laut.de-Kritik

So muss sich Nu Metal im Jahr 2022 anhören.

Review von

Gefühlt machen Korn alle paar Jahre ein großes Comeback, aber ein Blick auf die Diskographie zeigt: Die waren eigentlich nie weg. Und nach einem Industrial- und einem Elektronikexperiment im Sound klangen sie mit dem 2019er-Werk "The Nothing" so, wie Korn halt klingt, und feierten damit mindestens die zweite Rückkehr zum Originalsound, die sogar sehr unterhaltend glückte.

"Requiem" knüpft daran an und setzt die lange, lange Reihe hässlicher Albencover fort, ebenso wie die für Korn schon immer typisch simplen, ausgesprochen negativen Lyrics. Wie der Vorgänger versucht "Requiem" keine Sekunde lang, Korn neu zu erfinden, fällt aber ein Stück weit weniger wie ein Best-Of an Fanservice und mehr wie ein kohärentes, tatsächlich neues beziehungsweise zeitgenössisches Album aus. Die durchschnittliche Vorabsingle "Start The Healing" verlässt sich für eine nennenswerte Dynamik etwas zu sehr auf das Barking von Jonathan Davis im Refrain, außerdem sieht das Video aus wie ein Fan-Remake von alten Tool-Videos. Den ungewohnt cleanen Sound macht der angenehm sperrig und rasch vorbeirauschende Opener "Forgotten" schon wieder vergessen.

Der Rest des Albums macht zum größeren Teil richtig Bock und ist griffig. Davis wird zwar seit zehn Alben nachgesagt, neue Wege mit seiner Stimme zu beschreiten, das ist aber Quatsch. Der macht dasselbe wie immer, vermutlich dem Alter geschuldet mit mehr Souveränität und weniger Bruch in der Stimme, was aber durchaus seinen Reiz hat und langsamere Gesangspassagen auf "Requiem" etwas glatt wirken lässt.

Die gelungene Single "Lost In The Grandeur" und vor allem "Hopeless And Beate" zeigen die Core-/Doom-Elemente, mit denen Korn seit "The Serenity Of Suffering" in homöopathischen Dosen spielen und die auch auf "Requiem" vernehmbar sind. Sie prägen dieses Altwerk insofern, als Korn statt auf schneller/langsamer auf lauter/leiser setzen und ein insgesamt gedrosseltes Tempo, das ihrem Sound zupasskommt. So und wie das ebenfalls deutlich von zeitgenössischem Metalcore angehauchte, variantenreiche "Penance To Sorrow" kann sich Nu Nu Metal im Jahr 2022 anhören. Besser als die zahnlose Nu Metal-Revival-Welle um Cane Hill und Tetrarch ist es allemal.

Das liegt auch daran, dass Korn den authentischen Abriss mit einer bemerkenswerten Verve pflegen. "Let The Dark Do The Rest" und "Disconnect" bauen sich nicht zum Selbstzweck auf und überzeugen trotzdem mit überbordender Wut, eben ohne dabei schematisch zu wirken. Arg selbstreferenziell wird es nur mit dem Rausschmeißer "Worst Is On Its Way", der allerdings mit seiner zähen Verbissenheit das Albumhighlight darstellt. Wer "Follow The Leader" so enorm verspielt und versiert in die Gegenwart zerrt, landet halt bei einem richtig guten Song.

Die Produktion von Chris Collier trägt dazu bei, das Potenzial von "Requiem" auszufüllen. Fieldys Bass, der leider seit den Albumaufnahmen eine "ihm empfohlene" Auszeit wegen "persönlicher Probleme" nimmt, ballert härter als in den Produktionen der letzten Jahre und trägt Songs wie "My Confession" so ganz automatisch eine Stufe höher. Das Album spricht eine durchgehende Formensprache und bleibt mit einer guten halben Stunde knackig, ohne überhastet zu wirken. Gutes Ding, Kyrie statt Requiem ist angesagt.

