laut.de-Kritik

Jäger des verlorenen Schmackes.

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"Wir bekommen in 'Indiana Jones' emotionales Junk-Food präsentiert, das durch das Budget, das enorm groß war, und durch John Williams' symphonische Komposition geadelt werden soll", kritisierte Wolfgang M. Schmitt in seiner rückblickenden "Filmanalyse" zu "Jäger des verlorenen Schatzes". Ohne den Verriss in Gänze abnicken zu müssen, dürfte es unumstritten sein, dass die Filmmusik die Abenteuer-Reihe enorm aufgewertet hat. Der "Raiders March" fungiert als musikalische Visitenkarte des Titelhelden, die mit ihren Blechbläser-Fanfaren Mut, Sicherheit und Abenteuerlust versprüht.

Im nunmehr fünften Teil "Indiana Jones und das Rad des Schicksals" legt sich Müdigkeit über das Geschehen. Als wolle Williams kurz daran erinnern, in welchem filmischen Kosmos er operiere, hallt das einstige Heldenmotiv in "Germany, 1944", "To Athens", "The Grafikos" und "Centuries Join Hands" wie eine verblassende Erinnerung wider. Im "Prologue To Indiana Jones And The Dial Of Destiny", der die unterschiedlichen Themen des Werks zusammenfasst, fehlt das zupackende Motiv völlig. Und statt neuer kraftvoller Kompositionen mit hohem Wiedererkennungswert herrscht vor allem Beliebigkeit.

"Germany, 1944" zitiert die militärischen Motive aus "Indiana Jones und der letzte Kreuzzug". Albern beginnt "Auction At Hotel L'Atlantique", bevor es in den schweißtreibenden Rhythmus wechselt, der sich genauso im Animationsfilm "Die Abenteuer von Tim und Struppi" findet. "Tuk Tuk In Tangiers" untermalt die Verfolgungsjagd auf der Autorikscha, obwohl es sich unbemerkt auch in "E.T." oder "Das Imperium schlägt zurück" einbetten ließ. Und bedrohlich und geheimnisvoll erklingt das "Water Ballet" der Unterwasserwelt, die John Williams bereits mit "Der Weiße Hai" ausgiebig erkundet hat.

Das Herzstück des Soundtracks bildet "Helena's Theme", das lieblich einsteigt und sich in eine ausschweifende Schwärmerei hineinsteigert, die an das Classical Hollywood erinnert. Er sei "überwältigt" gewesen, sagte James Mangold, Regisseur des Films, nach der Uraufführung im Hollywood Bowl. "Aber ich war auch ein bisschen nervös, weil es einfach zu viel war, zu üppig, zu romantisch. John lächelte nur sanft und ließ mich plappern." Der Komponist habe gewusst, "dass es wunderbar funktionieren würde." Für sich funktioniert das Stück tatsächlich, doch die titelgebende Femme fatale verfehlt es.

Die alternative Version "Helena's Theme (For Violin And Orchestra)" mit Anne-Sophie Mutter ist vorab als Single erschienen. Mit ihrem akzentuierten Auftritt reißt die deutsche Geigerin die Hörerschaft aus der einheitlich gefälligen Sinfonie heraus. Im Film selbst sei ihr Beitrag aber nicht zu hören, erzählte Mutter im Gespräch mit BR Klassik. Da sei "nicht so viel Raum für ein etwas zarteres Instrument wie die Geige". Zum Leidwesen des Publikums ließe sich anfügen. "Polybius Cipher" verschiebt "Helena's Theme" ins Sinistre, womit es der Figur von Phoebe Waller-Bridge am ehesten entspricht.

In "The Airport" treffen die gegnerischen Parteien musikalisch aufeinander. Eine unruhige Variante von "Helena's Theme" geht in den grollenden Sound der Nazis um den wie immer fehlerfrei aufspielenden Mads Mikkelsen über. Nach einem schauderhaften Zeitreise-Intermezzo endet der Film in "New York, 1969". Ungelenk reicht James Mangold das frühere Love-Interest Marion Ravenwood nach, das Williams mit "Marion's Theme" aus "Jäger des verlorenen Schatzes" begleitet. In der zweiten Hälfte des Stücks ertönt dann endlich der "Raiders March". Im Kino läuft dann bereits der Abspann.

Obwohl sich Steven Spielberg zuletzt mit "West Side Story" (2021) und "Die Fabelmans" (2022) vergangenheitsfixiert gezeigt hat, war er weise genug, das Regie-Zepter abzugeben. Er wolle "Platz machen für eine neue Generation", hatte er erklärt. Daran hätten sich auch die anderen Beteiligten halten sollen. Mit 81 Jahren hat Harrison Ford seinen Zenit als Actionstar weit überschritten. Und der zehn Jahre ältere John Williams klingt zunehmend ideenarm. Statt neue Akzente zu setzen, verlässt sich der Jäger des verlorenen Schmackes auf Selbstzitate und etablierten Reiz-Reaktions-Mechanismen.

