laut.de-Kritik

Das Format Album stirbt? Vielleicht gar nicht so schlecht.

Review von

"Mein viertes Album: Genie-Shit!" Mit rrrollendem Rrr kündigt KC Rebell seine "Rrrap-Rrrebellution" an. "Du hörst das Intro und liebst es." Schillernde Synthies, ein leicht sakraler Touch, den völlig durchgeknallte Fiedeln gleich wieder über den Haufen geigen, die Zeilen vorgetragen mit reichlich übergeschnappter Betonung - und ich stelle fest: Der Mann hat Recht.

"Komplimente her!" Aber gerne doch. Stimmbänder: ungebrochen zur Faust geballt. Ratternder Flow, Sympathiewerte, Glaubwürdigkeit: KC Rebell rangiert in allen Disziplinen im tiefgrünen Bereich. Allein schon sein "Intro" liefert zweieinhalb Minuten beste Unterhaltung, auch wenn mir die Notwendigkeit kein Stück weit einleuchtet, zwischen "echtem Chefrap" und Backpack-Rap zu entscheiden. Wieso wählen, wenn man beides kriegen kann? Zumal KC selbst ja ganz offensichtlich auch nicht nur auf einer Hochzeit tanzen will.

Nö, wie schon in der Vergangenheit mixt er munter das, was er und seine Getreuen zum "Gangsterrap im Unterhemd" und "ultraharten Sound" deklarieren, mit rührseligen Liebesliedern ("Herzblut") und wehmütigen Oden an traditionelle Familienwerte ("Zu Spät"). Erfüllt "Bist Du Da" mit lauthals von Manuellsen eingeknödelter R'n'B-Hook noch jedes Klischee, verblüfft KC Rebell an anderer Stelle amtlich, wenn er mit "Geh Doch" plötzlich einen waschechten Offbeat-Tune mit Klimperklavier und Bläsern aus dem Ärmel zieht.

Versehent- oder absichtlich zeigt besagter Track zudem, dass KC Rebell keineswegs über ein so beschränktes Vokabular verfügt, wie er an anderer Stelle vorgaukelt. "Du versuchst, mich manipulativ reinzuwaschen", analysiert er müde, resigniert und auch ein bisschen trotzig das Ende einer Beziehung. Upps! Angesichts von an anderen Stellen dargebotenen lyrischen Großtaten, die "Mösen von vorn" auf "Lösegeldforderung" reimen, mutet das, um mit Jesse Pinkman und seinen Kumpels zu sprechen, schon reichlich kafkaesk an.

Ich bin ganz sicher: KC Rebell ist nicht ansatzweise so dämlich, wie in der falschen Gesellschaft wohl einfach jeder wirkt. Aber wie sollte auch irgendjemand neben Majoe oder Farid Bang seinen Verstand beieinander halten können, wo mir schon auf die Entfernung die Neuronen verzweifelt und lebensmüde wie die Lemminge in Scharen zu den Ohren hinaushüpfen?

"Ich benutz' einen Hula-Hoop-Reifen als Cockring." Besonders in Verbindung mit der vom Majoe noch einmal explizit ausgesprochenen Weigerung, jemals die Beine zu trainieren, gibt Farid Bang in meiner Vorstellung so eine ganz schön verschobene Figur ab. Bei Elephantiasis soll ja Lymphdrainage helfen ... über die Blutleere im Hirn braucht sich angesichts derartiger anatomischer Herausforderungen jedenfalls niemand mehr zu wundern.

Die Featuregäste liefern astrein genau das, was man von ihnen erwartet: Farid Bang schiebt seinen offenbar schwer deformierten Prügel in jede Mutter oder was sonst gerade so ein Loch hat. Manuellsen heult, wo Xavier Naidoo wohl zu teuer war. Kollegah fährt, technisch makellos wie immer, einen selbstgefälligen Egofilm. Die Überraschung bei "Egoist" steckt wohl eher darin, wie zum Teufel man es hinbekommen hat, ein Falco-Zitat wie ein Prinzen-Sample klingen zu lassen.