Trackliste

  1. 1. Forgotten
  2. 2. Let the Dark Do the Rest
  3. 3. Start The Healing
  4. 4. Lost in the Grandeur
  5. 5. Disconnect
  6. 6. Hopeless and Beaten
  7. 7. Penance to Sorrow
  8. 8. My Confession
  9. 9. Worst Is On Its Way

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16 Kommentare mit 24 Antworten

  • Vor 2 Jahren

    Kann der Rezension grundsätzlich zustimmen. "The Nothing" war für ein Spätwerk schon sehr gelungen, unverhofft. Dennoch wäre es auch mE am Ziel vorbei gewesen, dasselbe jetzt nochmal in den Ring zu werfen und besser den hier genannten "Fanservice" etwas zurückzustellen. Ich finde das Album aber nicht stark, 4 Sterne ist auf jeden Fall einer zu viel. Ich würde solide 3 Sterne vergeben, vor allem auch deswegen solide verdient, weil koRn sich (leider?) stets etwas zu wenig Zeit für ein Album nehmen und man daher berücksichtigen muss, dass sie wahrscheinlich alles raushauen, sobald es fertig ist. Diese o.g. Omnipräsenz muss man schon auch würdigen. Man kann es gut zusammen mit "The Nothing" durchballern.

    • Vor 2 Jahren

      War ja klar, dass du pünktlich zum neuen Korn-Album hier wider auf die Matte plumpst. :P

    • Vor 2 Jahren

      Cringepsycho, dich gibt's noch! ♥

    • Vor 2 Jahren

      Niemals werde ich meine hessischen Freunde im Stich lassen, NIEMALS! Dich schon gar nicht, Schwingo!

      @Gleep:
      Die Motivation war eigentlich eher "Black Summer", aber dennoch: messerscharf erkan(n)t!

    • Vor 2 Jahren

      ach, funnyfact:
      natürlich weiß ich seit Wochen, dass das Album Requiem heißen wird, allerdings habe ich heute morgen, als die Review draußen war, tatsächlich Ragism gelesen :lol:

    • Vor 2 Jahren

      Spätwerk? Über Korn selbst legen ich mal besser den Mantel des Schweigens, aber bei einer Band, die noch keine dreißig Jahre existiert bzw. Musikern, die gerade mal um die Fünfzig sind von Spätwerk(en) zu sabbeln kann nur von jemandem kommen der sich nicht für Musik interessiert. Du könntest glatt eine WG mit Spackgism aufmachen. Musst das mit dem Spätwerk jetzt nur als unverstandene Ironie deklarieren.

    • Vor 2 Jahren

      Nene, ich interessiere mich tatsächlich überhaupt nicht für Musik. Ich interessiere mich für gar nichts. Aber ein Widerspruch ist dann doch in deiner Argumentation: es ist ja so, dass KoRn jetzt nicht die Überband sind, daher kalkuliere ich, wenn ich an so einer Stelle von "Spätwerk" sabbel bereits mit ein, dass es sie wohl nicht so lange geben wird, wie diejenigen, die du wohl so meinst ;). Kurz: Ich hänge gedanklich schon gefühlte 20 Jahre ab, da ich weiß, dass das Niveau von KoRn nicht mithält. Verstanden?

    • Vor 2 Jahren

      Ja, ja, die Kristallkugel. ;)

    • Vor 2 Jahren

      Ich konnte das Mysterium jetzt auch einfach nicht für mich behalten.

    • Vor 2 Jahren

      Find ich gut. Daumen hoch!

  • Vor 2 Jahren

    Mir persönlich gefällt daran am meisten, dass es nur 32 Minuten geht, was ausdrücklich keine negative Kritik ist. Einfach neun gute bis sehr gute Songs, die sofort zünden, keine Filler, kein unnötiger anderer Schnickschnack.

  • Vor 2 Jahren

    Hätt ich nicht erwartet. 0.o Korn mit 4 Points! :0 Da muss ich mal reinhören.