laut.de-Kritik
Er trägt diesen tiefen Urschmerz in sich, der guten Hip Hop ausmacht.
Review von Lisa Wörner"Mein Plan ist wie die Sonne - er geht allmählich auf." Fest steht: Megaloh hat jetzt endlich einen. Nach dem Vorabrummel um sein Mixtape "Auf Ewig" und die "Monumentum"/"Mosaik"-Reihe will der Berliner Rapper endlich dieses eine Album machen, auf das Rapdeutschland schon so lange wartet. "Wer kann einfach zehn Jahre erfolglos Musik machen, trotzdem mit den krassesten Künstlern arbeiten und dann am Ende bei 'nem Majorlabel stehen?" Das können tatsächlich nicht viele von sich behaupten. "Breite meine Flügel aus, um mich hinaufzuschwingen - manchmal zieht man auch mit einem Aussichtslos den Hauptgewinn."
Aussichtlos war das mit Megaloh ja nie. "Endlich Unendlich" ist nun ein Album geworden, dass vor allem eins ist: authentisch. Ob er Autobiographisches erzählt wie in "Loser" oder sich in rührenden Nummern wie "Vaterfigur" und "In Deinen Augen" mit seiner Rolle als Ziehvater des Kindes seiner Freundin auseinandersetzt. Ob er auf einem Stieber-Sample in "Dr. Cooper (Ich Weiss)" oder in heroischen Hymnen wie "Endlich Unendlich" den Bogen zwischen Vergangenheit und Zukunft spannt. Ob er auf "Neue Schritte" gemeinsam mit Samy eine unfassbar gute Rapnummer runterreißt oder gemeinsam mit Chima oder Joy Denalane in "Fliegen Davon" hart an der überzuckerten Popschicht entlang kratzt, Megaloh ist und bleibt Hip Hop.
Er trägt diesen tiefsitzenden Urschmerz in sich, der guten Hip Hop ausmacht. "Es tut einem die ganze Zeit immer ein bisschen weh, wenn man ihm zuhört.", hat Max Herre mal gesagt. Megaloh ist wie ein verwundeter Grizzly - Thors Hammer in der einen und die Friedenstaube in der anderen Pranke haltend.
Dabei verströmt "Endlich Unendlich" an keinem Punkt Resignation oder Verbitterung, sondern transportiert durchweg Kampfgeist und Optimismus: "Kapitän auf hoher See in einem Zeitungsboot / Die Welt ist grau, aber ich schau durch mein Kaleidoskop." Den Proll von früher verpackt er in elegantem Understatement: "Das ist kein Egofilm, will nur reingehn und killn und dann heimgehn und chilln." ("Dr. Cooper") oder in zum Niederknien guten Battlepassagen, etwa in "Yogibär": "Hör zu, du Spatz / ich mach mit Skill ne Mille / Du lachst, kriegst die Axt / ritzt – zack / sie macht kille kille, du lachst nicht."
Zu den poetischen Lyrics des Titeltracks hätten wohl auch alte Dichter und Denker mit gepuderten Perücken wohlwollend im Takt genickt: "Entkam den Flammen auf der Fährte eines Phoenix, reiche Hände wie ein Bettler mit dem Herzen eines Königs." Megalohs Bilder sind gewaltig und entspringen einer Romantik, die heutzutage so überholt ist, dass man sie sich insgeheim sehnlichst zurück wünscht. Alte Götter und neue Ziele – gelegt in einem lyrischen Mosaik aus Pflastersteinen: "Die Zukunft liegt mumifiziert in einer Stahlkassette / ich tanz dieses Sprachballett bis ich sie in ihrem Grab erwecke."
"Endlich Unendlich" als "erwachsenes" Album zu bezeichnen, ist ein Attribut, das ich mit Hip Hop generell so wenig zusammenbringe wie "brutal gutaussehend" mit Farid Bang. Aber wer ist das schon – erwachsen - und wo bitteschön fängt das an? Vielleicht damit, gewisse Dinge einfach etwas differenzierter zu betrachten und mit sich selbst härter ins Gericht zu ziehen. "Rap ohne Weitsicht? Uhh - ich weiß nicht!" Am Ende des Gedankenprozesses steht fast durchweg eine Art innerer Friede, den Mega mit seinem durchdringenden Bass wie ein Prediger über das Hörervolk breitet. "Finde Kraft, tu das, was nötig ist, damit es uns einen Gewinn verschafft."
Schade finde ich nur, dass Megalohs Raps in dieser so reinen Form hier oft einhergehen muss mit etwas zu überfrachteten Produktionen von Ghanaian Stallion, aber auch von den Beatgees, DJ Skare und Max Herres Produktionsteam KAHEDI.
Die sehr organische Experimentierfreude, funktioniert zwar bei "Endlich Unendlich" oder "Mit Neuen Schritten" noch ganz gut, in "Programmier Dich Neu" oder "Glaub Dran" wird es aber schon anstrengend. Dass die Platte viele Reggae- und Funkelemente enthält, ist nicht das Problem. Aber ein Rapper, der so viel Präsenz, Volumen und Bass in seiner Stimme hat wie Megaloh, muss doch nicht in jedem zweiten Track gegen eine Armada von Backgroundsängerinnen und deren pathetische Gesangseinlagen ankämpfen.
Megalohs Flow und seine bildgewaltige Sprache kommt auf reduzierten, klar auf den Punkt gebrachten Produktionen wesentlich besser zum Tragen. "Hörst du mein Herz in der Bass Box auf dem Beat wie auf einem Schlachtross?" Denn Megaloh ist Poesie, Schmerz und Teacherherz – klar auf den Punkt gebracht: "Komm mir zu nah mit deinem Strickschal und du frisst Stahl.
331 Kommentare
würg.... hab es mir auf spotify geben...
mega soll sich schnurstracks aus den Klauen dieses ungewaschenen, müslifressenden Hippie namens Max Herre befreien. Das hier ist einfach "Hallo Welt 2.0" mit besserer Reimtechnik und tighterem Flow.
Hab mal noch ein paar der Texte gelesen, Fazit: Und täglich klingelt das Phrasenschwein. Das wirkt stellenweise so abgedroschen, dass es aus einem Tagebucheintrag einer Bravofotolovestory entstammen könnte. Aber die sind ja seid kurzem durch Fler in die Rapkultur eingegliedert worden. Und so schliesst sich der Kreis.
Hatte nicht schon Selig den selben Albumtitel vor ein paar Jahren?
wer gibt sich denn immer als weltbürger aus, der mühelos allwissend zu jeder thematik einen weitreichenden erfahrungsschatz aufzuweisen hat, vollendete menschenkenntnis, auf jahrzehntelanger erfahrung basierende lebensweisheiten, stets klaren durchblick, unerreichbare souveränität und weltmännisches auftreten gepaart mit der nötigen portion street knowledge inklusive, hm?
Dieser Kommentar wurde vor 9 Jahren durch den Autor entfernt.
Unfassbar gutes Album.