laut.de-Kritik
Heinz macht auf Heino. Die Opfer: Casper, Uhlmann, Ärzte, Hosen.
Review von Sven KabelitzDer Fastfood-Barde des Deutsch-Rock steht wieder am Drive-In-Schalter parat. Mit HRK-Käppchen und versucht freundlichem Lächeln überreicht Kunze den Fans das zehnte Produkt mit seiner Beteiligung in den letzten fünf Jahren. Vierzehn Songs zwischen zwei Brötchenhälften quetschen, etwas Käse, Zwiebeln, Ketchup und Senf oben drauf und fertig ist "Meisterwerke:Verbeugungen". Im Menü gibt es diesmal noch einige Konzerte und eine Lesetour dazu. Mahlzeit.
Die Qualität seines Angebots sinkt zwar seit Jahren in Relation zur steigenden Quantität, aber das irritiert den Sänger nicht. Dass diesmal sogar die Ideen ausbleiben, stört nicht bei einer weiteren Veröffentlichung. Einfachheitshalber greift Bulettenbrater Heinz Rudolf mit Coverversionen auf die Rezepte anderer Kollegen zurück. Er gibt den Heino und veröffentlicht ein verbotenes Album.
Zu seinen Opfern zählen unter anderem Casper, Thees Uhlmann, Ideal, Die Ärzte, Münchener Freiheit, DAF, Freddy Quinn, Puhdys, Die Toten Hosen und Einstürzende Neubauten. Eine Auswahl zwischen Größenwahn, Mainstream und Dieter Thomas Kuhn-Groteske. Zur Föhnwelle reicht es mit fast 60 aber nicht mehr.
Trotz der unterschiedlichen Genres verfügt der größte Teil der Songs über einen "Unkaputtbar"-Stempel, den kaum ein Musiker von ihnen kratzen kann. HRK beschränkt sich nicht darauf, sie willenlos nachzuspielen, sondern verpasst ihnen ein neues, weichgespültes Gewand, mit dem sie sich in seinen üblichen Output einfügen. Puhdys' großartiges "Die Legende Von Paul und Paula"-Stück "Wenn Ein Mensch Lebt" verkunzt er so aber mit leblosen Bläsern zu einem schlaffen "Brille"-Outtake.
Ähnlich wie Grönemeyer einst an Trios "Da Da Da Ich Lieb Dich Nicht Du Liebst Mich Nicht Aha Aha Aha"-Minimalismus scheiterte, fährt Kunze D.A.F.s "Der Mussolini" an die Wand. Setzt das "Alles Ist Gut"-Original noch auf Synthesizer, brettharte Drums und die absolute Reduktion, überfrachtet Heinz Rudolf die kühle Leere des Stücks mit Effekthascherei, ziellosem Gitarrengeplänkel und drögen Keyboardflächen. Kunzes uninspirierte Gabi Delgado-Imitation klingt so böse wie Quentin Qualle.
Dies ist aber nichts im Vergleich zu den Qualen, die er "Haus Der Lüge" (Einstürzende Neubauten) zufügt. Muss man auf dem Papier Kunze Mut zugestehen, schmerzt das Ergebnis, in dem er zur Karstadt-Pop-Version eines Rammstein-Songs als Lindemann-Parodie auftritt, als würde eine Tarantel einem 1.000 Eier ins Ohr legen. Prädikat unhörbar.
Weitaus besser stehen dem Sänger die Schlager-Songs zu Gesicht. Udo Jürgens "Was Ich Dir Sagen Will" lebt von den melancholisch schönen Akkordwechseln der Vorlage. Kunze erreicht jedoch weder im Arrangement noch im Gesang je die Eleganz des Österreichers. Er passt nicht in Jürgens Galaanzug, latscht stattdessen in Jeans und Turnschuhen durch das Stück.
Mit "So Lang Man Träume Noch Leben Kann" der meist unterschätzten Münchener Freiheit (im Booklet mit Münchner Freiheit falsch geschrieben) gelingt ihm ein ganz besonderes Kunststück: Er schafft es, ein Lied der nicht gerade für ihre Aufmüpfigkeit bekannten Pop-Band glattzubügeln.
Doch wie bei HRK üblich gibt es immer wieder einen Track der zeigt, was möglich wäre. Ein einziges Mal bleibt eine Neuinterpretation nicht meilenweit hinter dem Original zurück. Casper kannte er nicht, doch Produzent Swen Meyer brachte ihm "Hinterland" näher. Das Cover schreit nun förmlich nach einer Zusammenarbeit der beiden Künstler. Als hätte Griffey den Song für Kunze geschrieben, geht dieser in Text und der voran fließenden Melodie auf. Dabei verändert der Deutsch-Rocker kaum etwas an Arrangement und Flow. Was sagt dies über Casper aus? "Willkommen im Hinterland."
Wenn Kunze dann Quinns "Junge, Komm Bald Wieder" anstimmt, mag man ihm ein "Bloß nicht!" entgegen schreien. Kann nun bitte, bitte, bitte mit Zucker oben drauf jemand Kunze den Schlüssel zum Studio abnehmen und diesen erst wieder in einigen Jahren aushändigen, wenn er tatsächlich mal genug Ideen für ein neues Album gesammelt hat? Über ein Wiedersehen mit jemanden, der immer da ist und ständig um einen herum schleicht, kann man sich nicht freuen.
11 Kommentare mit einer Antwort
Grade reingehört...das Album klingt wie ein Musikgewordener Brech-Durchfall...
Dieser Kommentar wurde vor 8 Jahren durch den Autor entfernt.
Für "Haus der Lüge" möchte man schon selber ein Dachgeschoss für ihm ausbauen, aber dass er sich an Hilde vergeht, grenzt an Blasphemie. Bei Freddy Quinn schreite es schon nach Schnaps, um meine Gefühle vor dem Hören der ersten Töne wegspülen zu können. Und Casper? Selber Schuld. Ganz schlimme Verkunzung. Gehört: 1/5!
Was ich Dir sagen will-- stark. Einiges andere durchschnittlich. Und die angesprochenen Sünden: Mussolini, Ich steh auf Berlin, ... nunja- er hat anders als Heino das wirkliche Songfeeling nicht erfasst bzw. umsetzen können.
So wie Heinos "Junge" davon lebt, dass er es so singt, dass es einen sorgenvollen Vater ausdrückt ist das stark- genau deshalb weil er die Ärzte Intention komplett spiegelt und gewinnt. Kunze schafft das nicht.
Ich bin da wohl wirklich nicht der einzige: Fan der zweiten Stunde seit dem Ausnahmezustand. Dann alles rückwärts gehört und trotz mancher Irrungen und Wirrungen treu geblieben und immer auch auf seltsamen Alben echte Topsongs gefunden. Und live: Klasse. Aber dieses Album? Granatenschlecht. Unfassbar lust- und einfallslos eingespielt. Wie kann man nur ein Cover Album machen und wirklich jedes Lied ist schlechter als das Original. Oder war das mit Verbeugungen gemeint? Verbiegungen hätte er das Album nennen sollen ... Grrrr
*fauch* *tob*
Heute während der Autofahrt reingehört. Mitgröhlfaktor sehr hoch, hat wohl jeder, der mit mir an roten Ampeln stand, registrieren können.. Wobei ich bei "Solang' man Träume noch leben kann" das Gesülze von der Münchener Freiheit vermisst habe..