laut.de-Kritik
Eine Schmetterlingsgeschichte für die Ewigkeit.
Review von David MaurerSelten traf das im Rap wohl am häufigsten bemühte Sprichwort so sehr zu wie in diesem Fall: "You can take your boy out the hood / But you can't take the hood out the homie." Snoop Dogg bringt es in "Institutionalized" auf den Punkt - und beschreibt damit Kendrick Lamars Reise nahezu perfekt.
Denn für "To Pimp A Butterfly" verlässt K-Dot sowohl musikalisch als auch thematisch das Viertel, das er in "Good Kid, M.a.a.d. City" so lebhaft vorstellte, um einen weitreichenden Blick auf die afroamerikanische Identität zu werfen. Zwischen Blaxploitation, Reflexion und dem Aufruf zum Selbstbekenntnis ist sein neues Werk noch vielschichtiger, noch intelligenter und wichtiger als der Vorgänger. Ein gewöhnungsbedürftiges, lyrisch wahnsinnig düsteres Album, aber auch das erwartet einzigartige.
Dass sich der TDE-Rapper zu Höherem berufen fühlt als zu traditionellem West Coast-Sound, zeichnete sich schon auf seinem Major-Debüt, spätestens aber in der viel diskutierten Single "I" ab. Und wer mit der schnellen Pop-Funk-Nummer, die markante Elemente des Isley Brothers-Song "That Lady" verwendet, bislang nicht wirklich viel anfangen konnte, dürfte seine schlimmsten Befürchtungen im ersten Track zunächst bestätigt sehen.
Flying Lotus, Kendricks kreativer Bruder im Geiste, haucht dem Opener "Wesley's Theory" nämlich pulsierenden P-Funk ein, den man sich von K-Dot zunächst nicht unbedingt erwartet, geschweige denn gewünscht hätte.
Nicht minder mysteriös als der kunstvolle Albumtitel "To Pimp A Butterfly" setzt der Song dann mit den ebenso viel- wie nichtssagenden Zeilen von Parliament-Legende George Clinton ein: "When the four corners of this cocoon collide / You’ll slip through the cracks hoping that you’ll survive / Gather your wind, take a deep look inside / Are you really who they idolize? / To pimp a butterfly."
Doch wenn King Kendrick aus der Steueraffäre um Wesley Snipes anschließend ein raffiniertes Rollenspiel zwischen einem abgehobenen schwarzen Künstler und dem mahnenden Uncle Sam strickt, öffnet die Geschichte um den aufgemotzten Schmetterling ihre Pforten.
Lehrstoff für Universitäten, gar einen Ausdruck für die Ewigkeit habe er mit dem Titel erschaffen, behauptete Kendrick Lamar in einem Interview kurz vor Release. Und tatsächlich wird "To Pimp A Butterfly" im Laufe seiner fast 80 Minuten zum Rap-Politikum.
Die Metapher vom schwarzen Musiker als Schmetterling, der, von Major-Labels zu deren Gunsten gepimpt, jegliche Schönheit und Inspiration verliert, dafür immer mehr von einer surrealen Welt aus Reichtum und Berühmtheit verschluckt wird, kritisiert dabei aber keinesfalls nur die Plattenfirmen.
Im bereits vorab veröffentlichten "King Kunta", mit seinem stark repetitiven Funk-Beat eine der eingängigsten Nummern, schießt K-Dot auch gegen seine Kollegen, die sich selbst in Geld und Überheblichkeit ertränken: "I was gonna kill a couple rappers but they did it to themselves / Everybody's suicidal they don't even need my help."
Das jazzige "Institutionalized" greift die Thematik auf und vertieft die Identitätskrise zwischen Erfolg, Ruhm und Verwurzelung in der "trap", während "Hood Politics" als einer der wenigen klassischen Hip Hop-Tracks auch auf "Good Kid, M.a.a.d. City" gepasst hätte.
Die Wucht von "The Blacker The Berry" bleibt jedoch unerreicht. Schildert Kendrick in "I" noch Selbstliebe und Stolz als Afro-Amerikaner, entlädt sich hier die Kritik über die vermeintliche Scheinheiligkeit der schwarzen Bevölkerung: "So why did I weep when Trayvon Martin was in the street? / When gang banging make me kill a nigga blacker than me?"
Nach wie vor beeindruckt dabei der Facettenreichtum, mit dem der Kalifornier seine Texte vorträgt. Mehr denn je variiert Kendrick in seiner Stimmlage, um Gefühlen und deren Schwankungen Ausdruck zu verleihen. Er flowt voller Selbstsicherheit, schreit vor Angst und zischt vor Wut, führt verworrene Selbstgespräche und ausgefeilte Dialoge.
