laut.de-Kritik

Die Berliner Entgegnung auf Banks?

Review von

Hochstaplerisch und hölzern wirkt das Etikett "FutureDeutscheWelle" auf den ersten Blick. Doch lässt man den Reigen elektronischer Beats dann erst einmal über sich ergehen, erscheint es schon gar nicht mehr so abwegig. Was das Berliner Produzenten-Team Beatgees der bei Chimperator gesignten Lary hier zusammengebastelt hat, adaptiert zwar vor allem den internationalen Zeitgeist, klingt für eine deutsche Newcomer-Platte aber in der Tat überdurchschnittlich modern – und, wer weiß, vielleicht ja sogar zukunftsweisend.

Für diese Einsicht genügte eigentlich schon die düster-betörende Vorabsingle "Sirenen". Hi-Hats wie Nadelstiche treffen auf weitläufige Hallräume, hautenges Sidechaining auf große Melodien: Gerne hätte man das als Berliner Antwort auf Banks interpretiert - wäre es beeindruckenderweise nicht schon über ein Jahr vor deren Debütalbum erschienen.

Und stieße man nicht gleich bei "Problem" auf allzu bekannte Muster: "Nie zu viel und nie genug / Stunden ohne ihn, kalter Entzug / ich bin verloren", klagt Lary da. Das Fazit, eingebettet in eine klebrige Refrainmelodie: "Er ist ein Problem / doch ich will keinen außer ihn." Gähn.

Dieses Oszillieren zwischen durchweg gelungenen und nicht unwesentlich am Ziel vorbei geschrammten Tracks zieht sich im Grunde durch die komplette Laufzeit. Das Spiel mit dem "Feuer" gerät etwa zum epischen Spektakel, "System" wurde natürlich zurecht ein Hit. An anderer Stelle überschlagen sich zwar die guten Ansätze ("Propeller", "Hollywood", "Lieder Über Liebe"), ersticken jedoch an Floskeln, nerviger Melodieführung oder Teenie-Tagebuch-Zeilen wie "Manchmal ist alles, was man wirklich braucht, Freunde sehen und Schokolade essen." ("Outro")

Am deutlichsten tritt die immer wiederkehrende Diskrepanz zwischen Produktion und Hookline in "Rot" zutage: Das Instrumental umgarnt mit schlafwandlerischen Synthie-Pads und Grillen-Gezirpe, in den Strophen macht Lary eine unangestrengt gute Figur, findet gar ansatzweise zu ihrem persönlichen Blues, während der Chorus ("Wie du mich küsst-küsst-küsst-küsst-küsst-küsst-küsst / hab' ichs vermisst-misst-misst-misst-misst-misst-misst") dann doch eher unangenehme NDW-Assoziationen weckt.

Letztlich überwiegt aber der Eindruck, dass Lary der jahrelange Reifeprozess - von der Entdeckung durch Curse und Chima über ein New York-Abenteuer und Modeljobs bis zum Umzug nach Berlin - gut getan hat: Für ein Debütalbum wirkt "FutureDeutscheWelle" erstaunlich rund. Das bügelt die faden Textpassagen und vereinzelten Kaugummi-Hooklines zwar leider nicht aus. Die werden ihrer rosigen Zukunft aber vermutlich nicht im Wege stehen.

Trackliste

  1. 1. Jung Und Schön
  2. 2. Sirenen
  3. 3. Problem
  4. 4. System
  5. 5. Hollywood
  6. 6. Propeller
  7. 7. Outro
  8. 8. Allein
  9. 9. Rot
  10. 10. Feuer
  11. 11. Lieder Über Liebe
  12. 12. Sturm Und Drang
  13. 13. Kryptonit
  14. 14. Revolver

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1 Kommentar

  • Vor 9 Jahren

    Ein sehr stimmiges Album dass sich mit intellegent-gemeinten Texten auf elektronisch-melodischen Instrumentalen über den gesamten Tonträger melancholisch und zu gleich zuversichtlich der Kunst verschreibt. Das Gesamtprodukt lässt sich gut hören, auch wenn vieles noch besser gemacht hätte werden können. Bin gespannt was von der attraktiven jungen Dame noch so kommt.