laut.de-Biographie
Mark Lanegan
Er sei getrieben von der Suche nach dem perfekten Verhältnis zwischen Laut und Leise, versuchte Mark Lanegan einmal, sein disparates Werk auf einen griffigen Nenner zu bringen. Tatsächlich scheinen Welten zu liegen zwischen seinen Rocker-Aktivitäten als Sänger der Screaming Trees und der Queens Of The Stone Age auf der einen Seite und seinen Solo-Veröffentlichungen andererseits. Während viele Soloalben akustisch instrumentiert sind und einen nachdenklichen, fast in sich gekehrten Songwriter zeigen (leise), bilden seine Bands zu ihrer Zeit jeweils die vorderste Speerspitze des Rock (laut).
Am 25. November 1964 in Ellensburg im Bundesstaat Washington geboren, schließt sich Lanegan nach der gemeinsamen Schulzeit mit Mark Pickerel, Gary Lee Conner und Van Connor zu den Screaming Trees zusammen, um der gemeinsamen Leidenschaft für Punk und Garage zu frönen. Alkohol, Drogen und Prügeleien bestimmen den Alltag der Band, deren Mitglieder angeblich auch wie hardrockende Sumoringer aussahen. Gary Lee Conner hat zu diesem Zeitpunkt sogar bereits eine kurze Karriere als Wrestler unter dem Pseudonym Butch "The Butcher" Butcher hinter sich.
Die Band verschmilzt Psychedelic- und Garage-Rock mit 70er Hardrock und Punk, wird aber wegen des zeitweiligen Vertrags mit dem Seattle-Label Sub Pop und vor allem ihrer melancholischen Grundstimmung oft dem Grunge zugeordnet. 1986 veröffentlicht die nach einem Gitarrenverzerrer benannte Combo auf dem kleinen Indie-Label Velvetone ihr erstes Album. Dabei soll Lanegan, ursprünglich Schlagzeuger, zunächst nur ungern das Mikro übernommen haben. Von Album zu Album entwickelt er jedoch einen immer ausgeprägteren Gesangsstil zwischen heiserer Kopfstimme und Flüsterton, die im Zusammenspiel mit Gary Lee Conners jaulender Sologitarre zum Markenzeichen der Screeming Trees wird.
Zunehmende Streitigkeiten machen ab dem Ende der 80er Jahre das gemeinsame Musizieren immer schwieriger, so dass die Band-Mitglieder sich zeitweise auf eigene Projekte konzentrieren. Im Jahr 1990 nimmt Mark Lanegan mit Unterstützung von Kurt Cobain und Krist Novoselic von Nirvana sein erstes Soloalbum "The Winding Sheet" auf. Kurz darauf bietet Epic den Screaming Trees einen guten Vertrag an, das daraus resultierende, von Soundgardens Chris Cornell produzierte "Uncle Anesthesia" erfüllt jedoch die kommerziellen Erwartungen des Sony-Ablegers nicht. Wieder gehen die Band-Mitglieder eigene Wege, Bassist Van Conner etwa wechselt zeitweise zu Dinosaur Jr..
Mit neuem Drummer eingespielt, erscheint 1992 "Sweet Oblivion", das vorletzte und mit 300.000 Exemplaren sich am besten verkaufende Album der Screaming Trees. In der Folge löst sich die Band mehrfach auf, um sich dann doch noch einmal für Touren oder neue Alben ("Dust", 1996) zusammen zu raufen. Unterdessen beschreitet Lanegan seinen Solo-Weg weiter, der mit dem sentimentalen "Whiskey For The Holy Ghost" oder dem balladengeschwängerten "I'll Take Care Of You" eher in die nachdenklich-ruhige Songwriter-Ecke führt, obwohl er für die Aufnahmen immer wieder auf seine alten Kontakte zurückgreift.
Erst im Frühsommer 2001 lässt Lanegan sich wieder auf eine (mehr oder minder) feste Bandkonstellation ein - mit weitreichenden Folgen. Bei den Queens Of The Stone Age bedient er die Gitarre und übernimmt auch einige Vocalparts. Das Ergebnis heißt "Songs For The Deaf" und gilt nicht nur rasch als Mammut-Rockereignis des Jahres 2002, sondern rangiert viel später in der Rückschau über die besten Alben der Nullerjahre in nahezu jeder Liste weit oben. Neben Lanegan hinterlassen auch Dave Grohl, Dean Ween, Pete Stahl (Earthlings?), Natasha Shneider (Eleven) und Twiggy Ramirez ihre Spuren auf dem Meisterwerk.
Abgesehen von PJ Harvey sind nun schon die meisten Namen genannt, die Mark Lanegan zwei Jahre später auf "Bubblegum" beistehen. Vor allem regiert aber die Unvorhersehbarkeit: Manche Tracks lassen sich eher dem Blues, manche dem Rock'n'Roll, wieder andere überhaupt nicht zuordnen.
