laut.de-Kritik
Das Duo weist sich als äußerst geschmackssicher in der Zusammenstellung aus.
Review von Christoph Dorner2006 war das Jahr des Elektropop. Und zwar nicht, weil die Pet Shop Boys seinerzeit ein neues Album releasten. Nein, Hot Chip und den Junior Boys war es zu verdanken, dass das Genre aus den Randwinkeln des Rampenlichts hervorkroch. Damit haben sich sowohl die Briten als auch das kanadische Duo Jeremy Greenspan/Matt Didemus begehrte Kuratorenstellen für die beliebten DJ-Mix-Compilations verdient.
Während Hot Chip schon im letzten Jahr die "DJ Kicks"-Serie von !K7 weiterführen durften, gewann Get Physical jetzt die Junior Boys für die Reihe "Body Language". Für das Tanzlabel übernahmen zuvor schon hauseigene Künstler wie M.A.N.D.Y. sowie das französische Produzentenduo Château Flight die Patenschaft.
Wer nun aber vermutet, Didemus und Greenspan biederten sich mit ihrem Beitrag dem unlängst geknackten Indie-Zirkus an, verkennt das Prinzip dieses Formats. Hier geht es weniger um die Jungs aus Ontario selbst, vielmehr um deren Sozialisation unter der Diskokugel. Die Boys zelebrieren ausgiebig ihre Vorliebe für achtzigerlastigen Disco-House, smoothen Minimal-Techno und ausladende elektronische Psychedelica.
Neben den Kompakt-Helden Supermayer, Matthew Dear und Parisienne Chloé haben die Junior Boys auch weniger offensichtliche Acts in der Tracklist. "Surfing At Midnight" von Sorcerer geriert sich als cheesy Midtempo-Nummer aus Nostalgia-Land. Der Norweger Prins Thomas hat den Track dancefloormäßig aufgebohrt, den Eintritt in die Easy-Listening-Lounge schafft er allerdings immer noch ganz lässig.
Die souligen Vocals von Get Physical-Urgestein Chelonis R. Jones werden durch einen geschwärzten Remix von Hell veredelt, ehe im sechsten Track Klangforscher Kelley Polar zur mit Streichern zugekleisterten Space-Disco lädt. Es sind die warmen, altmodischen Bassläufe elektronischer Musik aus einer vergangenen Dekade, auf die es die Junior Boys abgesehen haben: Mal durch Radio Slave im Geiste des britischen Rave-Movement, dann wieder funkig wie bei den Schweden Studio.
Und natürlich ist so eine Kompilation immer auch eine gute Gelegenheit, um alte Freundschaften zu pflegen. So wird dem ehemaligen Junior Boy Johnny Dark mit seinem 2Step-Projekt Stereo Image ein Platz freigeschaufelt. Und a guy named F0st3r, der für das Duo schon Schlagzeug gespielt hat, ist mit einem fiebrigen Techno-Schleicher vertreten.
Aus den Tiefen ihrer Plattenkisten fischen Greenspan und Didemus auch Pushés Klassiker "Don't Take Your Love Away" und "I'm Still Searching" von Visage. Zweimal Ed Banger-Sounds ganz ohne Ballermann. "No Kinda Man" von den Junior Boys selbst unterstreicht schließlich noch einmal die stimmige Musikauswahl der Kanadier: Pop im 4/4-Takt herrscht. Den Vergleich mit Hot Chip kann man also bitte ganz schnell wieder vergessen.
1 Kommentar
schöne review. macht appetit. gut wäre, wenn die tracklist vollständig mit artist und titel einzusehen wäre...so wie im moment ist das eher ein ratespiel für insider...