laut.de-Kritik

Unzeitgemäßer German Soul mit Scheingefühlen.

Review von

Das letzte Glashaus-Album "Drei" in der Originalbesetzung bestehend aus Moses Pelham (Texte, Musik), Martin Haas (Musik) und Cassandra Steen (Gesang) erschien vor zwölf Jahren. Jedoch traf die Stuttgarterin die beiden Erfolgsproduzenten 2015 im Studio, als sie für Xavier Naidoos "Nicht Von Dieser Welt 2" Backing Vocals einsang. Einer anschließenden Zusammenarbeit stand danach nichts mehr im Wege. Das daraus resultierende "Kraft" setzt wie vor über einer Dekade auf gefühlvollen German Soul.

Im Intro fragt eine gesamplete Stimme: "Do you really wanna be free?" Den Wiedrigkeiten und Hürden des Lebens trotzt man schließlich inhaltlich auf diesem Album. Es geht darum, Mauern einzureißen ("Der Erste Stein Fehlt") und sich gegen die Masse zu erheben ("Gegen Den Strom"). Größtenteils dominieren wiederum Freundschaft, Liebe, Schmerz und Hoffnung die thematische Palette, so, wie man es bisher als Hörer kennt.

Die Single "Fühlt Sich Wie Sterben An" windet sich dagegen zu sehr im tränenreichen Liebeskummer. Man hört ein mollverhangenes Piano, ein trostloses Streicherfundament und Meeresrauschen, das die Vergangenheit wiederspiegelt. Cassandra singt anfänglich: "Es ist einsam wenn du fort bist, dunkel und grau." Sie fleht im Refrain zu Moses' Verflossener: "Bitte bleib hier!" Schließlich dreht es sich bei den Lyrics wie auf den restlichen Glashaus-Platten einzig und allein um die Gedankenwelt des Rödelheimers. Auch auf den weiteren Tracks reiht sich folglich eine klischeehafte Metapher an die nächste ("Steht die Seele in Flammen / dein Haus fällt in sich zusammen" in "Herzbrennt").

Andererseits bleibt die textliche Komponente gegenüber den Arrangements, die wieder einmal zwischen luftig-soulig ("Schöner Sein") und balladesk-sanft ("Gebt Mir Mein Leben Zurück") pendeln, eher das kleinere Übel. Neben dem üblichen Klavier-, Cello- und Geigenschmalz und der Easy-Listening-Gitarre prägen vor allem die synthetischen Neo-Soul-Beats von Pelhams 3p-Resterampe durchgehend das Geschehen. Und die klangen schon um die Jahrtausendwende unzeitgemäß.

Die knapp 50 Minuten ziehen sich gerade deswegen träge und schwerfällig in die Länge. Die Melodien erscheinen zwar einprägsam, aber kalkuliert und vorhersehbar. Wendungen und Überraschungen, die Abwechslung in das gleichförmige Klangschema bringen, sucht man vergebens. Da kann selbst die recht angenehm und samtig-weiche Stimme von Cassandra Steen nicht viel aus "Kraft" herausholen. Dazu fehlt ihr das ehrliche und warme Charisma einer Joy Denalane, die erst letztens mit "Gleisdreieck" ein durchaus gereiftes Comeback mit gelungenen modernen Einflüssen vorgelegt hat.

"Leben" schlägt dem Fass letzlich endgültig den Boden aus. Der Pathoshölle zu Marschrhythmen in "Little Drummer Boy"-Manier, die man obendrein mit Kinderchören garniert, kann man als Hörer kaum entfliehen. Man hätte sich gerne gewünscht, dass die Band auf diese klebrige Zuckergussglasur verzichtet. Der folgende sich dramaturgisch aufschwingende und mit dem facettenreichen Gesang Steens glänzende Song "Die Schönheit Des Betrachters" kann die Platte aus ihrer Berechenbarkeit keineswegs mehr retten. Dazu ist es nämlich längst zu spät.

Glashaus haben mit "Kraft" die Gelegenheit verpasst, ihrer Musik etwas Aufregendes und Bewegendes hinzuzufügen. Von Pelhalms Texten braucht man auf diesem Album ohnehin keine innere Reflexion und einem persönlichen Reifungsprozess erwarten. Tiefgründige Emotionalität transportiert diese Platte daher genauso wenig wie Authentizität und Spirit. Dieser German Soul vermittelt dadurch letzten Endes Scheingefühle.

Trackliste

  1. 1. Do You Really Wanna Be Free?
  2. 2. Der Erste Stein Fehlt
  3. 3. Gebt Mir Mein Leben Zurück
  4. 4. Kraft
  5. 5. Fühlt Sich Wie Sterben An
  6. 6. Gegen Den Strom
  7. 7. Herzbrennt
  8. 8. Du Bist Mein Freund
  9. 9. Schöner Sein
  10. 10. Sonnenschein
  11. 11. Leben
  12. 12. Die Schönheit Des Betrachters

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