laut.de-Kritik
Eingängige Mischung aus Jazz, Soul und Gospel.
Review von David MaurerGregory Porter ist innerhalb kürzester Zeit zum Superstar gereift - ein Begriff den man nur selten mit einem Jazz-Musiker unserer Zeit verbindet. Schon sein letztes Album "Be Good" erreichte durch die eingängige Mischung mit Soul-, Gospel- und Blues-Elementen eine Hörerschaft, die mit Jazz sonst weniger anfangen kann.
Den bisher so erfolgreichen Weg geht der Kalifornier auch auf seiner neuen Platte "Liquid Spirit" weiter. Darauf geht es vor allem um die Liebe. Und dass die stirbt, will Gregory Porter nicht so einfach zulassen, wie "No Love Dying" zeigt: "Well the death of love is everywhere / But I won't let it be / There will be no love that's dying here for me". Wie facettenreich die Platte klingt, zeigt sich schon im nächsten Song.
Eben noch ruhig und sentimental, strotzt "Liquid Spirit" nur so vor Lebensfreude. Darin symbolisiert Porter Wasser als flüssigen Lebensgeist, der vom Menschen in künstlichen Flüssen und Stauseen festgehalten wird. Dabei könnte er doch freigelassen so viel mehr bewirken: "Watch what happens when the people catch wind / When the water hits the banks of that old dry land". Ein Lied, das klingt, als käme es aus dem Repertoire eines Gospel-Chors, voller Kraft und Hoffung. Also, Wasser marsch!
Auf eine ganz andere Weise sorgt "Water Under Bridges" für Gänsehaut. Zu nichts als den wunderschön traurigen Klavierklängen von Chip Crawford erinnert sich der Sänger an seine letzte Liebe. Sogar die schlimmsten Zeiten mit ihr würde er noch einmal erleben wollen, denn "even our worst days are better than loneliness".
Ähnlich melancholisch, aber eine Spur jazziger geht es in "Brown Grass" zu. "Now I made a mess / Of the life I had with you". Dass sich das Thema von "Water Under The Bridge" wiederholt, fällt insofern nicht negativ ins Gewicht, als sich der Song in einem anderen Gewand präsentiert - bedingt durch die Anwesenheit von Bass und Drums.
Ob nur von Chip Crawford am Klavier wie in "Wolfcry" und "I Fall In Love Too Easily" oder seinem ganzen Ensemble begleitet, Gregory Porter stellt seinen gefühlvollen Gesang immer in den Mittelpunkt der Stücke. Nie wirken die instrumentalen Passagen zu aufdringlich, und experimentell geht's auf "Liquid Spirit" ohnehin nicht zu.
Trauer, Hoffnung und Glück - dieser Stimme möchte man jede Geschichte glauben. Vor allem, wenn Porter in "Free" seine Dankbarkeit gegenüber seinen Eltern ausspricht, kauft man ihm jedes Wort ab: "Daddy made a way for me / He paved a road so my burden is lighter / And Momma did just the same / Dropping love just like rain."
Dabei wird der Gefühlsbogen zu fast keinem Zeitpunkt überspannt. Lediglich "When Love Was King" kommt zumindest textlich etwas kitschig und insgesamt auch sperriger daher als die anderen Nummern. Als reines Jazz-Album kann "Liquid Spirit" kaum bezeichnet werden. Dafür erscheinen andere Elemente, besonders der Soul, zu präsent und fast ebenbürtig. Aber genau das macht den Reiz der Platte aus. Dass Gregory Porter wahre Jazz-Nerds bezaubert, darf bezweifelt werden. Definitiv bringt er aber auch mit seinem neuen Album den Jazz einem breiteren Publikum näher.
9 Kommentare mit einer Antwort
Dieser Kommentar wurde vor 10 Jahren durch den Autor entfernt.