Neben Eminem bleibt er damit wohl der einzige MC, der eine optimistische Gute-Laune-Hymne ("I") ebenso überzeugend transportieren kann wie das von Selbstzweifeln getriebene, mit düster experimentellem Sound unterlegte "U": "I fuckin' tell you, you fuckin' failure you ain't no leader!"
Und hat man sich darauf eingelassen, dass statt Hits wie "Bitch Don't Kill My Vibe" oder "Money Trees" Funk, Soul und Free Jazz ("For Free?") dominieren, zieht "To Pimp A Butterfly" auch abseits des fast unerreichbaren Vortrags des Hauptdarstellers in seinen Bann. Zumal immer noch reichlich G-Funk und Boom Bap-Elemente wie in "You Ain't Gotta Lie" zu finden sind.
Kendrick Lamar und Dr. Dre, der wie schon auf "Good Kid, M.a.a.d. City" als Executive Producer über das Geschehen wacht, beweisen auf allen 16 Tracks gewohnte Geschmackssicherheit. Mit Flying Lotus, Terrace Martin oder Thundercat haben sie genau die richtigen Leute gefunden, um ihre Idee von Hip Hop umzusetzen, die phasenweise irgendwo zwischen Prince, The Roots, 7 Days Of Funk und eben Kendricks eigenem Sound liegt.
Dass die Verantwortlichen dabei fast vollkommen auf Rap-Features wie die Black Hippy-Kollegen Jay Rock,- Ab-Soul und Schoolboy Q verzichten und sich Gastbeiträge auch ansonsten eher auf kurze, zusätzliche Vocals beschränken, überrascht zunächst. Weniger aber die Tatsache, dass Kendrick Lamar als Rapper, Spoken Word-Artist und Sänger trotzdem für einen unglaublich vielstimmiges Gesamtbild sorgt.
Für einen mehr als würdigen Abschluss sorgt das mehr als zwölf Minuten lange "Mortal Man", das mit einem geschickt zusammengefügten Scheininterview mit Tupac Shakur überrascht. Das Gespräch über Armut, Rassismus und Endlichkeit spiegelt abschließend alles wider, was "To Pimp A Butterfly" ausmacht: Flüssig und lebendig wie "Undun", gleichzeitig aber fragment- und rätselhaft wie "ATYSYC" skizziert Kendrick Lamar die afroamerikanische Identität auf eine beeindruckend intelligente Weise, die im Hip Hop vielleicht über Jahre unübertroffen bleiben wird.
Nach 16 mitreißenden und genialen Tracks, die "To Pimp A Butterfly" zum besten und bedeutendsten Rap-Album des Jahres machen, wundert es kaum, dass K-Dot für schwarze Teenager "the closest thing they have to a preacher" sein will, vielleicht sogar sein muss. Denn Kendrick ist nicht nur King und Messias - Kendrick is for the children.
34 Kommentare mit 104 Antworten
Da ich weder US-Amerikaner bin, als Weißbrot kein Problem mit Rassismus habe da dieser weder an mir ausgeübt wird noch ich ihn ausübe und die Beats unglaublich sperrig sind, kann ich mich weder mit dem lyrischen Inhalt noch mit dem Sound was anfangen.
Interessant für Betroffenen aus Übersee, Studenten für Politikwissenschaften und vermutlich Poesie (?!) aber für einen weißen Europäer aus dem Mittelstand in den Dreizigern ist das Album leider nix.
Schade, Section 8.0 und GKMC habe ich übertrieben abgefeiert aber für das hier fehlt mir das Verständnis. Mit Wohlwollen 2 von 5 aber auch nur weil mir "I" und "King Kunta" was gebe und Snoop wieder seinen Ladi-Dadi-Flow auspackt.
Sieh das Album doch als Gelegenheit, deine eigene Lebenswirklichkeit zu hinterfragen, Gelerntes auf den Prüfstand zu stellen und deinen Horizont zu erweitern.
Ich nehme stark an, du bist auch nicht in Compton als Mitglied der Eastside Crips aufgewachsen und konntest GKMC dennoch feiern.
@DeineMudda: Du kannst also wegen deiner Herkunft nichts mit den sperrigen Beats bzw. Sound anfangen?
@oliver: bei gott, natürlich war der inhalt gemeint. die beats taugen mir einfach so nicht.
@scarface: klar bin ich kein gangster, aber den gangsterfilm kann ich feiern, mit diesen malcom-x/martinlutherking-film tue ich mich hingegen schwer.
Dann geh doch die Fantastischen Vier hören, DeineMudda. Die dürften nach deiner Beschreibung genau zu deinem Lebensgefühl passen.
@erdal: du scheinst mich und mein lebensgefühl gut zu kennen, auch wenn das nur von einem kommentar meinerseits beruht.
vielleicht ist für dich weißen europäer aus dem mittelstand auch eher fettes brot oder jan delay der heiße scheiß.
Weiße Europäer sollten sich dem Einfluss dieser seltsamen HipHop-"Musik" sowieso erwehren. Das passt einfach nicht zu unserer Kultur.