Trackliste

  1. 1. Prologue To Indiana Jones And The Dial Of Destiny
  2. 2. Helena's Theme
  3. 3. Germany, 1944
  4. 4. To Morocco
  5. 5. Voller Returns
  6. 6. Auction At Hotel L'Atlantique
  7. 7. Tuk Tuk In Tangiers
  8. 8. To Athens
  9. 9. Perils Of The Deep
  10. 10. Water Ballet
  11. 11. Polybius Cipher
  12. 12. The Grafikos
  13. 13. Archimedes' Tomb
  14. 14. The Airport
  15. 15. Battle Of Syracuse
  16. 16. Centuries Join Hands
  17. 17. New York, 1969
  18. 18. Helena's Theme (For Violin And Orchestra) (mit Anne-Sophie Mutter)

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5 Kommentare mit 28 Antworten

  • Vor einem Jahr

    Wolfgang M. Schmitt ist so ne Luftnummer. Wobei er gaaaaaanz gelegentlich und selten auch mal etwas anzumerken hat, das nicht absolut offensichtlich ist. Film ist natürlich wack.

    • Vor einem Jahr

      Ja, ey komm. Wenn du schon wie ein ekelhaft herausgeputzter, eitler, selbstgefälliger Sack in deinem Salonstudio sitzt, dann sollteste wenigstens inhaltlich mehr zu sagen haben als ein gewöhnlicher deutscher Film-Youtuber.

      Aber entabonnieren kann ich ihn nun auch nicht, weil ungefähr alle 10 Videos mal etwas Originelles, Erhellendes dabei ist, das es sonst nirgendwo zu lesen oder sehen gibt. Sollte halt mal die Qualität der anderen Inhalte seinem Look anpassen.

    • Vor einem Jahr

      Ist es denn Standard, dass der deutsche Wald-und-Wiesen-Film-Youtuber die Filme auf kapitalistische und neoliberale Verwertungsideologien abklopft?

    • Vor einem Jahr

      Das macht Wolfi halt auch nur gelegentlich. Ansonsten sinds halt die üblichen Tiraden gegen den filmischen Zeitgeist, die man schon vor 50 Jahren in ähnlicher Form lesen durfte.

      Am erhellendsten fand ich noch seine Ausführungen über Stranger Things und wie Werke mit Kindern als Darsteller nicht FÜR Kinder sind, sondern für Millenials, die sich wieder jung fühlen, an eine bessere Zeit erinnern möchten. Und den Ansatz, Filme nicht zu intellektualisieren, zu sezieren, und so analytisch verwertbar zu machen, sondern sie als sinnliches Erlebnis zu begreifen. Daran hat er sich seitdem aber eher selten gehalten.

    • Vor einem Jahr

      Dieser Kommentar wurde vor einem Jahr durch den Autor entfernt.

    • Vor einem Jahr

      Och, der vollkommen ahnungslose Trottel Ragism redet wieder über Dinge, die sein nicht vorhandene Verstand überhaupt nicht versteht. Von Musik null Ahnung, von Film null Ahnung. Mit Wolfgang M. Schmitt muss man nicht immer einer Meinung sein, aber auch wenn das nicht der Fall ist, ist sein Gedankengang nachvollziehbar und sein Standpunkt schlüssig. Bei Ragism ist es wie mit einem Furz. Klingt immer ähnlich und stinkt. Intellektuelles Vaccum immer penetrant am absoluten Nullpunkt.

    • Vor einem Jahr

      Ich find ihn nicht schlecht, aber ich kenn' mich auch mit deutschem Youtube aus, guck immer englisches…

    • Vor einem Jahr

      Ich schaue Wolle wirklich gerne :)
      Was filmwissenschaftliche Dinge angeht, hat er erstaunlich wenig drauf oder falls er davon doch viel Ahnung haben sollte, geht davon erstaunlich wenig in seine Videos aber wie mein favourite Cro-Pumper No.1 ch0190 richtig geschrieben hat, geht es bei ihm ja um etwas Anderes und wie er dann bei manchen Filmen versucht, diese in sein ideologiekritisches Korsett zu drücken, obwohl das manchmal überhaupt nicht passt, finde ich eigentlich immer unterhaltsam. Darüber hinaus weiß ich bei ihm oft gar nicht, wie er einen Film finden wird und er ist immer für eine Überraschung gut. Bei vielen Film-Youtubern weißt du schon vor dem Schauen, was sie über einen Film sagen werden.

  • Vor einem Jahr

    Scheint der Flop des Jahres zu werden. Gebumst von Mission Impossible, Oppenheimer und Barbie.

  • Vor einem Jahr

    Als nächstes dann:
    -Indiana Jones: Raiders of the lost Pension
    -Indiana Jones and the Wheelchair of Doom
    -Indiana Jones and the Last Cruise
    -Indiana Jones and the Crystal Hip Replacement

  • Vor einem Jahr

    Wir brauchen Wolfgang M. Schmitt, weil niemand Til Schweiger so humorvoll verreißen kann wie er. Aber manchmal würde ich ihn gern in den Arm nehmen und ihm dabei „dieser Film hat keinen doppelten Boden, er ist einfach nur zu Unterhaltung da, ich hoffe, du kannst das irgendwann verstehen“ ins Ohr flüstern. Stattdessen komme ich regelmäßig in de Genuß von Kritiken, in denen eine halbe Stunde lang Gesellschafts- oder Kapitalismuskritik oder eben deren Nichtvorhandensein in einem Film gesucht und analysiert wird. Gerade die Indiana-Jones-Filme waren nie politisch, auch wenn sie aufgrund der historischen Kulisse manchmal den Eindruck erwecken. Sind sind einfach nur Fiktion und nichts weiter.

  • Vor einem Jahr

    John Williams hat schon seit mindestens 10-15 Jahren kaum noch Ideen.