laut.de-Kritik
Juvenile und Dendemann auf einer Platte.
Review von David HilzendegenHip Hop ist meiner bescheidenen Ansicht nach am besten, wenn er sich von seinem (teilweise) viel zu hohen Ross bequemt, um sich selbst neu zu definieren. Oder sich zumindest in Richtung anderer Genres öffnet.
Wahrscheinlich bin ich deshalb das personifizierte Etwas, das in weiten Teilen der gegenwärtigen Szene abwertend als "Backpacker" bezeichnet wird. Aber wieso sollte ich Gedanken an solche Nichtigkeiten verschwenden, so lange ich ausdrucksstarke Mitstreiter wie Mr. Lif, Gift of Gab oder Ohmega Watts habe?
Gemeinsam mit u.a. Chali 2na von Jurassic 5 und, man höre und staune, Dendemann versammeln sich diese nämlich nun auf einer Platte, die vornehmlich alles andere als eine Hip Hop-Scheibe ist.
Denn auch Galactics sechstes Studioalbum strotzt erwartungsgemäß vor Funk. Es sei der Versuch, den zugegebenermaßen etwas eingerosteten New Orleans-Sound zu modernisieren, meint Robert Mercurio, der Bassist der fünfköpfigen Band.
Allen Modernisierungsversuchen zum Trotz bleibt Tradition natürlich verpflichtend, speziell für eine Combo aus der Stadt am Mississippi. Ganz im Stil der Meters werden selbst geschriebene und gespielte Arrangements von externen Musikern lyrisch abgerundet, auch wenn die Funk-Sau erst mit den instrumentalen Tracks ("Tufflove", "Fanfare") so richtig geschlachtet wird.
Den Titeltrack übernehmen alte Bekannte aus New Orleans. Was auf den ersten Blick so gar nicht passt, wird passend gemacht: Wer hätte gedacht, dass sich der frühere Cash-Money-Star Juvenile so gut in die galaktischen Gefilde integriert?
Als hätte man in Louisiana nach der Katrina-Katastrophe nichts anderes zu tun gehabt, als Rap und Funk zu verheiraten, beweist er vor den Bläsern der Soul Rebel Brass Band, dass mit der Musiklandschaft New Orleans auch nach dem Hurricane zu rechnen ist.
Dass andere Städte das auch können, zeigen Sacramento und L.A. in Person von Gift of Gab und Chali 2na, die ohne Probleme ins Raster passen. Angesichts ihrer früheren Platten wäre alles andere auch eine faustdicke negative Überraschung gewesen.
Vor allem Ersterer scheint sich in seinem musikalischen Schaffen bestätigt zu fühlen: Die in Reime verpackten, teilweise in atemberaubendem Tempo vorgebrachten Beobachtungen der Straße in "The Corner" würden ohne Probleme als Blackalicious-Track durchgehen.
Mr. Lif nimmt das Thema, das sich wie ein roter Faden durch die Platte zieht, ebenso dankend auf und berichtet semi-autobiografisch über das urbane Straßengeschehen – selbstverständlich klassisch mit spontanen Raps auf der Straße, Bullen, Waffen und dem Versuch zu fliehen. Wie in der Vergangenheit schon, wird man auch dieses Mal selbst nach dem zigsten Durchlauf nicht müde, seiner Geschichte zuzuhören.
Nachdem Lyrics Born den Reigen mit dem kraft- und druckvollen "What You Need" eröffnet hat, schließt sich der Kreis mit der tiefsinnigen Melancholie Vursatyls und Ohmega Watts - zumindest im Ausland. Käufer in Deutschland freuen sich über zwei Extra-Tracks.
Während Amp Fiddler mit dem gewohnten Soul schlicht seinen Frieden verlangt, verurteilt Dendemann das Gejammere auf hohem Niveau, dem er jeden Tag begegnet. Und das macht einen verdammten Spaß, auch wenn der Hamburger nicht ganz die funky Höhen der Konkurrenz erreicht.
5 Kommentare
Hmm, nun will ich unbedingt Dendes teil hören.
Kommt die Review nicht ein wenig spät ?! Ich hab das Album schon seit letztem ~November hier rumfliegen...der Dendetrack scheint aber neu zu sein.
Bei mir kam die Platte erst Mitte Februar an, alles vorher muss Import gewesen sein... und wird bei amazon auch für geschlagene 12€ mehr verkauft.
Ja, stimmt. Deshalb wurde wohl extra noch der Dendemann-Track für die deutsche Ausgabe dazugepackt.
Hab's lang nicht mehr gehört, aber so im nachhinein hatten die älteren Alben einen größeren Reiz auf mich ausgeübt.
Ohne die Review bislang gelesen zu haben, geb ich der 4/5 Wertung damit recht.
sehr abwechslungsreiches und innovatives album. dende's part ist super.