laut.de-Kritik
Derbheit bis zur Ekelschwelle und knallharter Aggrotech.
Review von Ulf KubankeDie "13" gilt als Unglückszahl. "Code Of Conduct" ist nicht nur das deizehnte Studioalbum aus dem Hause Funker Vogt. Es wird auch den Verlauf der weiteren Bandgeschichte unweigerlich prägen. Denn die Vorgeschichte ist recht bizarr.
Als Jens Kästel Ende 2013 die Band verließ, wurde es turbulent. Ein neuer Sänger musste her. Sascha Korn erwes sich aufgrund vielfach kritisierter Nähe zur extremen Rechten plus indiskutabler Relativierung des Breivik-Massenmords als erheblicher Imageschaden. Entsprechend kurz war sein Gastspiel.
Mittlerweile wurde Neuzugang Chris L (Agonize, Dance Or Die) fest ins Line-Up integriert. Die Feuertaufe "Code Of Conduct" verspricht auf dem Papier durchaus Spannung. Bei den Grobmotorikern Agonize zeigte Mister L keinerlei Berührungsängste mit Derbheit, Ekelschwelle und knallhartem Aggrotech. Wie mag sich dieser Einfluss auf den ebenfalls nicht gerade zimperlichen Vogt-Sound auswirken?
Die Antwort lautet: Auf den ersten Blick recht gut. Sobald man den Phantomschmerz nachhallender Kästel-Vocals überwindet, fällt die Umstellung nicht so schwer. Der szenetypisch auf evil getrimmte, verzerrte Stil samt gelegentlichem Geröchel geht handwerklich durchaus klar. Die Chemie stimmt.
Das ist allerdings auch das einzig Positive, was man dem Album bescheinigen kann. Von Anfang bis Ende mangelt es den Songs an Ideen, Eigenständigkeit und vor allem an zupackenden Melodien. Obgleich Funker Vogt bereits seit über 20 Jahren im EBM-Zirkus mitrudern und längst zur Szenespitze gehören, erinnert fast alles an die wirklichen Ur-Ikonen der dunklen Elektroszene. "Musik ist Krieg!" "Tanzbefehl" etwa ist kaum mehr als ein Aufguss gängiger DAF-ismen und stolpert spätestens mit dem klebrigen Kirmes-Keyboard über die eigenen Stiefel.
Munter gehen Funker Vogt den Pfad der eklektischen Kopie weiter. "Phönix" ist kaum mehr als musikalisch geklonter Wumpscut anno "Ich Will Dich" minus Rudys melodischen Fähigkeiten. Der selbstmitleidige Text Marke Leberwurst-Lone-Ranger ("Ein Leben lang werden wir nur angeklagt") dürfte besonders bei Onkelz-, Naidoo- und anderer Aluhut-Klientel funktionieren.
"Kampfbereit" ist nicht etwa ein Cover des gleichnamigen Front 242-Stückes und kann letzterem auch keine Sekunde lang das Wasser reichen. Mit audiophober Konsequenz mischen sie übelsten Autoscooter-Sound von vorgestern mit martialischem Gesang. "Sei kampfbereit, wenn der Hammer fällt!" Fertig ist der mieseste Futurepop seit dem letzten Blutengel-Erguss.
"Wahre Helden" startet als tanzbare Kriegskritik und landet als Bettvorleger. Neben dem inspirationsfreien 08/15-Arrangements stellen besonders die stellenweise als Witt für ganz Arme angelegten Vocals ein kreatives Armutszeugnis aus. Das hat Onkel Joachim nicht verdient. Die Hörer auch nicht.
Alle Tracks klingen, als hätten sie bereits in den 90ern das Licht der Welt erblickt. Sicherlich muss nicht jede Platte einen Innovationspreis erhalten, und bei Kombos wie Motörhead oder AC/DC geht die Unveränderlichkeit der Kennzeichen immerhin als Stilmittel durch. Doch in Verbindung mit diesen melodischen Nullnummern ist das nicht mehr lediglich traditionell, sondern nur noch belanglose Stagnation. Leider goutieren große Teile der Szene genau diese Eigenschaft.
Spätestens beim untauglichen Versuch, mit "Deutsch Bleibt Deutsch" typisch teutonische Tugenden durch den Kakao zu ziehen, ist die Grenze des Ertragbaren erreicht. Der womöglich nervigste Kasperle-Technobeat des Jahres vermählt sich mit teppichflachen und ebenso stereotypen Prollzeilen wie "Schnell wird das gehasst, was nicht ins Schema passt./Jetzt wird es angepackt, sonst hast du verkackt." Nein, der einzige, der es verkackt, ist dieser "Code Of Conduct".
5 Kommentare mit 7 Antworten
"Funker" Vogt klingt wie der Titel eines Toni L Comebacks
Funker Vogt war ursprünglich nur als Funprojekt angelegt. Wie so etwas Grottiges so lange bestehen kann, ist mir auch ein Rätsel. Die Scooter des EBM.
Lieber Herr Kubanke, suche doch nicht immer solche Knallerbsenproduktionen aus dem EBM/Electro-Bereich heraus. Wie wäre es mal mit anspruchsvolleren Projekten wie z.B. Ah Cama-Sotz oder Die Selektion?
da ich ja kein talentscout bin und rezimäßig extrem breit aufgestellt, ist es mir leider nicht immer möglich, jenseits der relevanten üblichen verdächtigen jede szene mikroskopisch zu observieren.
aber ich gebe dir recht. gibt ja mittlerweile auch mderne ebm-truppen mit zb sängerinnen oder die von dir genannten.
aber die müssen dann eben auch ne bemusterung machen und mir bzw der redaktion das auf den tisch legen. ohne material gibt es keine rezi
dank dir für die anregung
Scooter hat wenigstens noch eine gewisse komödiantische Komponente und die nehmen sich auch nicht so todernst wie diese 100.000 Billig - EBM Kombos à la Funker Vogt. Und in der Tat, man könnte im Bereich EBM / Industrial / Wave hier bei laut ruhig mal bisschen über den Horizont der üblichen Schlonzbands hinausgucken!
zumindest in der gothabteilung ist das kürzlich auch passiert.
http://www.laut.de/1476/Alben/Our-Season-D…
1476 hat mir auch gefallen. Super Tipp
gern geschehen
Ich will ja nicht kleinlich sein, aber zeigt das Video nicht doch eher Agonoize?
keine ahnung. mit der youtube-verlinkung habe ich null zu tun.
Ich muss hier wirklich mal insistieren. Bei der Besprechung des vorliegenden Werks war Verfasser Ulf Kubanke anscheinend weniger an einer kritischen Auseinandersetzung mit dem Inhalt gelegen, als vielmehr an einer holen Aufzählung von Gruppierungen, die ihm besser gefallen. Unter musikjournalistischen Gesichtspunkten ist dieser Text eine Zumutung sondersgleichen.
Ich würde dem Autor empfehlen das Album noch einmal sorgfältig zu goutieren. Ihm wird vielleicht ein Licht aufgehen.
Dieser Kommentar wurde vor 7 Jahren durch den Autor entfernt.