laut.de-Kritik

Das Album nach dem Kassenschlager "Ziemlich Beste Freunde".

Review von

Ludovico Einaudi ist ein Phänomen. Ganz klammheimlich hat er sich mit der Schnittmenge aus Pop und Klassik ins Rampenlicht geschlichen. Fast unbemerkt vom Mainstream flirren seine Kompositionen überall umher. In Filmen, Dokumentationen, im Café des Vertrauens und so weiter.

Mittlerweile macht der sympathische Italiener auch große Hallen voll, wie schon der letzte Live-Mitschnitt aus der Royal Albert Hall zeigte. Zum letztjährigen Kassenschlager "Ziemlich Beste Freunde" steuerte er ebenfalls einige Klänge bei, die den wunderbar rührseligen Streifen atmosphärisch erst zu dem machten, was er jetzt ist: großes Kino.

Sein neuestes Studiowerk "In A Time Lapse" knüpft hier nahtlos an. Der Pressetext sei an dieser Stelle auszugsweise zitiert: "Auf dem Album 'In A Time Lapse' reflektiert Ludovico Einaudi die Einsicht in die Endlichkeit des Lebens und ihren Effekt auf unser Fühlen und Erleben. Damit kreiert er den bewegenden Soundtrack zu einer Art Lebensfilm im Zeitraffer. Nie war Entschleunigung so greifbar, selten ist Musik so nah an der Seele - Einaudi schafft Raum und Zeit, um Zeit und Raum zu vergessen."

Diese Zeilen kann man sacken lassen, man dreht sie hin und her, denkt über sie nach ... und vergisst sie am besten gleich wieder. Warum? Einfach deshalb, weil er mit seiner Musik ganz sanft dein Herz berührt und es nicht mehr los lässt. Gebrauchsanleitungen darüber, wie man die 13 Stücke auf "In A Time Lapse" zu lesen hat, benötigt deshalb auch kein Mensch. Nicht einmal erklärende Worte des Künstlers selbst. Seien sie auch noch so wahr und philosophisch wie diese: "In dem Moment, in dem wir erkennen, dass unsere Zeit nicht unendlich ist, beginnen wir, diese Spanne mit aller Energie und aller Leidenschaft zu füllen, über unsere Grenzen hinaus zu denken und jeden Augenblick so intensiv zu leben, wie wir es als Kinder getan haben."

Einaudi lebt seine Musik, das merkt man, das hört man, und: man fühlt es. Aus welchem Quell der Mann seine melancholische Grund-Atmosphäre schöpft, möchte man am besten nie erfahren. So bewahrt man sich den Zauber seiner Klänge. Ihm gelingt das Kunststück, immer wieder aufs Neue Melodien zu erschaffen, die ganz tief in der emotionalen Wunderkiste wühlen.

Den Stücken liegt dabei ein Dualismus zugrunde, der im Innern des Menschen zwei Knöpfe drückt: einen fürs Lachen und einen fürs Weinen. Seine dahin geworfenen Piano-Melodien klingen zuvorderst simpel, entfalten aber eine Dynamik, die irgendetwas mit einem anstellt. Nur was?

Nach den 66 Minuten fragt man sich unwillkürlich, welchen Film man hier eigentlich fährt und was Einaudi mit einem anstellt. Am Ende fehlen auch hier die Worte. Aber manchmal darf man sich auch einmal eingestehen, beim Beschreiben der Schönheit nicht über den geeigneten Wortschatz zu verfügen. Deshalb sei an dieser Stelle darauf verwiesen, das man die Worte dieser Rezension sacken lassen kann. Man kann sie hin und her drehen, denkt über sie nach ... und vergisst sie am besten gleich wieder und hört selbst.

Trackliste

  1. 1. Corale
  2. 2. Time Lapse
  3. 3. Life
  4. 4. Walk
  5. 5. Discovery At Night
  6. 6. Run
  7. 7. Brothers
  8. 8. Orbits
  9. 9. Two Trees
  10. 10. Newton's Cradle
  11. 11. Waterways
  12. 12. Experience
  13. 13. Underwood
  14. 14. Burning

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