Dass diese Veröffentlichung unter dem Banner Mark Lanegan Band erscheint, signalisiert die große Bedeutung, die der mittlerweile trockene Sänger seinen Gaststars zubilligt. Seiner rastlosen Natur folgend, begibt sich der Sänger bis zum Folgewerk "Blues Funeral" auf eine acht Jahre lange Reise, die ihn in zahlreiche Aufnahmestudios führt. So erleben ihn seine Fans in den verschiedensten Soundwelten: Zusammen mit Isobel Campbell als eine Art Country-Folk-Wiedergeburt von Nancy & Lee ("Ballad Of The Broken Seas" erhält eine Mercury Prize-Nominierung), schwer psychedelisch mit Afghan Whigs-Mann Greg Dulli als Gutter Twins oder experimentell (UNKLE, Soulsavers, Bomb The Bass). So muss man Lanegans Selbsteinschätzung nicht gehört haben, um festzustellen: Dieser Mann ist wahrlich ein Getriebener. Zum Glück für seine Hörerschaft.
2020 wird ein besonderes Jahr für Fans des Tieftöners und der Grunge-Ära: Lanegan hat sich nach jahrelangen Anfragen dazu breitschlagen lassen, eine Autobiografie zu schreiben. Parallel dazu veröffentlicht er das Album "Straight Songs Of Sorrow". "Es ist keine Autobiografie im eigentlichen Sinne, sondern eher Memoiren über meine Jahre, die ich in Seattle verbracht habe, also etwa von 1987 bis 1997. Es geht darum, wie ich in dieser sehr ausführlich dokumentierten Zeit drauf war. Als plötzlich alle über die Musikszene von Seattle sprachen, durchlebte ich persönlich eine sehr dunkle Zeit, und einige meiner Freunde auch. Es war sehr schmerzhaft. Ich würde das Buch nicht nochmal schreiben", so der 55-Jährige im Interview Ende 2019.
Das Buch "Sing Backwards And Weep" zitiert im Titel einen Song von 2001 und inspirierte maßgeblich die neuen Songs. Hierfür holte er sich tatkräftige Unterstützung ins Studio: Greg Dulli, Warren Ellis, Ed Harcourt, Adrian Utley von Portishead, John Paul Jones, Wes Eisold von Cold Cave und Simon Bonney von Crime And The City Solution sind dabei.
Dass der Sound des Albums aufgrund der ihm zugrunde liegenden Thematik nicht rockiger ausgefallen ist, versteht man spätestens nach dessen Lektüre. Mit nie zuvor artikulierter Verachtung beschreibt der Musiker die immerhin 14 Jahre währende Karriere mit seiner Rockband Screaming Trees und lässt insbesondere an Gitarrist Gary Lee Connor kein gutes Haar. Doch er schießt nicht nur auf andere; mit brutaler Ehrlichkeit offenbart Lanegan im Buch auch seine häufig unsozialen Verfehlungen als ewiger Außenseiter, Schläger, Blackout-Trinker und Misanthrop. Im September 2021 erscheint es auch in deutscher Sprache unter dem Titel "Alles Dunkel dieser Welt".
Im Frühjahr 2020 infiziert er sich in seiner Wahlheimat Irland mit Covid-19 und liegt anschließend monatelang im Krankenhaus. Den schonungslosen Bericht über diese Zeit verarbeitet er 2021 im Buch "Devil In A Coma". Die Ärzte hatten ihm kaum Überlebenschancen eingeräumt. Der Musiker litt unter Gehörverlust und konnte zeitweise nicht laufen. Am 22. Februar 2022 wird bekannt, dass Lanegan in seinem Haus in Irland gestorben ist. Die Todesursache wurde nicht genannt. Aufgrund seines Buches darf davon ausgegangen werden, dass sein Körper die Virus-Infektion am Ende nicht mehr bekämpfen konnte. Mark Lanegan wurde 57 Jahre alt.
Zwei Jahre später erinnert man an ihn mit der Wiederveröffentlichung eines seiner besten Alben: "Bubblegum XX" feiert Zwanzigjähriges. Es ist das Album mit den PJ Harvey-Duetten, dem Klassiker "One Hundred Days" und das Album, das Lanegan in der Hochphase seiner Kooperationen mit Queens Of The Stone Age aufnahm. Angereichert mit raren Aufnahmen sowie zwölf unveröffentlichten Songs ist es eine liebevolle, für Fans unverzichtbare Hommage an den wortkargen Grunge-Barden mit der besonderen Stimme.
1 Kommentar mit einer Antwort
rip my old friend! you helped me thorugh a tough time period. it was in the late 90s when my ex broke up with me and she sended me the song "i nearly lost you" i was thinking.. wow this song is intense
some years later i bought the whole album thorugh oblivion and i partied so hard on it!!! it made me feel like a crank mixture between kurt cokain and stanly from aic
Wenn du schon meinst, englisch schreiben zu müssen, machs wenigstens richtig:
nicht: "she sended" sondern "she sent"
looser