Gutes Album. Die ruhigen Tracks - insb. das angesprochene "When Love was King" - sind etwas zu gefällig. Ansonsten v.a. in den schnelleren Stücken ganz starke Platte. Ein bisschen wie Aloe Blaccs letztes Album mit Jazz statt Funk.
dann hör dir gregory's letzte platte an - da kannst du keinen aloe blacc als referenz heranziehen
Be Good fand ich besser. Da hat er noch ein bisschen mehr auf die Tube gedrückt. Hier ists mir manchmal ein bisschen zu lahm.
Nach meiner Ansicht ist genau das Gegenteil der Fall. "Be Good" hat viele, sehr ruhige Balladen und Porter ist in seiner gesamten Intonation viel zurückgenommener als bei ""Liquit Spirit".
Grandiose Studiomusiker und ein hervorragender Sänger. Damit lässt sich doch was Anfangen, ja es passiert auch was richtig gute Jazzbar Musik. Es wird jedoch niemals die sichere Bahn verlassen alles sehr traditionell, gerne wird auch Nat King Cole imitiert. Mehr als 3/5 kann man hier nicht geben.
Nachdem Gregory Porters brandneues, drittes Album mit dem deutungsvollen Titel: „Liquid Spirit“ ausnahmslos euphorische Kritiken erhielt, gerade in diversen Jazzcharts vorderste Plätze belegt und gar in die deutschen Pop-Charts aufstieg, ist sein Durchbruch zum internationalen Weltstar des Vocal - Jazz wohl geschafft. Als kommender Superstar wurde er schon länger gehandelt: Bereits 2012 bescheinigte ihm „Der Spiegel“ in einer Besprechung seines zweiten Albums „Be Good“ die schönste Stimme des Jazz zu haben. Printmedien wie Jazzpodium, Jazz thing und Jazzthetik und auch „Die Zeit“ berichteten wiederholt begeistert über die neue Jazz+Soul Stimme. Beide vorherigen CDs waren nominiert für einen Grammy.
Da haben wir nun neben Kurt Elling - vielfach zitiert als „weltbester Jazzsänger - einen ebenbürtigen Jazzvokalisten, aber einen der ganz anderen Art. Tatsächlich klingt sein intensiver Bariton unvergleichlich melodisch und berührt augenblicklich ein breites Publikum der unterschiedlichsten Musikrichtungen. Porters Gesang ist erdiger, bluesiger und scheint zunächst auch gefühlvoller, als die vokalen Exkursionen im intellektuell-sophisticated Stil eines Kurt Elling, den man sich zudem schwerlich in den Pop-Charts vorstellen kann.
Bei Gregory Porter finden wir wie bei vielen großen, schwarzen Sängern, die klassische Vorgeschichte: Schon sehr früh interessierte er sich für Soul, Jazz, Rhythm & Blues, - und sang bereits als Kind Gospels in der Baptisten-Kirche. Obwohl Gregory Porter großartig „Jazz“ singt - fühlt man sich geneigt, die klangliche Ausstrahlung seiner Stimme viel eher dem Genre Soul, und vor allem Rhythm & Blues zuzuordnen.
Akustisch klingt seine Stimme auf „Liquid Spirit“ wie die besten Aufnahmen großer Soul- und Bluessänger aus den 60er und 70er Jahren. Das heißt: an keiner Stelle wird sein Gesang von Instrumenten oder irgendwelchen Soundexperimenten übertönt. Mit jeder Note tönt sein warmer Bariton so klar, rein, kräftig oder sanft und immer faszinierend schön, dass die Frage, ob der Sound möglicherweise doch etwas „altmodisch“ oder hausbacken sei, vollkommen absurd scheint. Im Gegenteil: Die Aufnahmen von Porters CD „Liquid Spirit“ haben in ihrer dynamischen Klangfülle und Transparenz eine Qualität, die an Perfektion grenzt.