"Piff feat. Kurdo" dagegen birgt gleich gar nichts Unerwartetes, lediglich großkotzige Posen, die eine emotionalere Reaktion als "Pffft!" wirklich nicht verdienen. Gleiches gilt für die ebenso absehbaren wie spurlos vorüber ziehenden Auftritte von Majoe und PA Sports.

Wirklich Spaß dagegen macht Summer Cem. Die in "Hayvan" (wieder ein türkisches Wort gelernt! Dankesehr.) aus Kleinigkeiten gepuzzleten Selbstporträts der beiden Herren amüsieren derart, dass weder autogetunte "Oh-Oooohs!" noch ulkige Sangesversuche nicht gerade mit güldenen Gesangsstimmen gesegneter Rapper großartig Schmerzen bereiten.

Ach, ja. Vielleicht gar nicht so schlecht, dass die Unken dem Format Album allenthalben ein baldiges Ende prophezeien. Dürfte ich mir aus den 20 Tracks von "Rebellution" zehn aussuchen (der vergnügliche Bonus-Horrortrip "OMG" wäre garantiert dabei, ebenso das über einen orientalischen Jodler ohne Firlefanz zusammengebaute "Freestyle Skit Reloaded"): Ich bekäme zweifellos eine Kollektion zusammen, die sich nahezu uneingeschränkt loben ließe.

So aber bleibt der Eindruck so durchwachsen, wie KC Rebells Einlassungen zuweilen unlogisch wirken. Einerseits mit Erfolg und entsprechend viel Geld prahlen, sich dann aber wundern, dass das die Neider auf den Plan ruft. Freitags für die Feinde beten, ihnen aber gleichzeitig drohen. Alles flachlegen, das sich nicht allzu entschieden wehrt, dann aber der Alten nachweinen, die einen anderen ehelicht.

Auf eisenharten Straßenköter machen, und dann mit einem erzkonservativen Mainstreamradioliedchen wie "Zu Spät" aufkreuzen, das Sido (der von heute, nicht der Arschfickmann von einst) auch nicht familienfreundlicher hinbekommen hätte. Nicht zu vergessen: die Durchhalteparolen gleich mit dem motivierenden Zusatz "Du Bist Nichts" servieren. So kommt der Ratschlag sicher blendend an.

Immerzu Rebellion und Revolution im Munde führen, sich dann aber der bewährtesten unter den bewährten Stilmitteln und Inhalten bedienen. MoneyBoy dissen. Fickorgienphantasien ausbreiten, die allenfalls der U-14-Abteilung der Fanklientel rote Öhrchen bescheren. Und dann noch ein Gewitterregen? Ernsthaft? "Bei mir is' nix Fake", beteuert KC Rebell. "Jedes Tape is' 'ne Reality-Show." Stimmt vermutlich. Bloß dumm, dass Reality-Shows halt größtenteils scheiße sind.

Trackliste

  1. 1. Rebellution Intro
  2. 2. Auge
  3. 3. Kanax In Moskau feat. Farid Bang
  4. 4. Bist Du Da feat. Mauellsen
  5. 5. Egoist feat. Kollegah
  6. 6. Herzblut
  7. 7. Zu Spät
  8. 8. Freestyle Skit Reloaded
  9. 9. Hayvan feat. Summer Cem
  10. 10. Rap Rebellution
  11. 11. Geh Doch
  12. 12. Piff feat. Kurdo
  13. 13. Money Boy Interlude
  14. 14. Money Boy feat. Majoe
  15. 15. Head In A Bed
  16. 16. Du Bist Niemand feat. PA Sports
  17. 17. Rebell Army
  18. 18. Bounce 2 feat. Majoe
  19. 19. True Fucking Players feat. Farid Bang & Summer Cem
  20. 20. OMG

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9 Kommentare mit 24 Antworten

  • Vor 10 Jahren

    Schade, dass nicht näher auf den MoneyBoy Track eingegangen wurde...meiner Meinung nach der interessanteste/lustigste Track aufm Album!

