laut.de-Kritik

Gegen Charity-Tanten, Nazis und Politiker.

Review von

Wer sich auf die Suche nach extravaganten deutschsprachigen Künstlern begibt, muss sich durch eine Flut belangloser Acts eines jeden Genres wühlen. Der kauzige Wahlberliner Funny van Dannen ist eine der berühmten Nadeln im Heuhaufen unseres Landes.

Gewohnt eloquent und schelmisch serviert er auf seinem elften Studioalbum der manchmal etwas farblosen Republik 21 neue bunt schimmernde Songperlen. Der Liederkosmos dieses modernen Gauklers besteht im Wesentlichen aus drei Säulen. Es gibt die knuffig phantasievollen Liebhabe-Tracks; die zerrend gänsehäutigen kleinen traurigen Dramen und die kämpferisch kritischen Politsongs voller Mut und Courage.

Musikalisch bleibt hier - wie immer - alles beim alten. Scheinbar simpel trägt van Dannen mit unspektakulärer Stimme zur Akustischen seine Geschichten vor. Wer sich hierauf einlassen mag, begibt sich auf eine audiophile Reise, die emotional tief berühren kann und richtig durchrüttelt.

"Jugendstil" richtet eine ganze Kunstperiode so dermaßen charmant und ohrwurmig groovy hin, dass es eine Freude ist. In der "Pflanzendisko" findet der Barde hervorragende Tanzpartner ohne Gelenke. "Auch Nur Ein Tier" fabuliert uns allen eine farbenfroh zoologische WG herbei, in die man sofort einziehen möchte.

"Anmut und Askese" kontrastiert den selbstironischen Text des Ich-Erzählers mit einer komplett kinderliedhaften "Spannenlanger Hansel"-Melodie. Solch liebenswerten Kuscheleien setzt Funny mittendrin heftig ans Herz gehende Tränenzieher entgegen, wie "Wenn Die Liebe Sich Nicht Mehr Lohnt". Die Trostlosigkeit unterstreicht er trefflich mit einer hypnotischen Melodie. Der Kontrast zu obigen Songs lässt einem - ob des Stimmungswechsels - erstmal die Kinnlade herunter klappen.

Derartige Tritte in die Magengrube sind beileibe kein Einzelfall. Großartig, mit welcher Chuzpe der Liedermacher in "Wandern" allen empfindlichen Religionsfanatikern unserer Tage den Spiegel vorhält. "Auch bei der Genitalverstümmelung werden Gefühle verletzt (...) Tun verletzte religiöse Gefühle mehr weh als alles andere?"

Der Titeltrack "Saharasand" funktioniert ebenso perfekt als Pranger für rassistische Staatsgewalt. Das Monte Christo-anarchische "Katzenpissepistole" eröffnet jedem Hörer eine zutiefst befriedigende Protestform gegen selbstverliebte Charity-Tanten, Nazis und Politiker.

Das Magische an van Dannens großer Kunst ist die Verbindung scheinbarer Gegensätze zu einem stimmigen Mosaik. Einfühlsam und sensibel, dann wieder aufrührerisch wütend und sarkastisch; doch stets poetisch und direkt. Auch die tollen Melodien wirken nur auf den ersten Blick trügerisch primitiv. Bob Dylan ist seit Jahrzehnten musikalisch eigentlich auch nicht wesentlich weiter gekommen als dieser deutsch-niederländische Schalk in "Instinkte". "Wie viele sehen den Kaiser? Wie viele sehen ihn nackt? Hoffentlich sind meine Instinkte noch intakt!"

Bei Funny van Dannen sind sie es zweifellos. Der Partisan für eine bessere Welt hat ein Album für ein besseres Land geschaffen.

Trackliste

  1. 1. Katzenpissepistole
  2. 2. Saugefährlich klingen
  3. 3. Pflanzendisco
  4. 4. Jugendstil
  5. 5. 29 Marienkäfer
  6. 6. Wenn die Straße ein Fluss wäre
  7. 7. Aktienpaket
  8. 8. Instinkte
  9. 9. Saharasand
  10. 10. Magnolie
  11. 11. Simpsonsplakat
  12. 12. Samenstau
  13. 13. Innehalten
  14. 14. Wandern
  15. 15. Auch nur ein Tier
  16. 16. Sternschnuppen
  17. 17. Würfelspiel
  18. 18. Sozialismus
  19. 19. Anmut und Askese
  20. 20. Wenn die Liebe sich nicht mehr lohnt
  21. 21. Zum Leben

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LAUT.DE-PORTRÄT Funny Van Dannen

Funny van Dannen ist Musiker, Maler, Geschichtenerzähler und Familienvater. Seine Arbeiten sind liebevoll durchgeknallt, engagiert, naiv und immer an …

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