laut.de-Kritik
Lieder über Liebe, Inzest und Tod.
Review von Kim Lange"Worüber ich nachdenke, ist eher die menschliche Natur im Allgemeinen. Songs handeln von Liebe und Tod, nicht wirklich von Beziehungen an sich", so José Gonzalez über sein Handwerk als Lyriker und Musiker, "Man strebt immer nach tiefen Emotionen, und ich tendiere dazu, über diese Themen zu schreiben." Der zweite Streich der schwedischen Krautrock-Pioniere wartet auch diesmal mit allerlei atmosphärischer Gefühlsvertonung auf.
Drei Jahre nahmen sich Elias Araya, Tobias Winterkorn und José Gonzalez Zeit für ein neues Werk – immerhin nur ein Viertel der Zeit, die sie damals für ihr Debüt brauchten. Gonzalez hat sich schon seit 2007 nicht mehr seiner Solo-Karriere, sondern voll und ganz dem Bandprojekt gewidmet. Nicht nur unzählige Fans bejubelten die Band auf Tour, auch die Deutsche Telekom erfreute sich am Song "Always" für einen Werbespot 2011.
Nur der Albumtitel scheint ein wenig uninspiriert, wobei Junip zumindest ihrer minimalistischen Namensgebung treu bleiben. "All die Hochs und Tiefs waren sehr Junip, deshalb schien es angebracht, es mit unserem Namen zu betiteln," so José. Auf Junip wechselt die Stimmung von himmelhochjauchzend zu zu Tode betrübt und findet doch einen Mittelweg. Kein Wunder, denn die psychedelisch angehauchten Songs vereinen beide Stimmungen oftmals mühelos in sich.
Mit "Line Of Fire" konfrontieren Junip den Hörer gleich zu Beginn mit einer sehr treibenden und mitreißenden Nummer. Die explosive Mischung aus Folk und Streichern entfacht wahre Feuer, wenn man sich ihr ein mal vollständig hingibt. "Es geht ums erwachsen Werden und Verantwortung Übernehmen in dem Moment, wenn sich dein Leben plötzlich ändert, du in einer neuen Situation bist", sagt José. "Deine Ideale werden angefochten und du musst Dinge von einer neuen Perspektive aus betrachten."
Die - zumindest visuelle – Fortsetzung findet man in "Your Life, Your Call" wieder, wo sich synthetische Handclaps mit Discobeats vereinen. Das zugehörige Video stellt Teil II einer im Musikvideo zu "Line Of Fire" erzählten inzestuösen Familiengeschichte dar, inszeniert vom schwedischen Kurzfilmregisseur Mikel Cee Karlsson. "It's your life/ It's your call/ Stand up, or enjoy your fall", diese Lebensweisheit wird hier auf sehr poppige Weise übermittelt.
Auch das sehr eingängige "Walking Lightly" und "So Clear" driften in gemäßigtem Tempo dahin, beschleunigt durch Gonzalez' akustisches Gitarrenspiel und unterlegt mit dröhnenden Drums. Ansonsten werden ruhigere Gänge eingelegt, beispielsweise bei dem schwermütigen "Beginnings" oder bei "Baton", wo sich eine einzige Basslinie wiederholend durchs Lied zieht und schließlich von Pfeifen und Bongos unterstützt wird.
"After All Is Said And Done", nachdem also alles gesagt und getan, alle Gefühle musikalisch verpackt wurden, kann man sich mit dieser tranceartigen Nummer auch guten Gewissens dem Land der Träume widmen. Diese Eigenschaft besitzen Junip-Songs für gewöhnlich: Gedanklich wandert man durch grüne Wiesen oder gibt sich entspannt Gitarren, Drums und synthetischen Klangerzeugern hin, während im Hintergrund langsam die Sonne untergeht.
Mal wieder beweisen Junip ein Gespür für atmosphärische Musikstücke, die sich teils als sehr eigen beweisen, aber doch alle einem großen Ganzen angehören. José Gonzalez warme Stimme vermittelt dabei gekonnt Schwermut, jedoch auch Sehnsucht und Zuversicht. "Es geht letztlich darum, wie das Gras wachsen wird, nachdem der Schnee getaut ist: Das hoffnungsvolle Gefühl zwischen den Zeilen finden, darum geht's auf der ganzen Platte."
5 Kommentare
Mehr als 1 Album brauch man von den Herren aber wirklich nicht.
Mich wundert das mit keinem Wort auf die bescheidene Tonqualität eingegangen wird.
Ich finde es ist ein gelungenes Zweitwerk. Vielleicht kommt's noch, aber das erste Album ist einen Ticken besser.
@3ba Der Sound ist so gewollt.
Klingt tatsächlich etwas matschig nach Youtuberip
Mit Sicherheit ein Juwel des Songwritings - vergewaltigt von Soundingenieuren, die tolle Melodien und sogar Texte, für die man sich nicht schämen müsste, zu einem undifferenzierten Matsch verkocht haben. Schade!