laut.de-Kritik

"Rap" steht drauf, drin ist Schlager: ein Gedankenprotokoll.

Review von

Kayef. Wenn man das ausspricht, hat das was von einem Gewürz. Irgendetwas, das im ersten Moment richtig geil schmeckt und danach ein pelziges Gefühl auf der Zunge hinterlässt.

Egal, sein Album heißt "Modus". Das Cover ist ja schon wieder furchtbar. So ein Goldlöckchen im Schuhbürsten-Style, und dann dieses Rot! Wer verbricht sowas eigentlich immer? Aber hören wir mal rein ...

Der erste Song klingt gleich ziemlich lahm. "Ja, verdammt, man, ich glaub', du bist am Ende die Frau für eine Zukunft mit Kindern und Haus." Hä, wie alt ist der? Der Song heißt "Ein Jahr Zu Spät"? Scheiße, Junge. Ich glaub' eher, du bist ein paar Jahre zu früh dran. Mach' doch erstmal die Schule fertig. Ganz schön träge, dieser Singsang. Und die Hook! Ziemlich schmalzig. Wenigstens ist die Stimme ganz okay.

Okay, weiter! Klassischer Majorlabel-Kram. Alles austauschbar, und dann wieder so Engelmann-Sprüche: "Dieses Leben ist ein Kartenhaus." Okay. Hook überstanden. Ist das jetzt Prinz Pi? Tatsache. Was ist nur aus dem geworden? Der hatte echt Talent. Hat er, so gesehen, ja immer noch. Aber warum?! Der Typ ist doch schon über 30, warum macht der so pubertären Kram? Immer gehts nur ums Geldverdienen. Dieser beschissene Kapitalismus regt mich auf. Ich würde Pi so gerne mal über sinnvolle Sachen rappen hören. Oder auch nur Punches. Jetzt wieder die Hook, die hab' ich doch auch schon tausend Mal gehört, und dieses Spieluhr-Geklimper hintenraus ... furchtbar.

"Musik" ist auch nicht besser. "Du fehlst in jeder Kneipe." Als ob der da schon reindürfte. Jetzt will ich aber wirklich wissen, wie alt der ist. Der Pressetext auf Facebook sagt, 2005 war er zwölf. Über 20?? Niemals, der klingt als sei er 17, und sieht auch so aus. Denk' einfach nicht weiter drüber nach, dass dieser Kerl tatäschlich in deinem Alter ist.

Schauen wir lieber, was die Facebook-Seite weiter hergibt. Promo-Bla, Promo-Bla, und dann ein visuelles Statement: "Alle wollen Couplegoals sein in einer Zeit, wo das meiste geskippt wird." Ist das eklig. Da steht "Plastikbecher" drunter, ist das etwa auch auf dem Album? Ja, da stehts. Titel neun. Wo bin ich? Vier. Von insgesamt fünfzehn. Das wird ein verdammt langer Abend.

Alles klingt so austauschbar. "Irgendwann Jetzt", so ein Titel könnte auch vom Giesinger-Max sein. "Und jeder will dir irgendwas erzählen, was wir alle schon irgendwo gesehen haben." Jap, genau das. Vielleicht hat er das ja selbst schon alles gecheckt?! Ne. Doch nicht.

Was für ein hartes Instrumental-Stück gerade. Erinnert an das gute Zeug von Diplo, nur in schlecht. Was birgt denn die Facebook-Seite noch so? Promo, Promo, Promo ... was ist das? Ein Video zum "Crazy In Love"-Beat von Jay-Z und Beyoncé. "Freestyle", steht da. Vielleicht ist Kayef ja doch 'n Rapper.

