rezensentin nur zustimmen...
In der Reihenfolge seh ich die Alben genau so
Jedesmal wenn die Jungs ne neue Platte rausknallen bomben die alles weg was ich das ganze Jahr über gehört habe. Kunst in reinform in der heutigen Zeit . Aber ich verstehe schon wenn viele die Band wegen dem Gesang verachten
EE haben bereits zwei hervorragend gealterte (und eine nicht ganz so gute) Platten bei mir im Schrank und darüber hinaus mit "Torso of the week" einen schweren Anker im "Soundtrack of my life", schicken sich aber mit der aktuellen Scheibe erneut an, in meinem Herzen zu expandieren.
Eines der stimmigsten Bandkonzepte der aktuellen Dekade, auch im Vorwurf der "Mittelmäßigkeit" zur vergangenen und der neuen Platte immer noch mitreißender als viel anderes Modernes mit "Indie"-Einschlag und (Rock)Bandbesetzung.
Ganz nette Musik, wie auf jeder Platte von ihnen. Der letzte Funken zur Begeisterung will bei mir aber erneut nicht überspringen
geht mir ähnlich. habe das letzte album gefeiert. 2 wochen.
ja, genau so
Das hier hab ich gehört, gelacht und weg gepackt...Halbwertzeit eines Einlaufs, sorry war so! Diese Woche kommt kein Album an Wilson vorbei, auch das ist Fakt!
Halbwertszeit, Du Amöbe.
http://www.duden.de/rechtschreibung/Halbwe…
, du, du, du!
Top Album, für mich aber ist Man Alive einfach das Album.