laut.de-Kritik
Ansteckendes Dancefloor-Comeback der Acid-Jazz-Pioniere.
Review von Toni HennigEnde der 80er- und Anfang der 90er-Jahre entstanden im Zuge der Acid-Jazz-Bewegung in London verschiedenste Bands. 1992 verhalfen Us3 mit ihrem Song "Cantaloop" dem Genre zu weltweitem Erfolg. Ein Jahr später stürmten Jamiroquai mit "Emergency On Planet Earth" mit ihrer explosiven Mischung aus jazzigen Harmonien, Disco, Funk, elektronischer Musik und Pop die Pole Position der britischen Albumcharts und feierten auch international große Erfolge.
Etwas in Vergessenheit gerieten Galliano, ein loser Zusammenschluss verschiedener Musiker*innen um Rapper, DJ und Hauptsongschreiber Rob Gallagher. Anfang bis Mitte der 90er-Jahre veröffentlichte die Band mehrere Platten und trat auf Festivals wie Rock am Ring oder in Montreal vor hunderttausenden Fans auf. 1997 löste sich die Formation auf. Nun melden sich die Briten mit "Halfway Somewhere" wie aus dem Nichts zurück.
Dabei fällt die Rückkehr äußerst groovig aus, wie "Dancin' Your Own Time" mit seiner Mischung aus P-Funk-Rhythmen und rauchigem Sprechgesang beweist, der sich bis auf so manch kurzes, urban anmutendes Zwischenspiel so gut wie ausnahmslos durch die Scheibe zieht. In "General Rubbish Vs The Sportswear Mystics" treffen deepe Dub-Reggae-Töne auf verspielte 8-Bit-Nintendo-Sounds. Wenn dann noch soulige Vocals von Gallaghers Partnerin Valerie Étienne hinzukommen, fühlt man sich an Massive Attacks Album "Blue Lines" aus dem Jahre 1991 erinnert. In eine ähnlich verspielte Kerbe schlägt "Crow Foot Hustling", das wieder Richtung 70s-Funk schielt.
"Circles Going Round The Sun", in dem sich Gallagher vor Vorbildern wie Gilles Peterson, der Gallianos erste Single Ende der 80er-Jahre auf seinem Acid Jazz-Label herausbrachte, oder James Brown verneigt, eröffnet die jazzige Mitte des Albums. "Jazz" macht als pulsierendes Afro-Jazz-Stück, das mit ausgelassenen Keyboard- und Saxofonsoli aufwartet, seinen Namen alle Ehre. Mit "Of Peace" dringt die Band in spirituelle Gefilde à la Shabaka Hutchings vor.
In "Move As One..." stehen erneut funkige Grooves im Vordergrund, ebenso wie in "In The Brakes", das wie ein nie veröffentlichter Talking Heads-Track aus den "Remain In Light"-Sessions klingt. Selbst Gallaghers Vocals erinnern sehr an das Organ David Byrnes. Das zweigeteilte "57th Min / Power And Glory" beginnt mit entschleunigten Downtempo-Tunes, gerät in der zweiten Hälfte, in der Valerie Étienne zeigt, wie viel Power in ihrer Stimme steckt, aber deutlich treibender. Dub-Reggae bekommt man wieder in "Cabin Fever Dub", das an die Musik Lee 'Scratch' Perrys denken lässt, geboten. Das discoide "Pleasure, Joy & Happiness" beschließt die Platte mit viel Lebensfreude.
Letzten Endes stellt "Halfway Somewhere" ein tolles Comeback-Album dar, das einerseits die Erinnerung an Zeiten heraufbeschwört, als sich Popmusik über stilistische, geografische und ethnische Grenzen hinwegsetzte, andererseits aber kein bisschen vorgestrig klingt. Dafür wirken die Dancefloorgrooves viel zu ansteckend und spielfreudig dargeboten.
1 Kommentar
Erinnert mich irgendwie an den Persona 5 Soundtrack, was als Kompliment gemeint ist.