Was macht der da mit seinem Telefon? Der liest jetzt nicht gerade den Text ab, oder? FREESTYLE!!! Ich flipp' aus. Der nennt das "Freestyle", und liest vom iPhone runter. Das meint der doch nicht ernst! Ach, das ist doch - SO EINE SCHEIßE! Du hast wohl noch nie in deinem Leben 'ne Cypher gesehen?! Ach, vermutlich weißt du nicht mal, was das ist. FREESTYLE! VOM HANDY ABGELESEN! Ich glaub' echt, ich spinne. Kein Wunder, dass die Kids alle auf so komische Mukke abfahren, wenn denen das als Rap verkauft wird. Wie soll man die jemals richtig sozialisieren? Vom Telefon abgelesen. Ich glaub' es nicht.

Wo sind wir? Song sechs. Noch nicht einmal die Hälfte. Hatte jetzt auf mehr gehofft. Wie heißt der Track? "Whatsappmsg". "Msg"? Ach, Message. Ach komm, sowas schreibt doch keiner. "Hey, immer dann, wenn du vorbeikommst, ist Flightmode-Time." Puuh. "Dein Freund findets sicher nicht nice, dass du mir heimlich snappst" Snapchat? Ich dachte, das hat die eine Jenner-Tante in Grund und Boden gestampft. Der hinkt ja auch ganz schön hinterher.

"Und du schickst lila Teufel im Modüs." Warum spricht der das so komisch aus? Macht man das so? "Ich werf 'n Blick auf mein Whatsapp, du shoppst Dessous / doch jedes der Bilder zeigt trotzdem, wie Gott dich schuf / denn alles, was du wirklich trägst, sind noch Tatoos." Gott, Tattoos und nackt in der Umkleide. Alles in einem Satz. Der versucht so offensichtlich, einen Rant zu provozieren, da steig' ich jetzt gar nicht erst drauf ein.

"Du funkelst in der Dunkelheit des Tages." Was? Hahahahahahaha. Ich kann nicht mehr. Das hat ja fast schon Schlager-Potenzial. "Lotusblume hab' ich dich genannt ..." Aber die Flippers hatten wenigstens Attitüde. Mit den Synthesizern und so, das klang sogar irgendwie geil, auf eine sehr, sehr perverse Art und Weise.

"Ich Find' Dich". Jetzt lässt mich dieses Schlagerding nicht mehr los. Selbst die Titel passen. Das ist echt unheimlich. Die Melodien sind ähnlich, der Rhythmus auch. Wenn man nur so zwei, drei Instrumente austauscht, die Texte ein bisschen abändert, kommt der perfekte Filler für die Schlager-Nacht bei raus.

Drehen die Majors den Kids echt Schlager-Texte als Rap an? Das ergibt total Sinn, eine ganze Generation darauf zu konditionieren, sowieso nur diese eine Art von Rhythmus zu kennen. Die Labels verkaufen das dann als hip und cool, weil: Steht ja "Rap" drauf. Woher sollten die Kinder wissen, dass das kein Rap ist, wenn die nur DAS hier hören? Klar, dass die dann denken, Helene Fischer und Johannes Oerding seien lässig. Jetzt ist mir wirklich schlecht.

Die restlichen Titel lesen sich nicht nur alle nach Schlager. Sie klingen auch exakt so. Mit angesagten Effekten gespickt, bisschen Autotune hier, bisschen Techno-Gedöns da. Bloß nicht zu viel Sprechgesang, sonst kommt keiner hinterher, beim Mitsingen. Genauso läuft das da bestimmt, und jetzt singt der auch noch was von wegen "Wenn wir nüchtern wären". Alkoholmissbrauch, also. Noch ein Indiz dafür, dass Kayef für eine Schlager-Karriere prädestiniert ist.

Trackliste

  1. 1. Ein Jahr Zu Spät
  2. 2. Kartenhaus (Feat. Prinz Pi)
  3. 3. Musik
  4. 4. Irgendwann Jetzt
  5. 5. Die Welt Ist Nicht Genug
  6. 6. Whatsappmsg
  7. 7. Lilarot
  8. 8. Ich Find' Dich
  9. 9. Plastikbecher
  10. 10. Safe
  11. 11. Stolpern Lernen
  12. 12. Allein
  13. 13. Nie Mehr Neu
  14. 14. Nüchtern (Feat. Madeline Juno)
  15. 15. Modus

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