Erdal du geile Schuhwichse. Wessen trollender Zweit-Nick bist du denn?
natürlich craze. oder lautuser. oder deinemudda.
Ich bin seit Dez 13 ohne jegliche Fakes und Zweitnicks unterwegs - ich verurteile Fakes.
Ich als Europäer habe kein Problem damit sowohl Reihenhaus-Rap (ok, die letzten Jahre nicht mehr, aber davor schon lange) UND Gangster-Rap (aus US und D) UND Death-Metal UND Soul zu feiern. Schubladendenken ist doch für Schwupdis.
Hopp, geh ma lieber wieder Schuhe polieren, Erdal. Ist bekanntermaßen das Einzige, wozu du taugst.
Er würde damit zumindest etwas zur Steigerung des Volksvermögens beitragen und nicht seine Zeit dumm im Internet verschwenden.
Volksvermögen ist was für Kommunisten. Aber dein linkes Gutmenschen-Getue ist ja schon lange ein Ärgernis.
Ich gehe wenigstens einem anständigen Beruf nach. Wieviele von euch das von sich behaupten können, sei mal dahingestellt.
Nur weil du dich hauptberuflich in der Schlange vorm Amt aufhältst ist das noch kein "anständiger" Beruf.
Das ist Mitnichten der Fall. Ich bin in der Forstwirtschaft tätig.
Nur weil du im Wald wohnst... ach, lassen wir das.
Hihi
Gibt es hier eigentlich keine Sprachwissenschaftler, die Heimatfreunds Texte mit denen anderer Usern vergleichen könnten?
Doch, gibt es: mich. 100% Fake, nuffsaid.
Es könnte ruhig mal wieder jemand einen Fake erstellen, der etwas komplexer ist. Die Mühe lohnt sich ja kaum. Man verliert sehr schnell die Lust.
So ein fresher lautuser Fake wäre doch mal wieder nett.
Wird mal wieder Zeit für eine "schöne Kreatur"
Lautuser fakes waren extrem offensichtlich.... mir fehlt jana
Die Klonkriege 2.0.. mich dünkt sie starten. Rechti hat es vorhergesagt. Werde mich ausklinken.
Weil du auch kein Klon_ bist oder was?
wie lustig. sodhan. Peter sodann oder? am besten war aber gayrett der sich im nachhinein entschuldigt hat damals
Ich muss hier zustimmen. Glaube auch, dass Kendrick Lamar hier absichtlich 'trollt'. Die FLotus/Thundercat-Instrumentals sind ziemlich sperrig, und die Thematik für mich nur ansatzweise greifbar.
S80 bleibt für mich Kendricks bestes.
Puuh, die Rezension strotzt ja nur so vor Superlativen. Ich bin gespannt, ob das Album diese hohen Erwartungen bei mir erfüllen kann. Vom "bedeutendsten Rap-Album des Jahres" zu sprechen ist meiner Meinung ganz schön hochgegriffen...
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Aber wenn dir das Soundbild nix gibt, muss der Inhalt es reißen und hier muss ich mich zumindestens in irgendeiner Weise angesprochen fühlen. Werde ich aber nicht, da ich keinen Bezug dazu finde.
Und wo hat er das bitte behauptet?
Jetzt versteh ich endlich, wieso viele Popstars ein Image und eine dazugehörige Zielgruppe brauchen. Anscheinend gibt es Leute, die nur Texte gut finden, in denen es um ihre eigene Lebensrealität geht.
deshalb höre ich auch ausschließlich nur porngrind.
deshalb hört Torque NMZS
@Lauti bin auch kein Freund von HipHop/Rap, insbesondere den amerikanischen Urrap mit diversen Slangbegriffen die ich überhaupt wenn nur mit Bronxstadtteilübersetzer verstehe, geht mir echt am Arsch vorbei. Also liegst du falsch mit deiner Aussage.
Gerade Rap lebt vom verstehen. Bei einem fetten Beat mag der Boden wackeln, das stört aber höchstens den Nachbarn.
Gruß Speedi
Speedi: Kann Dir nicht ganz folgen. Was meinst Du mit "auch"? Ich bin absoluter Rap-Fan und mit den Jahren kriegt man den Slangschon ganz gut drauf. Natürlich ist u.a. verstehen wichtig, habe ich doch nicht bestritten.. Missverstehen wir uns gerade?
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Dieser Kommentar wurde vor 9 Jahren durch den Autor entfernt.
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@speedi
wenn du kein freund von hip hop bist, woher willst du dann wissen, wovon rap "lebt"?
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Ich Liebe diese Album!
Steht für mich in punkto Relevanz direkt neben Alben wie The Wall, Songs in the Key of Life, What's Going On, Bitches Brew oder Electric Ladyland.
Qualität > Hits
Einer der besten Alben jemals