laut.de-Kritik
"Thanks for the disappointment, Peggy. I love it."
Review von Mirco Leier"The dissapointment is coming". So promotete Jpegmafia sein neustes Album "All My Heroes Are Cornballs" auf seinen Social Media-Kanälen. Begleitend droppte er wöchentlich Videos auf Youtube, in denen Freunde und regelmäßige Kollaborateure auf sein neustes Projekt reagierten. Die Enttäuschung blieb jedoch aus. Egal ob Kenny Beats, James Blake oder Hannibal Buress, alle zeigten sich begeistert von Peggys musikalischer Vision.
Zurecht, denn obwohl der Rapper aus Baltimore die Messlatte mit seinem letzten Album "Veteran" enorm hoch gelegt hat, lotet er erneut mit fast spielender Leichtigkeit die Grenzen seines Genres geschickt aus. Angesichts seiner grenzenlosen Kreativität verursacht er eine gewisse Sprachlosigkeit.
"All My Heros Are Cornballs" fühlt sich eher nach einem 45-minütigen Mood-Piece als nach einem Rapalbum an. Ideen flowen mühelos ineinander über, Beats wechseln gefühlt alle 30 Sekunden die Schlagrichtung und konventionelle Songstrukturen interessieren Jpeg ohnehin nicht. Doch trotz all dessen kommt die Platte insgesamt wesentlich zugänglicher als ihr Vorgänger daher. Dessen musikalische Anarchie, voll wütender Hilfeschreie und hirnschmelzender Samples weicht einem weitaus melodischerem Grundgerüst. Statt Punk orientiert sich Peggy am R'n'B, anstelle der Bad Brains oder Spaceghostpurrp sind diesmal Einflüsse klassischer Pop-Musik der frühen 2000er nicht von der Hand zu weisen. Das mag, hat man "Veteran" gehört, schwer vorstellbar klingen, funktioniert aber absolut großartig.
Was Peggy trotz der stilistischen Neuausrichtung jedoch weiterhin ausmacht, ist sein beißender Sarkasmus, seine zum Schreien komischen One-Liner und seine offen vorgetragene Internetaffinität. Schließlich würde kaum ein anderer Künstler auf die Idee kommen Songs mit Titeln wie "Jesus Forgive Me, I Am A Thot" zu versehen oder darüber zu rappen, gerne von Madonna adoptiert zu werden. Das alles ist jedoch nicht nur Mittel zum Zweck, sondern Teil des großen Ganzen. In einer Welt in der zunehmend virtuelle Grenzen verschwimmen, ergibt es schließlich folgerichtig auch nur Sinn, dass die Musik auf dem Fuße folgt.
Wer zwischen 4chan-Trolls, Anime, Memes und Shitpostings auf Twitter sozialisiert wurde, richtet eben auch seine Musik dementsprechend aus. Peggy versteht das Internet und dessen Wandelbarkeit bis ins kleinste Detail, hat aber ebenso ausgeprägte sozialpolitische Meinungen, denen er, wie auch seinen persönlichen Struggles, auf die einzige Art ein Gehör verleiht, die er kennt: Durch einen Filter voller Ironie.
Auf "Grimey Waifu" nutzt er zum Beispiel Verweise auf Vaping und Anime, als rhetorische Mittel für Gun-Talk oder Auseinandersetzungen mit seiner Depression. "BBW" steht nicht etwas für "Big Beautiful Women" sondern für "Black Brian Wilson" und mit "PTSD" setzt der ehemalige Army-Veteran sich mithilfe von Videospiel-Referenzen mit seiner Belastungs-Störung auseinander.
Das tut der Qualität der Musik aber keineswegs einen Abbruch. Was man nämlich nicht vergessen darf: Jpegmafia gehört zu den begnadetsten Produzenten und Rappern unserer Zeit. Die teilweise wunderschöne, teilweise abstrakte Mischung aus Glitch Hop, Breakbeats und mainstreamtauglicher Top-40-Mucke, die er hier auf Albumlänge zelebriert, ist absolut einzigartig. Das hat man so noch nie gehört und klingt im direkten Vergleich mit "Veteran" über weite Strecken erwachsener und konzeptueller.
Ein zentrales Motiv der LP kündigt Peggy bereits mit dem ersten Song an. "Jesus Forgive Me, I Am A Thot" heißt es. Was eine Thot ist? "That hoe over there". Jpeg trägt diese Bezeichnung auch als Mann mit Stolz und singt im Laufe der LP des Öfteren aus weiblicher Perspektive. Besonders deutlich wird es auf dem Song "Thot Tactics", "I wanna be your girl, I wanna rock your world.", singt er. Das ist sicherlich nicht neu, aber verglichen mit der zu Schau gestellten Aggressivität früherer Projekte dennoch eine willkommene Abwechslung. Gerade, weil es eine gewisse Verletzlichkeit offenbart, die zuvor im vokalen Chaos verloren ging.
Die nicht abbrechenden Death Grips-Vergleiche scheint der 29-Jährige endgültig leid zu sein. Mit "JPEGMAFIA TYPE BEAT" trollt er nämlich die Art von Fans, die der Meinung wären, Death Grips sei die originellste Band der Welt. Das Sample klingt wie MC Ride, ist aber Atari Teenage Riot. Eine Band von der sich Death Grips offensichtlich inspirieren lies.
Doch auch Peggy selbst scheut nicht davor zurück, seine eigenen Inspirationen zur Schau zu stellen. "Free The Frail" etwa klingt wie Brockhampton auf Crack, "DOTS FREESTYLE REMIX" wie Flying Lotus auf Ritalin und "BasicBitchTearGas" ist schlichtweg ein Cover des TLC Hits "No Scrubs". In einem Interview mit Apple Music sagte der Rapper: "Diese Songs (von Pop-Musik d. Red) sind exzellent, unabhängig von ihrer Popularität." Er möchte die Songs mit seiner Musik neu kontextualisieren und, bei Gott, das gelingt ihm.
An dieser Stelle könnte man endlos über den hybridhaften Charakter von "Kenan Vs. Kel" diskutieren, kryptische Bars analysieren oder Schnellfeuer Name-Droppings wie auf "Rap Grow Old & Die x No Child Left Behind" eine größere Bedeutung zusprechen, als ihnen vielleicht innewohnt. Das ist aber gar nicht nötig, um sich an der Qualität des Albums zu erfreuen, dafür reicht nämlich in aller erster Linie der großartige musikalische Input.
Außerdem würde sich Barrington DeVaughn Hendrick, wie Jpegmafia mit bürgerlichem Namen heißt, darüber wohl ins Fäustchen lachen. Denn letzten Endes kann man sich selbst nicht mal zu hundert Prozent sicher sein, ob man hier nicht einfach einem ausgeklügelten, musikalischen Shitpost auf den Leim gegangen ist. Aber selbst wen dem so wäre, untermauert es eigentlich nur weiterhin den Fakt, dass es wohl keinen passenderen Künstler geben könnte um unsere verrückt gewordene Welt angemessen zu repräsentieren als Jpegmafia. In diesem Sinne: "Thanks for the disappointment, Peggy. I love it."
3 Kommentare mit einer Antwort
Schöne Review die es gut auf den Punkt bringt. Album macht Spaß und Jpeg bleibt seiner Linie treu. Gefällt mir auch noch besser, als der schon sehr starke Vorgänger.
Mir persönlich zu sperrig aber mal was anderes.
find den kerl absurd überschätzt
Spricht nicht gerade für Dich.