    • Vor 10 Jahren

      Interessant, aber auch tierisch dumm...will ja nicht die Story verraten, aber da fasst man sich schon an den Kopf :D (Okay, kleiner Spoiler: KC und Majoe haben/hatten nen Gangbang mit Money Boys Mom...den Rest kann man sich denken ;))

      Ist aber auch der einzige Track, den ich gehört hab...KC hat auf jeden Fall ne geile Stimme/Flow, aber thematisch halt 0815 G-Rap...quasi Farid Bang mit erträglicher Stimme. Wer's mag...

  • Vor 10 Jahren

    Hmm, wenn das einer von denen ist, die noch was zum "Game" hinzufügen können, dann ist das aber ein ganz schön armes, kindisches Game, an dem ich nicht teilhaben möchte :-)

    • Vor 10 Jahren

      och. so lange es lustig ist, ist mir das wurscht. :wusrt:

    • Vor 10 Jahren

      Geh Spax hören, du Dünnbrettbohrer!

    • Vor 10 Jahren

      Spax WAR zumindest irgendwann mal relevant, im Gegensatz zu diesem Zeitgenossen, der wohl immer unter "ferner liefen" laufen wird.

    • Vor 10 Jahren

      Und wen juckt das? Cro ist sicherlich auch "relevanter" als JAW, Kolle oder Morlockk. An seiner absoluten Wackness ändert das leider wenig...

    • Vor 10 Jahren

      Cro ist nicht relevant. Er ist nur kommerziell erfolgreich. ---> Großer Unterschied.

    • Vor 10 Jahren

      Dann erklär mir mal, inwiefern ein Spax relevant war/ist. Mir wäre neu, dass er das "Game" in irgendeiner Weise beeinflusst/geprägt hat... Er war da, als es noch nicht viele andere gab, aber diese Tatsache unterscheidet ihn null von Fanta 4, Fettes Brot und anderen damaligen Konsorten

    • Vor 10 Jahren

      Spax war schon von Anfang an tief verwurzelt in der deutschen Hip-Hop Kultur. Freestyler, Breakdance-Supporter, Moderator von Events, Workshops mit dem Goethe-Institut, Theater-Arbeit, Staatsoper Hannover etc. und mehr. Von daher würde ich ihm schon eine gewisse Relevanz unterstellen.

    • Vor 10 Jahren

      Ich redete eigentlich von seinem Einfluss im Rap-"Game" und nicht im Theater-/Opern- oder Moderator-"Game".

    • Vor 10 Jahren

      Das interessiert keine_Ahnung halt nicht. Ist ja nicht relevant, dass man ihn damals aufm 1ten HipHop-Open schon nicht als Künstler haben wollte und ihn deshalb als Ansagen-Hampelmann eingestellt hat. Hauptsache krasse Breakdance-Roots und n nicen Backpack.

    • Vor 10 Jahren

      Weil Spax so relevant war, wird er auch von zig modernen Deutschrappern als Einfluss genannt. Du DUMMKOPF. Nebenbei klingt dein Gelaber von Kultur, freestyling usw. nach der typischen lautuser-Guelle.

      Du raffst genauso wenig wie der behaemmerte Eifelmongo, dass der Grossteil auf die Kultur scheisst. Meistens geht es um 3 Dinge: cash, guns, drugs. Nicht das, was verblendete Ewiggestrige wie Immo, Spax oder Reen da so von sich geben aus ihren Traumwelten.

    • Vor 10 Jahren

      Gott, seid ihr alle wack :-D

    • Vor 10 Jahren

      @Baude: Ich würde Dir in Bezug auf die drei Dinge Cash, Guns & Drugs Recht geben, aber nur für die Zielgruppe der 13-17 Jährigen oder der 18-22 Jährigen, die auf GTA San Andreas hängen geblieben sind.

    • Vor 10 Jahren

      Du kannst es ja sehen wie du willst, aber das alles ändert nichts an der Tatsaache, dass selbst unter den heutigen Ü35-Rappern niemand Spax oder Immo als Inspirationsquelle angibt, geschweige denn einem der beiden überhaupt irgendeine Relevanz zuspricht. Aber wer weiß, evtl. sollte man sich beim Theater- und Opern-Publikum umhören :suspect:

  • Vor 10 Jahren

    Die Cockring-Line ist doch geklaut.
    Hollywood Hank rappte doch schon, sein Cockring sei ein Traktorreifen.