Dass Porter mehr ist als „nur“ eine würdige Fortsetzung von großen schwarzen Soulstimmen wie Donny Hathaway, Marvin Gaye, Bill Withers, Gill Scott Heron oder sogar Ray Charles und B.B.King hört man nun endgültig auf seinem neuen Album: Der Soul in der Stimme ist immer gegenwärtig - aber bei Titeln wie zum Beispiel „Lonesome Lover“ (geschrieben von Abbey Lincoln) swingt Porters musikalischer Espressivo voll und ganz im modernen Vocaljazz.
Beim berühmten Jazzstandard „I Fall In Love To Easily“ erreicht er nach einem Pianosolo (großartig: Chip Crawford) einen glanzvollen Höhepunkt an Interpretation und Gesangskunst. Mit ungezügelter Gestaltungsintensität dringt er im hohen Register an seine vokalen Grenzbereiche. Da hört man wenn auch seltener auf dieser CD: er kann auch Drama! Der Titel geht über sieben Minuten und zeigt Porter als einen tief empfindenden, alle Nuancen beherrschenden Balladeninterpreten. Egal ob Porter sein großes Stimmvolumen voll aussingt oder ob er sich zurücknimmt: seine Interpretationen sind immer adäquat, sensibel und von unverwechselbarem Charisma.
In seinen eigenen, wechselvollen Kompositionen dominieren Jazzharmonik und -Melodik über bloße Soul & Blues Strukturen. Die Limited-Deluxe Edition von „Liquid Spirit“ enthält 16 Songs (14 davon aus seiner Feder) und überzeugt bei fast 70 Min. Spieldauer neben Porters unwiderstehlicher Stimme auch mit jazzig-virtuosen, aber niemals überfrachteten Arrangements. So wird er bei seinen Balladen, die stilistisch innerhalb von Soul, R&B oder Jazz wechseln, manchmal nur von Piano und Bass begleitet. Diese Sparsamkeit intensiviert noch die Wirkung seines Gesangs. Gregory Porter erweist sich auf der neuen CD mehr denn je als erlesener Songwriter von großer Individualität. „Water Under Bridges“, „Hey Laura“ ,“When Love Was King“ und besonders das sehr emotionale „Wolfcry“ sind allesamt starke und berührende Songs.
Bei seinen Up-Tempo-Titeln groovt es ordentlich wenn der Sound durch Sax-Soli, dynamische Bläsersätze und Hammondorgel kompakter wird und die Jazzakzente sich behaupten. Beim Titelsong „Liquid Spirit“, der wie ein Worksong klingt, drängen sich mir Vergleiche mit Ray Charles auf. Ebenso beim souligen „Musical Genocide“ mit seinen fantastischen Bläsersätzen, den starken drums und der Hammondorgel. Beim Song „Free“ fusionieren alle Stile: Jazz, Soul, Funk. Deshalb könnte man diesen Song stellvertretend für das ganze Album betrachten. Etwas aus der Reihe tanzt der ungewöhnliche, aber nicht minder gelungene (Bonus) Song „Time Is Ticking“. Er zeigt als einziger Song der CD leichte Anklänge ans POP-Genre aber nichtsdestotrotz die große Songwriter-Qualität von Gregory Porter.
Zum ebenso interessanten wie auch merkwürdigen Albumtitel „Liquid Spirit“ erklärt sich Porter so: „Das Wasser ist mein Vorbild. Ich versuche, ähnlich organisch zu sein und all jene Bereiche auszufüllen, die mir erlauben, das zu sein, was ich bin: Ein Jazzsänger, der vom Blues, von den Gospels und der Soul Musik beeinflusst wurde."
Nach den CDs „Water“ und „Be Good“ ist dem neuen Star des Jazzgesangs mit „Liquid Spirit“ ein machtvolles, sicher bisher bestes Album gelungen. Liebhaber großer Soul-und Jazzstimmen werden daran nicht vorbei kommen.