laut.de-Kritik
Scooter, Stefan Remmler und Blixa Bargeld preisen diese Legende.
Review von Hardy FunkDas wurde auch Zeit: Die zu unrecht vergessenen Elektronik-Pioniere Fraktus bekommen mit einem Best-Of-Album und einer ausführlichen Dokumentation endlich die Aufmerksamkeit, die ihnen gebührt. Zu hoffen bleibt, dass es nun nicht mehr nur bei einem kleinen Kreis von Dabeigewesenen klingelt, wenn die Rede ist vom "Missing Link zwischen Krautrock und der NDW", wie Westbam die Band ganz richtig umschreibt.
Auf diese Art könnte die Rezension fortfahren, wären Fraktus nicht das geistige Kind des Dada-Trios Studio Braun. Als solches verzapfen Jacques Palminger, Rocko Schamoni und Heinz Strunk verlässlich den irrsten Klamauk dieses Landes.
Die gefälschte Doku "FRAKTUS - Das letzte Kapitel der Musikgeschichte", entstanden unter der Regie von Lars Jessen, war den dreien eine Herzensangelegenheit. Das merkt man allein an den vielen O-Tönen, die sie für den Film auftrieben: Große Namen von Scooter und Marusha bis Stefan Remmler und Blixa Bargeld bürgen für die Bedeutung der vermeintlichen Erfinder des Techno.
Zur wahrscheinlich besten Mockumentary seit "Spinal Tap" nahmen Studio Braun kurzerhand ein ganzes Album auf. Das atmet derart den Zeitgeist der frühen 1980er, dass Fraktus problemlos als das von Westbam genannte Missing Link durchgehen könnten. Tatsächlich verschmilzt die Musik, die übrigens zum Großteil Carsten "Erobique" Meyer bastelte, Krautrock und NDW, darüber hinaus auch Punk, EBM und Techno.
In "Affe Sucht Liebe" trägt die wie ein gedämpfter Dieselmotor tuckernde Bassline genauso zu diesem Amalgam bei wie der krude Text. "Affe sucht Freunde / Affe in Not / Affe sucht Menschen / Sonst geht Affe tot", skandiert Schamoni alias Dirk Eberhard "Dickie" Schubert da zum Beispiel. Das ein- und herausleitende "Oh Oh Oeeoh!" kontextualisiert die Musik weiter, genau wie das Drum-Brake, das sich, so die Fiktion, später New Order für "Blue Monday" klauen sollten.
Stumpfe, an C64-Spiele erinnernde Synthies und glasklare, wiederum an Kraftwerk gemahnende Flächen tragen den Großteil der Platte. Ansonsten gilt: alles rau und zackig hier, von "Mann" bis "Untergrund". Das komplette Gegenteil also zu den filigranen, weichen, verhuschten und verwaschenen Sounds, mit denen man in dreißig Jahren vielleicht einmal dieses Jahrzehnt nachäffen wird.
Die Texte dazu: so mutwillig ausgefallen und klobig wie die Frisuren der drei jungen Fraktus auf dem Album-Cover. Auch das: zeittypisch. Der Text von "Supergau" etwa kommt nicht viel holzschnittartiger rüber als der des Abwärts-Hits "Computerstaat": "Geschlossene Gesellschaft / Keiner kommt rein / Geschlossene Gesellschaft / Keiner kommt raus." Auch hier hat übrigens wieder wer 'geklaut': Westbam für seinen Hit "Sonic Empire". Ein Dauerschmunzeln kann man sich beim Anhören der Platte nicht verkneifen.
Abseits von allem Scherz zeigen Fraktus aber, wie experimentierfreudig Musik einst war. Da werden Haushalts- und Industriegegenstände zu Musik-Instrumenten umfunktioniert, Alltagsgeräusche eingebaut oder mit Synthies nachgespielt wie in "Kleidersammlung". Ideenreichtum und Dilettantismus geben sich wie in den frühen 1980ern auch bei Fraktus die Klinke in die Hand.
"All Die Armen Menschen" zeugt außerdem von der simplen Gesellschaftskritik, die angesichts der klar auszumachenden Feinde damals noch möglich schien: Auf eine Aufzählung kleiner und glanzloser Städte à la "Gütersloh, Paderborn, Wuppertal, Oldenburg" folgt die naiv-zivilisationskritische Frage: "Warum tun die das? / Warum sind die da? / All die armen Menschen!" "Bombenalarm" schließlich zeigt, sozusagen modellhaft, wie schnell sperrige Soundexperimente sich zu einprägsamen Werbejingles bekannter Telekommunikationskonzerne mausern.
Mit Fraktus gelingt den Herren Braun ohne Frage eine grandiose Persiflage auf das Pop-Business. Die dazugehörige Fake-Best-Of "Millennium Edition" nimmt die 1980er aber nicht nur auf die Schippe, sondern durchaus auch ernst. Die einwandfrei nachgemachte 80er-Jahre-Stilmischung mag einigen einen Tick zu nerdig oder anstrengend vorkommen. Den Film sollte sich aber niemand entgehen lassen. "Für mich waren Fraktus immer die Größten", schwärmt schließlich Stefan Remmler.
17 Kommentare
fesch
legendär
Meilenstein!
Ich find das peinlich, das Leute hier versuchen, das als 'Hipsterscheiße' abzustempeln! Das zeigt doch nur, das diese großartigen Soundpioniere bis heute völlig misverstanden werden...
Nee echt, lest wenigstens nochmal den Text wenn ihr schon nicht ins Kino geht... das ist Studio Braun, ihr Penner! Strunk, Schamoni und Palminger sind alles andere als Hipsterscheiße. Verdammte Trolls hier.
ach souli der ganze begriff ist doch der verwendung nach schon ein armutszeugnis...."hipstermucke" und "bauwagenmusik" sind doch paradebeispiele für wortschöpfungen, die fast nie mit lesenswerten postings einhergehen.....
@soulburn (« Ich find das peinlich, das Leute hier versuchen, das als 'Hipsterscheiße' abzustempeln! Das zeigt doch nur, das diese großartigen Soundpioniere bis heute völlig misverstanden werden...
Nee echt, lest wenigstens nochmal den Text wenn ihr schon nicht ins Kino geht... das ist Studio Braun, ihr Penner! Strunk, Schamoni und Palminger sind alles andere als Hipsterscheiße. Verdammte Trolls hier. »):
Tach Hr. Soulburn, wie geht's?
Findet man dich eigtl. irgendwo regelmäßig nach Deinem FB-Abschied?
@dba
Also nach der Meinung einzelner sind demnach Studio Braun "absolute Hipsterscheiße"...?! Muss ich jetzt eigtl. meine Heinz-Stunk-Bücher verbrennen um gesellschaftlich wieder akzeptiert zu werden?!?
"Bauwagenmusik" ist mir übrigens neu, wo lies man denn sowas?