laut.de-Kritik
Electro-Pop-Punk mit Schlagerhooklines.
Review von Kerstin KratochwillSeit mittlerweile 20 Jahren hat die Berliner Band Grossstadtgeflüster ziemlichen Spaß an Punchlines zwischen Gossensprache und Genialität. Und so feuern sie mit ersten Track "Icke" ihres neuen siebten Albums "Das Über-Icke!" gleich mal ein Zitatfeuerwerk zwischen Schiller, Lady Gaga und Freud ab, das sich zwischen pogendem wogendem Synthgeknarze und übertriebener Hymnenhaftigkeit entfaltet.
Überforderung, Überbordendes und Überanstrengung sind natürlich gewollt bei "Über-Icke", das Ausrufezeichen dahinter wird stets mitgedacht. Also peitscht das Trio um Jen Bender, deren Vocals zwischen Hildegard Knef, Nina Hagen und Autotune kieksen, Raphael Schalz (Keys) und Chriz Falk (Drums) seinen Electro-Pop zwischen Kunst, Kommerz, Kapitalismuskritik und Kommunismus in den 14 neuen Songs konsequent voran.
Auch musikalisch ist das Album eine Arschbombe in verschiedene Genres wie Chansons à la Dreigroschenoper, Minimal-Techno und Kirmes-Techno sowie Electropunk und Dancehall, die oftmals in Mitgrölmelodien oder Schlagerhooklines aufgehen, diverse Features mit Künstler/innen wie Danger Dan, Mine oder Fatoni mittendrin. Die Musik von Grossstadtgeflüster ist gemacht für die große Bühne, großen Spaß und große Party. Auch die neuen Songs sind sicherlich live am besten aufgehoben (inzwischen ist die Hallen-Tour größtenteils ausverkauft), wo auch Tracks wie "Huckepack", die ironisch zwischen Ballermann und Bierseligkeit inklusive Sunrise-Techno-Sound pendeln, abgefeiert werden können. Hört man sie einfach so, kann einem diese dauerballernde Meta-Sause schnell auf die Nerven gehen.
Aber genauso soll es ja wohl sein: Grossstadtgeflüster haben entgegen ihres Namens wenig mit Flüstern zu tun, hier werden Flüstertüten aka Megafone ausgepackt und philosophische Fragen im Stile von "Scheitert das System am Menschen, oder der Mensch am System?" herausgebrüllt. Zwischen Kalendersprüchen und Cleverness verhallen diese im krachenden Wahnsinnslärm von Grossstadtgeflüster, die zuverlässig zwischen Acts wie Deichkind und Scooter Platz nehmen bzw. dazwischen lustvoll herumspringen.
6 Kommentare
Bin ich da mit einem Deichkind-Vergleich auf dem Holzweg? Paar gute Sachen dabei. Wäre "Ich kündige" zum ESC gegangen, wär's Top 3 geworden.
Dieser Kommentar wurde vor 8 Monaten durch den Autor entfernt.
Das hat doch mit Deichkind nix zu tun
Ich finde, die Band bekommt viel zu wenig Aufmerksamkeit. Macht Spass.
Fickt-Euch-Allee ist aber leider unerreicht.
Im Unterschied zu Deichkind sind das hier Menschen, mit denen ich auch heute noch jederzeit für ein paar Tage in der nächstliegenden Gosse verkommen könnte und das beiden Seiten gleichermaßen Spaß brächte. Also, für ein paar Tage.
Klingt absolut wie die Deichkind Kiste mit aussortierten Tracks.
Für die Ewigkeit oder Schrott. Dazwischen machen sie's nicht.